Landkreis-Einrichtungen wollen weg vom Verräumen

25.4.2017, 15:55 Uhr
Landkreis-Einrichtungen wollen weg vom Verräumen

© Foto: Graff

Drei Landkreis-Einrichtungen haben sich zusammengeschlossen, um Initiativen zu stärken, die Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen mit Rat und Tat unter die Arme greifen, Informationen zu bündeln, und neue Möglichkeiten auszuloten, mit Demenz umzugehen. Ziel ist auch, Ängste und Vorurteile bei nicht persönlich Betroffenen abzubauen und sie zu ermutigen, Menschen mit Demenz mitkommen zu lassen – auch ganz wörtlich gesehen.

Der Pflegestützpunkt mit der Fachstelle für pflegende Angehörige, die Gesundheitsregion Plus und das Amt für Senioren und Soziales verstehen sich als Moderatoren und Netzwerker. Sie arbeiten seit einigen Monaten verstärkt daran, vor allem auch die vielen Ehrenamtlichen, die sich für Demenzkranke an vielen Stellen engagieren, zu erreichen und ins Boot zu holen. Von Mai bis Oktober sind eine Vielzahl von Vorträgen und Aktionen geplant. "Wir wollen das Thema mit seinen vielen Facetten in die breite Öffentlichkeit bringen", sagt der Geschäftsführer der Gesundheitsregion Plus, Günther Wittmann.

"Es sind einfach nicht genügend Menschen mit Demenz auf der Straße", bedauert Judith Rechsteiner vom Amt für Senioren und Soziales. Und das, obwohl die Zahl der Erkrankten hoch ist. Die Angst, vor allem älterer Menschen, an Demenz zu erkranken, ist groß. Nicht ohne Grund: Je älter die Menschen werden, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit. 42 Prozent der Landkreisbevölkerung weist das Landesamt für Statistik (Stand August 2015) als "50 bis 65 oder älter" aus. Der Anteil der Erkrankten nimmt vor allem jenseits der 75 Lebensjahre rapide zu. Etwa 2000 Betroffene gibt es derzeit im Landkreis Roth, Tendenz steigend. Oft bedeutet die Diagnose den Rückzug aus dem gewohnten sozialen Leben und den Verlust vieler Beziehungen. "Das muss aber gar nicht sein", betont Petra Lobenwein vom Pflegestützpunkt. "Mit etwas Unterstützung und Verständnis geht vieles ganz lang." Sie plädiert sehr dafür, Hobbies und Sozialkontakte bei ersten Problemen nicht gleich aufzugeben. "Es gehen ja nicht alle Fähigkeiten gleichzeitig verloren."

Die Allianz Demenz hat sich zusammengeschlossen, um "das Leben mit Demenz leichter zu machen". Weg vom "Verräumen" der Erkrankten in den vermeintlichen Schutz geschlossener Räume und Gruppen und hin zu mehr Möglichkeiten, den Demenzkranken und ihren Angehörigen "solange es irgendwie geht, gemeinsame Teilhabe am Leben zu ermöglichen."

Dazu braucht es Information, Offenheit und ein wenig Mut, etwas auszuprobieren. "Wir wollen möglichst viele Vereine – gerade auch die Sportvereine – ermutigen und darin unterstützen, sich mit der Thematik zu befassen, Übungsleiter zu schulen und entsprechende Angebote zu machen."

Der TV 21 Büchenbach ist einer von denen, die es vormachen: Regelmäßig bietet Dieter Käpple am Montagvormittag eine Wandergruppe mit, bei der Menschen mit Demenz ausdrücklich willkommen sind. Einzige Voraussetzung ist, dass eine Begleitperson mitwandert. Genauso beim Seniorentanzen, das die Awo "Auf Draht" in ihren Räumen in der Drahtzieherstraße anbietet. Einen anderen Blickwinkel auf die Krankheit schlägt Diakon Manfred Riedel am Dienstag, 6. Juni, im Hans-Roser-Haus in der Gartenstraße bei einer "Schatzsuche Demenz" vor: Statt nur die Defizite zu betrachten, richtet er den Blick auf die Bereicherung der neuen Situation.

Fachliche Informationsveranstaltungen zu Diagnose, Therapie und geeigneten Wohnformen finden den Sommer über auf den ganzen Landkreis verteilt statt. Die genauen Termine sind im Flyer der "Allianz Demenz" zu finden, der ab sofort in vielen öffentlichen Einrichtungen ausliegen wird. Darin sind auch Ansprechpartner für die verschiedenen Aktionen aufgelistet.

"Windlicht" für Angehörige

Zwei neue Initiativen stehen bereits in den Startlöchern: "Windlicht" heißt der Angehörigentreff, den Janet Meyer vom Quartiersmanagement der Awo gemeinsam mit der Kontakt- und Informationsstelle "KISS" ins Leben rufen möchte. Was da aufflackern wird, ist noch völlig offen: "Wir wollen ein wirklich bedürfnisorientiertes Angebot machen, und laden zu einem Ersttreffen ein, bei dem wir aus erster Hand erfahren möchten, wie die Wünsche und Bedürfnisse von Erkrankten und Angehörigen tatsächlich vor Ort aussehen." Termin ist Donnerstag, der 18. Mai von 14.30 bis 16 Uhr in der "Villa" des Awo-Betreuungszentrums in der Friedrich-Ebert-Straße 40. Ein Alternativtermin ab 18 Uhr des selben Tages ist ebenfalls gesetzt.

"Informationen zum Anfassen" stecken in der Bücherkiste, die in den vergangenen Wochen mit vielfältigem Lesefutter rund um das Thema "Leben mit Demenz" gepackt worden ist. Ein breites Spektrum zum Schmökern, vom Fachbuch bis zum persönlichen Erfahrungsbericht, darunter auch Bilderbücher für Jung und Alt, haben Platz in der mobilen Klein-Bibliothek gefunden.

Die Idee dazu hatte die Rotherin Hildegard Schiexl, die sich selbst seit Jahren ehrenamtlich in der Demenz-Betreuung engagiert. Bei ihrem privaten Kundenberater Markus Klemm von der Raiffeisenbank hat sie mit ihrer Idee offene Türen eingerannt. Er hat sich dafür eingesetzt, dass die Bank das Projekt mit 500 Euro unterstützt. Die Bücherkiste wird erstmals bei der Eröffnungsveranstaltung am 11. Mai im Gesundheitszentrum 1 im Weinbergweg 16 in Roth im Einsatz sein.

Bücher auf Tour

Ab Ende Mai touren die Bücher durch die Gemeindebüchereien des Landkreises. Erste Station ist Büchenbach, wo am Dienstag, 30. Mai, ein Informationsabend unter dem Titel "Wenn das Gedächtnis nachlässt – normale Altersvergesslichkeit oder schon Demenz?" stattfindet. Auch der nächste Halt der Bücherkiste steht schon fest: Ab Freitag, 23. Juni, macht sie in Röttenbach Station.

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