"Mit diesem Gesetz werden die Tankstellen kaputt gemacht"

7.9.2012, 10:00 Uhr

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„Dieses Gesetz ist absolut unsinnig“, meint Özdemir Canerik, Tankstellenpächter der Agip-Tankstelle in der Nürnberger Straße in Roth, und schüttelt den Kopf. Warum müssen Tankstellen-Nachbarn extra mit dem Auto vorfahren, wenn sie sich noch die Zeitung, etwas zu Trinken oder was zum Knabbern besorgen möchten? „Meine Tankstelle ist in einem Wohngebiet und ich bin dafür da, dass zur späten Stunde noch das ein oder andere gekauft werden kann“, erklärt der Agip-Pächter.

Pizza nur für Autofahrer

Aber nicht mehr für Radfahrer und Fußgänger, heißt es in den neuen Vollzugshinweisen zum Ladenschluss im Freistaat. Tankstellen dürfen also nachts ab 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen Reisebedarf nur noch an Autofahrer und deren Mitfahrer abgegeben. Und zum Reisebedarf zählt so einiges: Sei es Tiefkühlpizza, Bier, Zeitschriften, Zigaretten oder Kaugummi — wer ohne Auto kommt, muss folglich mit leeren Händen wieder gehen.

„Der Service, zur nächtlichen Stunde schnell noch einkaufen zu können, hat Tradition. Das wird uns und der Bevölkerung mit dem neuen Gesetz nun verboten“, ist Canerik empört. Und das könnte für seine Tankstelle drastische Folgen haben: Sind seine Einbußen in den nächsten Monaten zu groß, werde er nicht davor zurückschrecken, Personal zu entlassen oder die Tankstelle ab 20 Uhr zu schließen.

Acht Angestellte hat der Tankstellenpächter in der Nürnberger Straße. Wird das Geschäft durch das neue Gesetz deutlich schlechter, müsse er bis zu drei seiner Mitarbeiter entlassen, sagt er.

„Dass sich damit der Staat selbst schadet, wurde bei dem neuen Gesetz wahrscheinlich nicht bedacht“, meint Canerik. Würde er beispielsweise früher schließen und an Sonn- und Feiertagen gar nicht öffnen, spare er sich Personal. Diese Personen wiederum beziehen dann womöglich Geld vom Staat, bis neue Arbeit gefunden ist. Sozialabgaben für die Angestellten würden damit weniger werden. Um-satzsteuer und Einkommensteuer ebenfalls. Sogar Strom könnte durch kürzere Öffnungszeiten gespart werden. „Da kommen allerhand Einbußen auf den Staat zu“, meint Canerik, der seit 21 Jahren im Tankstellengeschäft tätig ist.

Auch Peter Dittrich, langjähriger Mitarbeiter bei der Rother Shell-Tankstelle, ist entsetzt: „Ich verstehe dieses Gesetz einfach nicht. Damit wird in erster Linie den Tankstellen geschadet.“ Viel Laufkundschaft habe Dittrich zu später Stunde. Dass er nun Kunden ohne Einkauf wieder wegschicken muss, lässt den Tankstellenmitarbeiter verzweifeln. „Die Kunden sind verständlicherweise sauer, wenn sie nichts bei uns kaufen dürfen. Dann gehen sie zu anderen Tankstellen, die es noch nicht so ernst nehmen mit dem neuen Gesetz. Wir verlieren damit aber dauerhaft unsere Kundschaft“, mutmaßt Dittrich.

Und tatsächlich ist das neue Gesetz noch nicht in jeder Tankstelle in Roth so richtig angekommen. Die Bestimmungen seien, so ergab unsere Um-frage, wenn überhaupt, nicht bis ins Detail bekannt, und noch immer werde zu später Stunde Fußgängern und Radfahrern gerne noch ein Bierchen, Zigaretten oder Knabberzeug verkauft.

Backshop geht immer

Dass Radfahrer und Fußgänger nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen nichts mehr an Tankstellen kaufen dürfen, entsetzt die Agip-Angestellte Nadja Haderlein: „Am Wochenende verkaufen wir viele Getränke. Unser Backshop geht immer. Wenn wir nun unseren Verkauf von Nebenartikeln einschränken müssen, können wir den Laden gleich dicht machen.“ Die Kosten seien einfach nicht mehr zu stemmen. Rund einen Cent würden Tankstellenpächter an einem Liter Benzin verdienen. Davon würden aber noch die Steuern abgehen. „Die großen Einnahmen stammen hauptsächlich aus dem Verkauf von Nebenartikeln“, heißt es nicht nur bei Agip in der Allersberger Straße.

Bei Haderlein trifft das neue Gesetz auf Unverständnis: „Für einen kleinen Einkauf nach 20 Uhr gab es immer Tankstellen.“ Dieser Service werde jetzt folglich der Vergangenheit angehören. „Wieder ein Gesetz, das auf Kosten kleiner Betriebe geht.“

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