Rednitzhembach: Gnädiges Urteil für Stromdieb

28.10.2014, 17:45 Uhr

„Frau Richterin, ich stehe zu allem und geb’ sonst alles zu, wenn ich was angestellt habe“, sagte die Betti zu Beginn der Verhandlung am Amtsgericht. In diesem Fall sei sie sich aber keiner Schuld bewusst gewesen. „Ich dachte halt, dass ich den Allgemeinstrom über meine Nebenkosten mitbezahle“, gab sie sich etwas naiv und erklärte, dass sie im Juli dieses Jahres krank war. Dass sie gefroren habe und die Ölpumpe für die Heizung anschalten wollte. Doch dann habe es immer und immer wieder die Sicherung rausgehauen.

Der Schorsch zeigte sich in dieser Situation als Gentleman, wollte seiner 52-jährigen Nachbarin beistehen – oder gefallen? Und weil die Sicherung partout nicht halten wollte, ging er in den Keller des Hauses und schloss einen Dreifachstecker für die Betti und für sich am Allgemeinstrom an.

Blöd bei der Sache war nur, dass der 62-jährige Hartz-IV-Empänger wegen „Entziehung elektrischen Stromes“ schon einmal drei Monate im Knast in Eichstätt absaß. „Die Betti hat gesagt, dass sie das auf ihre Kappe nimmt“, sagte er. Und auf den Vorhalt von Richterin Dr. Martin, dass er doch hätte wissen müssen, dass das nicht geht, meinte er nach kurzer Überlegung: „Ja, Frau Richter, wenn ich darüber nachdenke, dann ja.“

Auf den Stromklau war der Vermieter des Mehrfamilienhauses in Rednitzhembach deshalb aufmerksam geworden, da der Schorsch „schon seit zwei oder drei Jahren keinen Stromzähler mehr besitzt.“ Weil der 62-Jährige bei der N-Energie Schulden in Höhe von 3800 Euro hatte. „5000 Kilowattstunden soll ich in einer Saison verbraucht haben“, sagte der Schorsch. Das könne aber gar nicht sein.

2900 Euro hat er nach eigenen Angaben mittlerweile abgestottert. Aber an dem Abend, als Deutschland Fußball-Weltmeister wurde, da brannte plötzlich Licht in seiner Wohnung. Der Vermieter hat dann den Stecker mit dem Verlängerungskabel herausgezogen, doch am nächsten Tag die gleiche Situation: Es war wieder Licht.

Herz gezeigt

Als „Vermieter mit Herz“ zeigten sich der 75-Jährige aus Rednitzhembach und seine Frau trotzdem. Die beiden haben gar einen Brief an die Arge geschrieben, damit Schorsch S. wieder einen Stromzähler bekommt. Geantwortet hat ihnen niemand. Gerne wollte Luigi B. seinen Strafantrag zurücknehmen, wenn der Schorsch glaubhaft versichert, dass er nie mehr Strom abzapft. „Bei der Ehre meiner Mutter“ versprach der das dann. So schlug Richterin Andrea Martin vor, das Verfahren gegen Betti T. einzustellen. Beim Schorsch ging das aber angesichts seiner fünf einschlägigen Vorstrafen (Diebstahl, Betrug) nicht so einfach. So beantragte Staatsanwältin Katharina Kronas erneut drei Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Sie gestand zu, dass es „nicht einfach ist, ohne Strom zu leben“ und wertete auch das Geständnis des Angeklagten als strafmildernd.

Das Urteil fiel schließlich milder aus: „Sechs Wochen auf Bewährung“, sagte Dr. Martin. Und sie stellt dem Schorsch drei Jahre einen Bewährungshelfer zur Seite, „damit Sie endlich wieder einen Stromzähler bekommen und in die Spur kommen.“ Es gebe ja auch Münzzähler meinte die Richterin. „Und dann dürfen Sie Ihr weniges Geld halt nicht versaufen. Sie sollten endlich lernen zu haushalten.“

Jetzt, da die dunkle Jahreszeit beginne, solle Schorsch S. nicht im Dunklen sitzen.

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