Pause zum Plaudern und Auszeit vom Alltag

28.1.2015, 16:19 Uhr
Pause zum Plaudern und Auszeit vom Alltag

© F: sgr

Mit Ingrid Beyerlein aus Pruppach haben die Beraterinnen eine begeisterte Unterstützerin für die Idee gefunden. Am Dienstag, 10. Februar, um 10 Uhr wird sich der Gesprächskreis erstmals in der Räumen des KISS in der Sandgasse in Roth treffen."Ich wünsch’ mir was für mich!“ Diesen Satz samt Ausrufezeichen haben die Initiatorinnen rot auf den Infoflyer für die neue Gruppe gedruckt. Daneben das Foto einer Frau, die sich entspannt im Liegestuhl zurücklehnt. Eine Szene, die viele betroffene Mütter selten erleben.

Die behinderten Familienmitglieder seien in der Regel sehr gut versorgt. Das leiste, so OBA-Koordinatorin Heike Ackermann, gerade im Landkreis Roth ein dichtes Netz spezialisierter Einrichtungen. Viele erwachsene Behinderte erfahren dort Förderung, Bildung und Beschäftigung – und leben selbstverständlich weiter bei den Eltern. Für die Familien bedeutet die Betreuung und lückenlose Fürsorge eine extreme Belastung über Jahrzehnte. „Viel zu viele Frauen wurschteln sich ohne wirkliche Unterstützung jahrzehntelang durch den belastenden Alltag. Dabei gehen wichtige Informationen manchmal einfach verloren.“, weiß Ingrid Beyerlein. Außerdem werden auch Eltern älter und müssen sich mit der schwierigen Frage auseinandersetzen, wie die erwachsenen Kinder zu mehr Selbstständigkeit kommen sollen.

„Mir war mein Sohn niemals zu viel“, betont die gelernte Hauswirtschafterin, zu deren Familie neben zwei Töchtern und mehreren Enkelkindern auch der 30-jährige geistig behinderte Sohn gehört. „Aber das organisatorische Drumherum, die vielen Termine, Anträge, den Überblick behalten über Fördermöglichkeiten, Ansprüche, Fristen“, das habe sie oft an ihre Grenzen gebracht. Auch die Tatsache, dass es sehr mühsam ist, den Sohn ins normale gesellschaftliche Leben „außerhalb der Behindertenwelt“ zu integrieren.

Dabei habe ihr die Offene Behindertenarbeit sehr geholfen, betont die quirlige Frau. Seit Jahren nimmt die Familie Angebote der Offenen Behindertenarbeit, den Fahrdienst und die Möglichkeit des „begleiteten Wohnens“ in Anspruch. Mehrere Stunden in der Woche bekommt der Sohn als Leistung der Eingliederungshilfe nach Feierabend Besuch von einer pädagogischen Fachkraft, die ihn bei Aktivitäten begleitet und unterstützt.

Mit Mama ins Fitness-Studio

Das verhilft ihm zu mehr Selbstständigkeit und der Familie zu mehr Freiraum. „Ein 30-Jähriger kann ja zum Beispiel schlecht mit seiner Mutter ins Fitness-Studio gehen.“ Viele erwachsene Behinderte aber seien fast ausschließlich an ihre Eltern gebunden.

„Es mangelt immer wieder am Gespräch“, hat Ingrid Beyerlein festgestellt. Deshalb sei sie von der Idee des Gesprächskreises begeistert und will ihn trotz aller Belastungen im Alltag zwischen Haushalt, Teilzeit-Beruf und der Betreuung des Sohnes aktiv mit voranzutreiben.

Dass es wie in der Familie Beyerlein meist die Frauen sind, die die Hauptlast bei der Alltagsbewältigung tragen, ist nach wie vor Realität, weiß Heike Ackermann. Deshalb wolle man zunächst gezielt Frauen ansprechen. Ausgeschlossen werden solle aber niemand. Wie und von wem das Angebot angenommen werde, sei noch nicht absehbar. Sowohl die Zielgruppe als auch Zeit und Inhalte des Gesprächskreises seien zunächst lediglich ein erster Rahmen. Ziel sei, dass die Gruppe sich rasch verselbstständigt und als Selbsthilfegruppe von innen selbst gestaltet. Zu Beginn leisten die Offene Behindertenarbeit und das KISS gemeinsam Starthilfe.

Ingrid Beyerlein und ihre Familie haben sich nie gescheut, Beratung zu suchen und Kontakte zu knüpfen. Auch deshalb kann sie von sich sagen: „Ich bin gut aufgehoben.“ Aber sie sehe viele Probleme, die sie längst hinter sich habe, bei vielen anderen Betroffenen. Sie ist sich sicher: „Man bekommt viel mehr mit, wenn man miteinander redet. Jeder Gedanke und jedes Wort kann hilfreich sein.“

Heike Ackermann kann dies aus ihrer Beratungstätigkeit nur bestätigen. „Es gibt viele Familien, bei denen Entlastung möglich wäre, aber kein Kontakt zu uns da ist.“ Deshalb hofft sie, dass der Gesprächskreis als niederschwelliges Angebot auch Familien erreicht, denen es schwerfällt, einen Termin in der Beratungsstelle zu vereinbaren. Neben dem Austausch von Tipps und Infos soll die Gruppe den Müttern auch eine kleine Verschnaufpause ermöglichen.

Angedacht sind zudem gemeinsame Unternehmungen. Auch das ist Ingrid Beyerlein langfristig wichtig: „Auch die behinderten Familienmitglieder könnten über diese Gruppe Anschluss finden.“ Ihr Sohn würde sich sicher freuen, jemanden zu treffen, mit dem er auf privater Basis seine Leidenschaft für den Computer und die Freude am Fitnesstraining teilen könnte. Und vielleicht trifft sie im Gesprächskreis ja eine andere Mutter, deren Sohn den gleichen Wunsch hat.

Wer sich für den Gesprächskreis interessiert oder gerne am ersten Treffen teilnehmen möchte, wird gebeten, sich vorab mit der Offenen Behindertenarbeit, Telefon (0 91 71) 85 96 37 10, oder dem KISS, Telefon (0 91 71) 9 89 73 70, in Verbindung zu setzen. Dabei kann auch geklärt werden, ob jemand Bedarf an Unterstützung bei der Betreuung während des Treffens hat. „Das lässt sich alles organisieren“, versprechen die Initiatorinnen des Gesprächskreises.

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