„Machtspielchen“ mit dem Schirmstock

24.3.2012, 00:00 Uhr

Nachdem Staatsanwältin Marion Hüttl die Anklageschrift verlesen hatte, räumte der Angeklagte den Sachverhalt auch sofort ein. „Ja richtig, alles richtig“, sagte er, was Richterin Neubauer dazu veranlasste, die Frage zu stellen, ob das normal sei. Da entpuppte sich A. als Wendehals, denn er wollte mit dem 70 Zentimeter langen und ein Zentimeter dicken Stock angeblich nur Schläge angedeutet haben.

Das sah der angegriffene Bedienstete der Stadt allerdings ganz anders. Hiebe auf Wade, Oberschenkel und Hand habe er abbekommen, sagte der 31-jährige Zeuge, der Angriff sei für ihn völlig unerwartet gewesen. Der Angestellte wusste zudem, dass es nicht der erste aggressive Ausraster von Kemal A. war. Auch im Sozialamt sei er bereits unangenehm aufgefallen.

Der amtlich bestellte Betreuer des Angeklagten beurteilte seinen Klienten als impulsiv und unmotiviert. Wenn er was nicht verstehe, dann vermute er eine Heimtücke. „Er kann ganz zornig sein und Sekunden später ist es wieder vorbei“, beschrieb der Betreuer das Verhaltensmuster des 43-Jährigen. Dass es ein Gutachten gab, in dem sein Klient als psychisch krank bezeichnet wurde, bei dem unter Alkoholeinfluss — zum Tatzeitpunkt hatte er 0,8 Promille — eine akute Eigen- und Fremdgefährdung vorliege, wusste der Betreuer nicht.

Als „gefährliches Werkzeug“ stufte Staatsanwältin Marion Hüttl den Stock ein, weshalb sie auch von einer gefährlichen Körperverletzung sprach, wegen der Kemal A. schuldig gesprochen werden müsse. Im Wissen um eine einschlägige Vorstrafe aus dem Jahr 2000 (ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung), beantragte sie sechs Monate Freiheitsstrafe (auf Bewährung) und die Ableistung von 60 Sozialstunden.

Dem folgte Richterin Dr. Andrea Neubauer, erhöhte die Zahl der Sozialstunden aber auf 100. In der Sozialfirma „Auf Draht“ der Arbeiterwohlfahrt Roth soll A. arbeiten gehen. Neubauer vermutete, dass der Angriff auf den Bediensteten der Stadt ein „Machtspiel“ war, da dem 43-Jährigen im April vergangenen Jahres die Aufnahme in der Notunterkunft verwehrt wurde.

„Sie machen sich hier die Gesetze ein bisschen selber“, sagte die Richterin, aber „Sie haben nicht das Recht, jemanden anzugreifen und zu schlagen“.

Wenn A. den eingeschlagen Weg weitergehe, werde sie die Bewährung widerrufen, so die Richterin abschließend.

 

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