Neue Nahrung fürs Gehirn

3.2.2019, 15:03 Uhr
Neue Nahrung fürs Gehirn

© Foto: Ute Matern

Diese Gitarren bearbeitete der Liedermacher in der Kulturfabrik in Roth virtuos. Mit großer Fingerfertigkeit, technisch versiert, dynamisch, mal als Schlagwerk und manchmal in Fitzscher Manier in monotoner Endlosschleife, als müsse etwas ins Gehirn gemeißelt werden. So wie die "Kerbe im Hirn", die der Deutschunterricht am Gymnasium bei ihm hinterlassen hat und die nicht zulässt, einen Begriff wie "kalkulierbares Risiko" unkommentiert zu lassen.

Verwirrung im Kopf

"I geh ned aufs Eis" wird draus. Nein, das tut Michael Fitz wahrlich nicht, er bekennt sich zu seinen Gefühlen, seiner Angst, seiner Wut, seiner Liebe und seiner Unzulänglichkeit, seiner Verwirrung im Kopf.

Aus all dem entsteht Musik, die Themen "liegen am Straßenrand": die "postfaktische Dreiviertelwahrheit", die "Höhlenknappheit" der Neandertaler, der Selbstoptimierungswahn: Oder die Willkommenskultur: eine "logistische Anforderung", seinen "Verhau" in dem Lied "Der Bsuach" irgendwie in Ordnung zu bringen, um dann am Ende des Liedes augenzwinkernd festzustellen: "Wennsd wuist, kannst geh, alla is a ganz schee!"

Ach ja, die Sprache. Wer des Bayerischen nicht so ganz mächtig ist, tat sich schwer an diesem Abend, zumal die Singstimme oftmals von der ebenso verstärkten Gitarre übertönt wurde. Man musste schon genau hinhören, um den (Hinter)sinn der Texte zu verstehen.

Die Lacher auf seiner Seite hatte Fitz einmal mehr, als es um das Thema Beziehung ging. "Beziehung ist grundsätzlich was Schönes", leider ändert sich so manches im Lauf der Zeit. Du bist zumindest mal "weg vo der Strass" und bekommst als Mann ja auch regelmäßig Hofgang. "Dumme Ideen derfst ham", aber nicht in die Realität umsetzen. Und irgendwann wird dein "betreutes Leben" zum "Schleidersitz", dessen Fallschirm die Ehefrau gestohlen hat.

Das Lamento eines unverstandenen Mannes in der Beziehung. "Du siggst mi ned", eines der älteren Lieder des Abends, handelte von ganz existentiellen Nöten eines kleinen Jungen, der um die Aufmerksamkeit seines Vaters kämpft. Zur Not auch bis zur Spätpubertät mit 35 Jahren.

Selbst Liebeslieder gehen "bei mir anders", wie in dem Lied "Heit". Es lässt sich ein Zustand beschreiben, der dem Fränkischen "bassd scho" sehr nahe kommt. Oder für Einheimische gut verständlich: "Hob ka Zeit" aus dem Lied "Zeit", das von der Schnelllebigkeit handelt, bis der "Boandlkramer" vor der Tür steht.

Aus dem Jahr 2016 stammt ein Lied, dessen Titel sich wie ein roter Faden durch den Abend zog: "Des bin I". Wer ist Michael Fitz eigentlich? Ein Mensch, der sich schonungslos den Tatsachen stellt. Einer, der erkennt, dass er einen Hang zum Narzissmus hat.

Man könne dann Politiker oder Songwriter werden. Unser Verkehrsminister zum Beispiel hat auch den Drang, momentan von allen geliebt zu werden. Einer, der ehrlich und bodenständig mit Tatsachen umgeht, der weiß, dass auch er nicht perfekt und von ständigen Zweifeln geplagt ist.

An oder in die Luft

Was "Hinter meiner Stirn", so der Titel, alles abläuft, ist ein Kaleidoskop. Oder manchmal nur "zäher dicker Nebel". Und die "Kleinen dicken Hausverwalter" im Hirn streiten und wissen sowieso alles besser. Je nach Temperament kann man dieser Verwirrung im Kopf nur entgehen, indem man "lüftet, an die Luft oder in die Luft geht".

Kleine Sprachspielereien im lockeren Plauderton stellten den Abend über den Kontakt zum Publikum her. Für Michael Fitz nach eigenem Bekunden sehr wichtig. Etwas, das ihm bei seinem zweiten Beruf, als Schauspieler für Fernsehproduktionen, abgeht. Der ihm aber doch so wichtig ist, dass er mehrmals am Abend darauf verwies.

Er kokettierte damit, als "der Dings, glei fallds ma wieda ei" erkannt zu werden. Und damit, dass der Münchner Tatort in der zigsten Wiederholung den Zuschauern ein sehr viel jüngeres Bild seiner selbst vorgaukelt, sodass die Fernsehzuschauer — er erkennt sie sofort, "die haben ganz andere Augen" — den ganzen Abend über grübeln müssten, ob es jetzt wirklich er sei oder doch der "Bruader vom Hardy Krüger junior".

Er war es zweifelsohne selbst, unverwechselbar, keinem Mainstream unterworfen, allein mit seiner Gitarre und dem Publikum. Das ist ihm wichtig. In seiner Sprache, seiner Gedankenwelt, seiner Weltanschauung, seiner Authentizität.

Und es klang ehrlich, als sich Fitz bei seinem Publikum bedankte "fürs Dasein, Zuhören, Mitmachen und Verstehen." Noch ein paar elegante Gitarren-Riffs für den Heimweg und ein spitzbübisches Lachen für sein Publikum.

Unermüdlich wird der Liedermacher seine Tournee fortsetzen, noch über 80 Abende in diesem Jahr. In kleineren und sehr kleinen Räumen, immer in der Zwiesprache mit dem Publikum und immer auf der Suche nach neuer Nahrung für das Gehirn. Ohne Angst, allein mit sich und seinen Gedanken zu sein.

Schade, dass vor dem Konzert und in der Pause Musik vom Band rieselte. Das konterkarierte den Wunsch des Sängers, in der Pause über das Gehörte nachzudenken.

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