Pfaffenhofen: Diskussion über Unterkunft für Asylbewerber

17.9.2014, 17:40 Uhr
Pfaffenhofen: Diskussion über Unterkunft für Asylbewerber

© Foto: Archiv/car

Das große Nebenzimmer im örtlichen Gasthof war gerammelt voll. Viele Bürger mussten den Abend stehend verfolgen. Trotz großer Vorbehalte verlief die Veranstaltung sachlich und ruhig.

Seitens der Stadt Roth gaben Auskünfte Bürgermeister Ralph Edelhäußer und Stadtbaumeisterin Lydia Kartmann, seitens des Landratsamtes Ottilie Tubel-Wesemeyer (Sachgebietsleiterin Senioren und Soziales) und Jörg Pfaffenritter (Abteilungsleiter Umwelt und Bau), von der Regierung von Mittelfranken Regierungsdirektor Robert Busse als Sachgebietsleiter für die Unterbringung der Asylbewerber in Mittelfranken, Annett Schimmelschmidt als Ansprechpartnerin in Sachen Flüchtlinge für den Landkreis Roth und Thomas Vogtherr, Chefaquisiteur für Gemeinschaftsunterkünfte sowie Klaus Hagius von der HL Wohnbau GmbH als einer von zwei Eigentümern der Immobilie, um die es an diesem Abend ging.

Die Ausgangslage: Weltweit sind über 45 Millionen Menschen auf der Flucht — vor Krieg, Bürgerkrieg und ethnischer Vertreibung, vor politischer, religiöser, geschlechtsspezifischer Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung, Umweltkatastrophen und Hungersnöten. Viele dieser Flüchtlinge kommen nach Europa, vor allem nach Deutschland, und beantragen Asyl. Völlig überlastet sind derzeit die bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen in Zirndorf und München. In Zirndorf mit Dependancen leben aktuell 3000 Flüchtlinge. Ausgelegt ist Zirndorf für 500 Personen, faktisch befinden sich dort rund 1200 Asylbewerber. Händeringend sucht derzeit die Regierung von Mittelfranken geeigneten Wohnraum für Gemeinschaftsunterkünfte.

Die Frage der Unterbringung: Asylbewerber sind verpflichtet, zunächst für die Dauer von bis zu drei Monaten in einer Aufnahmeeinrichtung zu verbringen, um für die ersten Verfahrensschritte nach dem Asylverfahrensgesetz jederzeit erreichbar zu sein. Asylbewerber, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, werden vom Landesbeauftragten in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf auf die Regierungsbezirke verteilt. Die Regierung von Mittelfranken ist so gesetzlich verpflichtet, Asylbewerber unterzubringen. Soweit Asylbewerber nicht in staatlichen Unterkünften — hierzu mietet die Regierung auch geeignete Objekte für Gemeinschaftsunterkünfte ab 50 Personen an — untergebracht werden können, erfolgt die Unterbringung durch die Landratsämter beziehungsweise die Städte und Gemeinden (sogenannte dezentrale Unterbringung). Ein Objekt für eine Gemeinschaftsunterkunft, ausgelegt auf 50 Personen, wurde jetzt der Regierung von Mittelfranken in Pfaffenhofen angeboten. Zuständig für die Betreuung ist die Regierung selbst. Bei dezentralen Einrichtungen, also kleineren Wohneinheiten, wie in einem Wohnhaus in der Außeren Nürnberger Straße in Pfaffenhofen, das mit zehn Asylbewerbern belegt ist, übernimmt diese Aufgabe der Landkreis. In diesen Unterkünften leben die Asylbewerber in der Regel, bis über ihren Asylantrag entschieden wird, was durchaus mehrere Jahre dauern kann.

Die Situation im Landkreis und in der Stadt Roth: Der Landkreis erfüllt die von der Regierung ausgegebene Quote deutlich. Roth zieht mittlerweile nach, nachdem vor einigen Monaten Verhandlungen zwischen einem Investor und der Regierung scheiterten und zwischen Landratsamt und Stadtverwaltung deswegen ein Disput entstanden war. Die Stadt, so Bürgermeister Edelhäußer, hätte jedoch nichts mitbekommen, dass eine Einigung nicht zustande kam. Seit einigen Monaten wird das ehemalige Kurzzeitpflegeheim der Diakonie in Roth als Asylbewerber-Gemeinschaftsunterkunft genutzt und eine weitere größere Unterkunft (60 Personen) wird die Villa Kunterbunt 2.0.

