Perlen aus Bubinga machen saitenweise Furore

14.2.2014, 17:11 Uhr
Perlen aus Bubinga machen saitenweise Furore

© privat

Der Glanz strahlt durch die großen Fensterscheiben nach draußen, als wäre die Sonne eingekehrt. Aber nicht der Himmelskörper, sondern eine Salvi ist´s, eine italienische Meisterleistung der Harfenbaukunst, die drinnen ihre goldene Aura verbreitet. Geschäftsführer Wolfgang Kerscher öffnet die Tür mit unterfränkischem Schwung und gibt den Blick frei auf eine imposante Versammlung: Konzertharfe reiht sich da an Konzertharfe, durchaus Respekt einflößend. Immerhin sind die glänzenden Kaventsmänner bis zu einem Meter achtzig hoch, 40 Kilogramm schwer - und unglaublich edel, ne c´est pas?

Soeben kommt auch Bernadette Kerscher in den Raum gewirbelt. „Auf den Saiten ist eine Spannung von über 1000 Kilo drauf, sonst würde das nicht gut klingen“, erklärt sie resolut und kappt angesichts solch´ wuchtiger Dimensionen jeden Anflug von Äolsstimmung beim unbedarften Betrachter. Dann allerdings kippt sie sich eines der Instrumente gegen die Schulter und lässt Debussy durch die ehemalige Hopfenscheune moussieren. Leicht, leichter. Und da ist es wieder, dieses „Schwebende“, das der gesamte Ausstellungssaal atmet. „Man kann auf dem Instrument fast alles spielen“, meint die 56-Jährige pragmatisch.

Das ist Expertenwissen. Denn seit sie zehn ist, gibt im Leben der Bernadette Kerscher die Harfe den Ton an. Musikschulenbesuch, Preise und eine Leidenschaft. Daraus ist der Mix gemacht, aus dem sich die Zukunftsträume der Bretonin anfänglich speisten. Es folgen: das Studium am Würzburger Konservatorium bei Gisèle Herbet, der Aufbau einer Harfenklasse in Tübingen, eine eigene Musikschule mit Laden in Nürnberg, später in Schwabach.

Kunden aus aller Welt

„Seit 26 Jahren“, sagt Bernadette Kerscher, „kaufe und verkaufe ich Harfen“. Mit Erfolg. Zu ihren Kunden zählen inzwischen nicht nur Harfenisten aus der Bundesrepublik und dem deutschsprachigen Ausland. Auch aus Dänemark, Indonesien oder Brasilien kamen bereits Anfragen - und Käufer.

Vieles laufe über den Internetversand. Etwa, wenn einer der 5500 Harfentitel aus dem „größten Notenrepertoire der Welt“ verschickt werden will, das „Glissando“ vorrätig hält. Oder eine Auswahl der 1500 verschiedenen Saiten – Carbon, Darm, Nylon.

Doch der Kauf einer Harfe selbst erfolge stets „en face“, also von Angesicht zu Instrument. Denn das Spektrum, das sich da eröffnet, ist enorm. Deshalb sollte es im Jahr 2000 auch Mühlstetten sein. Dort wartete ein alter Hopfenbauernhof auf seine Renaissance. Eine Wiedergeburt, die ihm Bernadette Kerscher nur allzu gern gewährte. Denn der Umbau bedeutete Platz, viel Platz.

Heute wetteifert in der restaurierten Scheune ein stattliches Kontingent von Kerschers Lieblingsinstrumenten um die Gunst der Besucher: Hakenharfen, Pedalharfen und Doppelpedalharfen, auch Konzertharfen genannt. Sie sind die „Königinnen“ unter Ihresgleichen – nicht zuletzt der stolzen Preise wegen: 10000 Euro Minimum, und nach oben „no limits“.

Dennoch hat Bernadette Kerscher ihr Herz im buchstäblichen Sinne an die Haken gehängt – an die der kleineren Hakenharfe nämlich. Ein „erschwingliches Ding“, meint sie. Schließlich sei das Instrument, an dem die Halbtonschritte manuell eingestellt werden müssen, bereits ab 2000 Euro zu kriegen.

Vor sechs Jahren habe sie beschlossen, diese Harfenvariante zu effiziieren, erzählt Bernadette Kerscher, „weil ich eine gute Bastlerin bin.“ Was daraus geworden ist, nennt sich nun „Lutherie de la harpe“: eine eigene Werkstatt für Hakenharfen.

Wolfgang Kerscher geht die Treppen hoch. Dort oben, im „Harfengarten“, sind die Früchte dieser Eigenproduktion zu bestaunen. Sie heißen Saphir, Karneol, Beryll, Azurit, Turmalin oder Perle und sind aus Bubinga, Kirsche, Olive, Ahorn, Mahagoni, Nuss oder Apfelbaum gemacht. Letzterer übrigens indisch.

Keine Kompromisse

Beim Herstellen ihrer Instrumente macht Bernadette Kerscher – bislang einzige Frau im Harfenbaubusiness - nämlich keine Kompromisse. Das Holz wählt sie mit Bedacht. Denn die Maserung muss zu ihren Vorstellungen passen. Und die sind vielfältig. Das heißt: „Von der Stange gibt`s hier nix“. Stattdessen individualisiert Kerscher ihre „Babys“ mit perlmuttschimmernden Einlegearbeiten oder aufgeprägten Ornamenten. Tierisches und Pflanzliches tummelt sich da auf Säule oder Korpus. Ganz nach Wunsch und Geschmack. Die Schablonen dazu entwirft Bernadette Kerscher von Hand.

Wie lange ihr „toller Haufen“ - sprich sie und ihre drei Mitarbeiter - für den Bau einer Hakenharfe brauchen, mag die Chefin nicht beziffern. „Sonst denken die Leute, sie können sich´s nicht leisten“. Dabei sei ihr das Kriterium „bezahlbar“ ganz wichtig.

Denn Bernadette Kerscher will die Harfe aus der Elite-Nische herausholen. „Bei uns in Frankreich war das ein stinknormales Instrument“. Eines, das jeder spielen konnte, wenn er nur wollte.

Mit einer ähnlichen Mission sei sie auch hierzulande angetreten. Und ein bisschen habe sie die angestrebte Breitenwirkung wohl schon befördert: „Das Niveau ist enorm gestiegen. Heute spielen 15-jährige Mädels das, was ich am Konservatorium gespielt habe“.

Damit’s so bleibt, purzeln Ideen durch Bernadette Kerschers Kopf. Vor einiger Zeit hat sie sich ein „rollendes Hakensystem“ patentieren lassen – erfunden zwecks Saitenschonung. Ihre modularen Sockel gibt es schon länger und gerade hat sie die höhenverstellbare Variante einer Reiseharfe auf den Markt geworfen.

„Ich zeige den Leuten, was möglich ist“, lautet die Erklärung zur Umtriebigkeit. Und dabei sind ihre Unterrichts-, Kompositions- sowie Autorentätigkeiten noch gar nicht berücksichtigt.

Soviel zu tun... - „Ist doch gut “, untermauert Wolfgang Kerscher, den der Virus seiner Frau längst befallen hat: „Das sind so schöne Instrumente. Mit überschaubarem Aufwand lässt sich ein bezaubernder Klang erzielen“. Und während er die eben proklamierte Lobbyarbeit in Form eines beglückenden Glissandos praktiziert, hat Bernadette Kerscher schon die Jacke übergestreift. Sie zeigt entschuldigend auf die Uhr: „Wir machen weiter...“

Nähere Auskünfte bei Glissando, Telefon (09172) 66 92 11

Keine Kommentare