Mit „Hip, Hip, Hurra“ nach Ulm

13.1.2017, 13:14 Uhr
Mit „Hip, Hip, Hurra“ nach Ulm

© Foto: Erik Thomas

Dass sich der Zweitligist TV Hilpoltstein unter diesen vier Vereinen befindet, kommt einer sportlichen Sensation gleich. Mit einem schon überraschenden Vorrunden-Erfolg beim amtierenden Zweitligameister TSV Bad Königshofen, dem 3:2 im Achtelfinale bei Borussia Dortmund und dem nicht nur die Fachwelt verblüffenden 3:1 im Viertelfinale gegen den Erstligisten Werder Bremen schafften die Mittelfranken als bisher einziger Zweitligist den Sprung ins Halbfinale. Und da zog man tatsächlich das große Los. Denn der Gegner im Halbfinale ist über alle Sportarten hinweg der erfolgreichste Verein Deutschlands: Borussia Düsseldorf.

Ein Titel mehr als die Bayern

66 Titel haben die Weltstars aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt (615 000 Einwohner) bereits gewonnen, einen mehr als die Fußballer des FC Bayern München. Zur Zeit ist dieser Tischtennisverein, der als einziger seit dem Aufstieg 1967 ununterbrochen der 1. Bundesliga angehört, noch in allen Wettbewerben vertreten: der Champions League (die man schon viermal gewonnen hat), der deutschen Meisterschaft (wo man wie selbstverständlich die Erstliga-Tabelle anführt) und eben im Pokal-Finale, bei dem man den Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen hat.

Hinter all diesen Erfolgen steckt eine professionelle Vereinsführung. Als erster deutscher Tischtennis-Verein hatte die Borussia einen Manager, einen Cheftrainer und eine Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Dadurch gelang es, seit der Vereinsgründung viele Profis der Weltklasse, aber auch ebenso viele junge Nachwuchsspieler zu verpflichten, die in Düsseldorf zu Weltklassespielern reiften.

Dabei wurde stets die Philosophie verfolgt, eine junge deutsche Mannschaft mit internationaler Ausrichtung zusammenzustellen, für die der Verein auch heute noch steht. Eine Auswahl: Eberhard Schöler, Wilfried Lieck, Hans Wilhelm Gäb, Ralf Wosik, Jörg Roßkopf, Steffen Fetzner, Jochen Leiß, Desmond Douglas, Jörgen Persson, Vladimir Samsonov, Michael Maze, Christian Süß, Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Patrick Baum, Patrick Franziska oder Anton Källberg.

Star des heutigen Ensembles und absoluter Publikumsliebling ist Timo Boll, der seit 2007 für den Rekordmeister spielt. Der ehemalige Weltranglistenerste gehört seit über einer Dekade zu den besten Spielern der Welt und erklomm diese Position bei der Borussia 2011 das zweite Mal nach 2003. Boll gewann mehrere Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften und ist 16-facher Europameister. Höhepunkt im sportlichen Leben des sympathisch-bescheidenen Tischtennisstars war sicher seine Wahl zum Fahnenträger der deutschen Olympiamannschaft in Rio 2016 – eine große Ehre für einen Tischtennisspieler.

Für den TV Hilpoltstein ist es eine große Ehre, im Halbfinale des deutschen Tischtennis-Pokals gegen eine solche Übermannschaft, deren Etat wahrscheinlich 20 mal so groß ist wie der eigene, antreten zu dürfen. „Wir haben keine Chance, aber die wollen wir nutzen“, schmunzelt Hilpoltsteins Kapitän Alexander Flemming wie schon gegen Werder Bremen ins Mikrofon, wenn man es ihm hinhält. Flemming hatte schon einmal das Vergnügen, gegen Timo Boll anzutreten. Bei den deutschen Meisterschaften 2013 in Bamberg verlor der Sachse im Hilpoltsteiner Trikot gegen sein Vorbild im Halbfinale, wurde damals dennoch durch seinen Titel im Doppel und mit der Bronzemedaille im Einzel erfolgreichster Spieler dieser denkwürdigen Titelkämpfe.

Spaß haben

Die Hilpoltsteiner Pokal-Helden wollen beim bisher größten Erfolg in der 51-jährigen Vereinsgeschichte vor allem eines: Spaß haben. Und den bekommen sie schon dann, wenn sie in die beeindruckenden Ränge schauen. Deutlich über 200 Fans werden in neuen, von Bürgermeister Markus Mahl gestifteten Shirts „Hip, Hip, hurra“ schreien, wenn einer ihrer Lieblinge einen Punkt macht. Überhaupt: Dieser Event, von dem vier öffentlich-rechtliche Fernseh-Sender (darunter auch ARD und BR), mehrere lokale und regionale TV-Anstalten sowie zahlreiche Print- und Online-Organe berichten, bringt viel Image in die mittelfränkische Kleinstadt: „Das ist beste Werbung für unsere schöne Stadt mit 13 500 Einwohnern“, freut sich denn auch der im Fan-Bus mitfahrende Bürgermeister über den großen Erfolg seines sportlichen Aushängeschilds.

Alexander Flemming (2367 Leistungspunkte), Petr David (2375), Nico Christ (2306) und Dennis Dickhardt (2260) dürfen sich gegen die Düsseldorfer Weltstars gerne als „Underdogs“ fühlen. Timo Boll (2609), Stefan Fegerl (2512), Kristian Karlsson (2538), Kamel Achanta (2479) und Anton Källberg (2451) gehen in jeder Aufstellung als haushohe Favoriten ins Rennen. „Wir haben schon gewonnen, wenn wir in die Ränge schauen. Vor so einem Publikum zu spielen, wird wohl einmalig bleiben in unserem Tischtennisleben“, schwärmt der Hilpoltsteiner Kapitän schon vor dem Match.

In der Tat: Vier Busse mit über 200 Fans fahren von Hilpoltstein aus am Sonntag um 7.30 Uhr in die bayerische Grenzstadt. Dank einiger Gönner zahlen sie nur 20 Euro für die Fahrt hin und zurück, das Fan-Shirt und alle Getränke im Bus sind im Preis enthalten. „Zumindest in dieser Disziplin sind wir besser als der Champion, insofern können wir gar nicht verlieren“, frotzelt Hilpoltsteins Bundesliga-Manager Bernd Beringer in Richtung Borussia. Das zweite Halbfinale bestreiten parallel um ebenfalls um 11 Uhr der Post SV Mühlhausen und der FC Saarbrücken. Die beiden Sieger bekämpfen sich dann um 15 Uhr im Finale. „Wir werden so oder so zu den Siegern gehören“, meint Hilpoltsteins Abteilungsleiter Robert Nachtrab.

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