Das Gebäude in Pfaffenhofen: Bis 2010 waren in einem früheren Hotel in Pfaffenhofen, das jetzt nach einem Umbau erneut als Asylbewerberunterkunft genutzt werden soll, Flüchtlinge untergebracht. Als die Unterkunft leer stand, hat den Hof dieses Hauses eine Baudienstleistungsfirma angemietet und Baumaterialien dort gelagert. Vor drei Monaten nun hat die HL Wohnbau GmbH Roth das Areal gekauft. Eigentümer sind Klaus Hagius und Igor Liahun. Letzterer hatte auch schon den Mietvertrag mit dem früheren Eigentümer abgeschlossen. Nach dem Kauf war zunächst wieder eine „Beherbergungsstätte“ geplant, deshalb erfolgten auch Arbeiten (genehmigungsfrei) im Inneren des Gebäudes, um „die Substanz zu prüfen“. Diese Arbeiten ruhen, da mittlerweile eine Umnutzung für soziale Zwecke (Asylbewerberunterkunft) beantragt wurde. Hier steht den künftig 50 Bewohnern eine Wohnfläche von 910 Quadratmetern zur Verfügung.

Antrag auf Nutzungsänderung: Der Bauantrag wurde Anfang September im Bauausschuss der Stadt Roth behandelt. Das gemeindliche Einvernehmen wurde mehrheitlich erteilt. Dabei hatte die Stadt im Verfahren lediglich zu entscheiden, ob die Nutzungsänderung im Mischgebiet zulässig ist. Alle anderen Fragen, wie nachbarschaftliche Belange, Brandschutz oder der Stellplatznachweis, muss das Landratsamt prüfen. Die Gespräche mit dem Eigentümer zwecks Anmietung für 50 Personen für zehn Jahre führt die Regierung direkt. Dabei sind gewisse Standards erforderlich. Das Angebot wird derzeit geprüft. Ein Vertragsabschluss ist noch nicht erfolgt. Erst aber muss die Baugenehmigung vorliegen. Nach Auskunft des Landratsamtes wird über den Bauantrag in den nächsten acht Wochen entschieden. Die Bauarbeiten - vom ursprünglichen Gebäude wird laut Eigentümer nur noch der Grundriss übrig bleiben — selbst werden bis zu sechs Monate beanspruchen. Eine mögliche Belegung ist für Frühjahr 2015 in Aussicht gestellt.

Die Ängste der Bevölkerung: Pfaffenhofen hat knapp über 1000 Einwohner. Das betreffende Gebäude befindet sich in der Ortsmitte. Die Bürger halten die künftige Anzahl der Asylbewerber (zusammen mit der dezentralen Unterkunft) für nicht sozialverträglich. Die vielen negativen Erfahrungen mit der früheren Asylbewerberunterkunft in diesem Haus (Lärm, mangelhafte Betreuung durch Regierung, Überbelegung, Konflikte mit der Nachbarschaft) schüren Ängste. Auch Bedenken hinsichtlich einer „Ghettobildung“ werden laut.

Betreuung der Asylbewerber: Um das Haus in Pfaffenhofen wird sich ein von der Regierung fest angestellter Hausmeister kümmern, der auch für die Gemeinschaftsunterkunft am Sieh-Dich-Für-Weg zuständig ist. Um die rund 400 Asylbewerber im Landkreis, darunter ein Drittel Kinder, kümmern sich drei soziale Betreuer. Einen stellt der Landkreis, zwei die Diakonie Roth-Schwabach. Es werden Netzwerke hergestellt und die Helferkreise koordiniert. Diesen gehören im Landkreis aktuell 190 Personen an. Einen solchen Helferkreis gibt es in der Stadt Roth (helferkreis-
asyl.de). Dieser bietet beispielsweise ehrenamtliche Deutschkurse, knüpft Kontakte mit Sportvereinen, kümmert sich um Behördengänge, betreibt ein Asyl-Cafè und steht auch sonst den Asylbewerbern zur Seite. Schulpflichtige Kinder der Flüchtlinge besuchen die Schulen, Erwachsene sollen sich künftig bereits nach drei Monaten eine Arbeit suchen können.

