Rothsee-Gottesdienst mit Bischof: „Die Liebe riskieren“

2.8.2015, 08:39 Uhr
Rothsee-Gottesdienst mit Bischof: „Die Liebe riskieren“

© Fotos: Jürgen Leykamm

Erst einmal aber holt Bedford-Strohm tief Luft. Denn der Bibeltext, zu dem er sich äußern soll, ist kein einfacher. Vielmehr einer der markantesten im Neuen Testament und zugleich einer der härtesten. Es geht um die Talente oder Vermögensanteile, die von den Knechten gut verwaltet angelegt werden sollen, während der Hausherr auf Geschäftsreise geht. Den Diener, der seinen Anteil vergräbt, lässt er nach der Rückkehr aus dem hell erleuchteten Haus ins finstere Umland werfen, wo „Heulen und Zähneklappern“ herrschen.

Von beidem „spüre ich aber heute nichts“, so die wackelige Brücke vom Schicksal jenes armen Tropfs zum sonnenbestrahlten Flair des Fränkischen Seenlandes. Auch „unnütze Knechte“ (wie es in dem Gleichnis heißt) könne er unter den Urlaubern und Erholungssuchenden nicht ausmachen. Der Bischof nahm Jesus direkt beim Wort und machte so aber deutlich, dass der Text auf diese Weise unmöglich verstanden werden kann.

Kapitalismus-Kritik

Das sah man auch schon anders. Und so sei es auch kein Wunder, dass der biblisch verbriefte Renditehunger des Hausherrn zur Legitimation des modernen Kapitalismus herangezogen worden sei. Dann hätte man laut des Geistlichen aber Jesus auch als „spirituellen Aufsichtsratschef von Goldmann Sachs“ empfehlen können. Und sein berühmtes „Wer hat, dem wird gegeben...“ als Leitsatz für ein System, das Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden lässt.

„Natürlich ist das Unsinn!“ wehrte sich der systematische Theologe mit Schwerpunkt Sozialethik gegen solcherlei Auslegung. Schon bei seiner Antrittspredigt habe der Heiland gesagt, dass er gekommen sei, „den Armen das Evangelium zu verkünden“. Christus wolle mit dem besagten Bibeltext seine Jünger dazu aufrufen, die Zeit bis zu seinem Wiederkommen zu nutzen: „Vergrabt nicht Eure Botschaft!“ Denn wo man Liebe und Freude teile, da werde sie größer – wer beide unter Verschluss halte, lasse sie versiegen.

Jesu Worte ernst nehmen

Die Finanzbranche habe Jesus lediglich verbal benutzt, um konkrete Begriffe aus dem Alltag aufzugreifen. Der ist bekanntlich auch heute noch vom Geld geprägt, wie die Schilder mit der Aufschrift „Kasse“ an beiden Seiten des Geistlichen während seiner Predigt deutlich machten. Umso schöner, dass direkt hinter ihm auf einem Transparent „Herzlich willkommen“ zu lesen war, was laut Bedford-Strohm mit den Aussagen Jesu schon wesentlich mehr zu tun habe. Gemäß dessen Botschaft solle man auch heute seine Talente „für mehr als nur das private Glück einsetzen“, forderte der Landesbischof auf.

Rothsee-Gottesdienst mit Bischof: „Die Liebe riskieren“

„Wie wäre es denn“, so der 55-Jährige, „wenn wir Jesu Worte einmal ernst nähmen und Liebe zueinander riskierten?“ Dann brauche man nämlich auch als Christ nicht auf Reformprogramme von oben zu warten, um das kirchliche Leben anziehender zu gestalten. Das werde es dann nämlich von alleine. Räume des Respekts schaffen für Jung und Alt, die Schäfchen mitwirken lassen – denn „wer gebraucht wird, der kommt auch gerne“. So einige seiner Empfehlungen. Darüber hinaus gelte es innerlich und äußerlich die Arme auszubreiten: Für Senioren und Kinder, anders Aussehende und anders Denkende.

Raus aus Kirchenmauern

Und nicht zuletzt: „Feiert so schöne Gottesdienste, so wie heute!“ Dazu aber ist eines nötig – im ursprünglichen wie im übertragenen Sinne: „Kommt raus aus euren Kirchenmauern!“ Denn „heute ist kein Tag zum Heulen“ nimmt er wieder direkt auf das Gleichnis Bezug. „Und auch nicht zum Zähneklappern“, außer man gebe dieses Geräusch beim Zerkauen von kulinarischen Genüssen beim Picknick von sich.

Zuvor aber gilt es, gemeinsam mit den Posaunen aus Leerstetten und Gustenfelden den Schlusschoral anzustimmen. Musikalisch geht es dann auch gleich weiter. Die Antenne Bayern Band (der Radiosender hatte für die Veranstaltung im Vorfeld kräftig die Werbetrommel gerührt) entsendet Kristina Hartmann (Gesang) und Tobias Wessely (Gitarre) an den Rothsee, die auch als Duo überzeugen: Was würde sein, wenn Gott einer von uns wäre? Fragen beide mit Joan Osborne. „I Will Follow Him“ geloben sie wie Whoopi Goldberg in „Sister Act“. Und Xavier Naidoo darf hier in Form rezitierten Liedguts auch nicht fehlen.

Eintrag ins Goldene Buch

Während des Auftritts gibt der EKD-Ratsvorsitzende Autogramme, schüttelt Landrat Herbert Eckstein die Hand und schreibt seine Grüße der elfjährigen Janika aus Leerstetten in den Block.

Auch im Goldenen Buch der Stadt Roth verewigt er sich unter wohlwollenden Blicken von Bürgermeister Ralph Edelhäußer und Stellvertreter Hans Raithel. Und wohl auch von einem Hausherrn ein paar Etagen weiter oben.

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