Nach Georgensgmünd: Höchste Alarmstufe im Amtsgericht

20.10.2016, 08:41 Uhr

Die Sitzungsvormerkung ließ nichts Spektakuläres erwarten. Wegen „Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a.“ sollte sich Franz B. (Name geändert) verantworten. Auch seine Lebensgefährtin war angeklagt, weil sie ihm das Auto gegeben hatte, obwohl sie wusste, dass er keinen Führerschein mehr besitzt.

Das Problem: Franz B. ist am Amtsgericht kein Unbekannter. Er und seine Lebensgefährtin zählen zu den „Germaniten“, eine sektenähnliche Gemeinschaft, die ähnlich wie die „Reichsbürger“ und der bis vor einigen Jahren in Schwand residierende „Zentralrat souveräner Bürger“ die Bundesrepublik Deutschland ablehnt. Die „Germaniten“ geben ihre Pässe wieder ab, bezeichnen Deutschland als „GmbH“, in der der Bundespräsident „Vorsitzender“ und die Kanzlerin „Geschäftsführerin“ ist. Sie stellen sich Fantasie-Pässe und Fantasie-Führerscheine aus, bezeichnen sich mitunter als Kriegsgefangene und gehen im harmlosesten Fall als Querulanten durch.

Franz B., der in Pyrbaum lebt, hat die Sache mit dem Fahren ohne Führerschein aber nicht nur übertrieben, er hat sie auf die Spitze getrieben, sodass er vom Amtsgericht Schwabach schon zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe (ohne Bewährung) verurteilt worden war. Auch zwei Autos hatte Richterin Birgit Eckenberger schon einziehen lassen.

Bislang hat B. die Haftstrafe aber nicht angetreten, vielmehr setzte er sich dank finanzieller Unterstützung seiner in Roth wohnenden Lebensgefährtin weiter ans Steuer. Dass er zu seiner gestrigen Verhandlung nicht erschien, war für die Justiz deshalb wenig überraschend. Trotzdem: Weil es bei ersten Prozessen gegen B. und seine Lebensgefährtin im Amtsgericht schon einen großen Auflauf weiterer „Germaniten“ und „Reichsbürger“ aus der Region gegeben hatte, hatte das Amtsgericht Schwabach schon im Vorfeld der für Mittwoch angesetzten Verhandlung Unterstützung von Justizbeamten aus Nürnberg angefordert.

Und als am Vormittag das Gericht von der Schießerei in Georgensgmünd erfuhr, wurden die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verschärft. Die Polizei rückte ebenfalls an, schützte das Gerichtsgebäude und stand bereit, um einen reibungslosen Ablauf der Verhandlung zu gewährleisten. „Ich habe schon den Eindruck, dass sich die Szene radikalisiert“, so Richterin Eckenberger. Besucher des Amtsgerichts wurden nicht nur am Eingang gefilzt, sondern ein zweites Mal am Eingang zum Sitzungssaal. Polizeibeamte in Zivil und Justizbeamte mit schwerer Bewaffnung und mit schusssicheren Westen patrouillierten in den Fluren auf und ab. Die beiden Angeklagten haben zwar mutmaßlich nichts mit dem Fall in Georgensgmünd zu tun, doch „sicher ist sicher“, so Gerichtssprecherin Dr. Andrea Martin.

Zweiter Haftbefehl

Die Verhandlung platzte jedoch. B. war erwartungsgemäß untergetaucht. Seine Freundin war ebenfalls nicht da und konnte, nachdem Richterin Eckenberger einen Vorführbeschluss erlassen hatte, auch zu Hause nicht aufgegriffen werden. „Alles verrammelt“, meldete ein Polizist in den Gerichtssaal. Jetzt wird nicht nur Franz B., sondern auch seine Lebensgefährtin mit Haftbefehl gesucht.

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