Das sagt die Regierung: Nach dem ausführlichen Austausch von Informationen ging es den Vertretern auf dem Podium vorrangig darum, den Bürgern ihre Ängste zu nehmen. Busse: „Ich kann sie gut verstehen, denn die damalige Unterkunft war nicht ideal und hat am Ende zu den schlechtesten in Mittelfranken gezählt. Heute würden wir so ein Anwesen nicht mehr anmieten.“ Er erklärte, dass eine Dauer von zehn Jahren ebenso Bestandteil des Mietvertrages sein werde wie die Anzahl der Bewohner (50). „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.“

Da händeringend Unterkünfte für die stetig wachsende Anzahl an Asylbewerbern gesucht wird, könne man so ein Angebot wie in Pfaffenhofen nicht ausschlagen. Er sicherte den Bürgern feste Ansprechpartner zu. „Unsere heutigen Gemeinschaftsunterkünfte sind sozialadäquat.“ Bei der Belegung werde darauf geachtet, dass dort sowohl Familien als auch Einzelpersonen unterkommen und somit eine Ghettobildung ausgeschlossen sei. Auch müssten die Vertragspartner seriös, die Unterkünfte modern und die Belegung ausgewogen sein. Als Polemik bezeichnete er Aussagen, angrenzende Grundstücke würden durch diese Gemeinschaftsunterkunft an Wert verlieren. „Wen es trifft, trifft’s halt.“ Auch sei die Betreuung der Asylbewerber besser als noch vor ca. zehn Jahren. „Es gibt mehr hauptamtliche Mitarbeiter, eine bessere Vernetzung und engagierte Helferkreise“. Den Asylbewerbern liege nichts an einem Konflikt mit der Bevölkerung. „Wenn man diesen Personenkreis mit Respekt behandelt, kommt auch Respekt zurück““, sagte Busse.

Der Helferkreis: Edgar Griese vom Helferkreises Asyl in Roth entgegnete jedoch, dass sich nach Bezug der Gemeinschaftsunterkunft am Sieh-
Dich-Für-Weg in Roth die ehrenamtlichen Helfer anfangs allein gefühlt und von der Regierung mehr Hilfe erwartet hätten. „Der einzige Offizielle vor Ort war der Hausmeister.“ Der Helferkreis jedoch hätte auch diese Herausforderung gemeistert. „Jetzt läuft alles viel besser, was auch unsere Arbeit erleichtert.“ Der Kontakt mit den Asylbewerbern sei ebenfalls sehr gut. Griese wünschte sich im Hinblick auf Pfaffenhofen noch mehr freiwillige Mitarbeiter. Dem Kreis gehört ferner der frühere Frauenarzt Dr. Manfred Gruhl an. Sein Appell: „Seien sie mehr neugierig als ängstlich. Keiner der Asylbewerber ist freiwillig hier. Er hat in seiner Heimat vieles durchgemacht und ist schwer traumatisiert. Empfangen wir die neuen Mitbürger mit Freundlichkeit. Das kann auch ein Gewinn für unser Leben sein.“ Und Stadtrat Martin Burmann (Pfaffenhofen) will diese Haltung auch im Kirchenvorstand einbringen. „Wenn die Einheit funktioniert, dann gibt es die wenigsten Probleme.“ Wir packen das schon“, zeigten sich einige Bürger am Ende überzeugt.

Kritik: „Für einen Eklat sorgte lediglich Robert Gattenlöhner, Be-
zirksrat der Partei „Die Franken“. Ihn störte die Art und Weise, wie bisher die Thematik Asylbewerber in Pfaffenhofen seitens der Regierung angelaufen sei. Beispielsweise die Sache mit dem Bauantrag. „Ich traue Ihren Worten nicht“, sagte er in Richtung Busse. Kritik der Bürger zielte auch auf die Staatsregierung, so sei die prekäre Situation in Zirndorf seit Jahren bekannt. „Getan hat sich nichts.“

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