Powerfrauen bei den Bluestagen

2.4.2017, 17:47 Uhr
Powerfrauen bei den Bluestagen

© Hans von Draminski

Die Gene sind die gleichen, doch das Genre differiert ein wenig: Die Musik wurde Ami Warning, der Tochter des in München lebenden Reggae- und Latinexperten Ewald "Wally" Warning, gleichsam in die Wiege gelegt. Aber obwohl sie gerne mit karibischen Melodien und jamaikanischen Rhythmen flirtet, ist die 21-Jährige dennoch eine in der Wolle gefärbte Sängerin und Songschreiberin, die Songs mit Inhalten mit schlichten Mitteln zu zelebrieren versteht. Viel mehr als ihre whiskyraue Stimme und ihre Gitarre braucht diese charismatische junge Frau nicht, um bei ihrem Publikum für wohlige Schauer zu sorgen.

Dass sie auf ihrem aktuellen Album thematisch dickere Bretter bohrt, dass sich bisweilen eine gewisse Bitterkeit in vordergründig fröhlich wirkende Stücke schleicht, ist Programm: Ami bekennt mit sarkastischem Unterton, dass sie nicht mehr an die Märchen glaubt, die ihr von Menschen erzählt werden, die sie einst liebte. "Liebe ist nur ein Spiel, das wir spielen – und ich sitze hier, höre die Songs, denen wir gemeinsam lauschten und weine."

Harter Stoff mit leichter Hand

Harter Stoff, der dennoch mit leichter Hand arrangiert daher kommt, dem Ami Warning ironisches Augenzwinkern, resigniertes Achselzucken und lakonische Distanz mitgibt. Nur nicht in Trauer zerfließen, sondern aufstehen und sich wehren, nach dem Glück suchen, Stärke zeigen. Der Funke springt über, die Attitüde wird von vielen im Saal geteilt, weil sie ohne erhobenen Zeigefinger und ohne Schuldzuweisungen auskommt und sich in eingängige, aber nie langweilige Pop-Gewänder kleidet.

Ami Warning erzählt vom "Dschungel in meinem Leben", der hohen Wiedererkennungswert hat, weil er ein Gefühlsdickicht ist, wie es wohl jeder Mensch mehr oder weniger bewusst mit sich herumträgt. Den Weg hinaus findet man am besten tanzend – keine schlechte Idee.

Powerfrauen bei den Bluestagen

© Hans von Draminski

Ruby Turner hat für sich ein anderes Rezept gefunden. Die britische R&B-Diva ist dabei, sich zur Gospelqueen zu wandeln, in der Kufa erzählt sie vom nicht immer einfachen Weg zu Gott, der für sie auch ein Weg zum eigenen Ich war. Naheliegend, dass Ruby Turner sich des Gospel-Idioms bedient, um das auszudrücken, was sie bewegt. Und ebenso logisch, dass der vertonte Glaube bei ihr einen sehr deutlichen Soul-Akzent hat.

Geschichten mit Seele

Seele haben auch die Geschichten, die Ruby Turner zwischen ihren Songs erzählt. Vier Tage sei sie mit ihrer Band auf Achse gewesen, da täten der Enthusiasmus und die Sympathie gut, mit denen sie in Roth begrüßt worden sei.

"Ich war lange nicht in Deutschland – lasst uns einen schönen Abend haben", fordert Ruby Turner ihre Fans auf – und die folgen dieser unwiderstehlichen Bitte bereitwillig. Das fällt auch nicht schwer, denn die Sängerin mit dem samtigen Alt ist nach wie vor eine begnadete Entertainerin, die ganz genau weiß, wie man auch ein heterogenes Publikum nachhaltig für sich einnimmt und die gute Stimmung über 90 Konzertminuten aufrecht erhält.

Das wäre auch ohne Gospel-Garnierung ganz großes Gefühlskino, die geistliche Komponente wendet allerdings manches schon ins Metaphysische, aus knackig arrangierten Gospels werden intensive Hymnen auf jene höhere Macht, die im Leben auch dann Halt gibt, wenn gerade mal wieder alles in Scherben fällt. Tröstlich und beruhigend.

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