Reichsbürger-Schüsse: Ermittlungen gegen Polizisten

23.1.2017, 12:21 Uhr

Am 19. Oktober 2016 wollte das SEK ein Haus in Georgensgmünd stürmen, um dem "Reichsbürger" Wolfgang P. seine Waffen auf Anordnung des Landratsamts wegen "Unzuverlässigkeit" wegzunehmen. Der Mann aber schoss auf die Beamten. Vier Polizisten wurden verletzt, ein 32-Jähriger Beamter erlag im Krankenhaus seinen Schussverletzungen.

Später stellte sich heraus, dass zwei Polizisten mit P. über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe in Kontakt standen. Der 49-jährige Oberkommissar und der 50-jährige Hauptkommissar aus Westmittelfranken wurden daraufhin vom Dienst suspendiert.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat nun gegen den 50-jährigen Beamten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Hinter dem sperrigen Juristenbegriff verbirgt sich ein schrecklicher Verdacht: Nämlich, dass der Beamte nicht nur vom Waffenbesitz des Wolfgang P. und dessen Kontakten in die "Reichsbürger"-Szene wusste, sondern auch, wie gefährlich der Mann wirklich war.

Das hätte sich zumindest bei den weiteren Ermittlungen zu den Kontakten zwischen P. und dem 50-Jährigen Polizeibeamten ergeben. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der Mann erkannt hatte, dass es zum Schusswaffengebrauch kommen könnte. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wäre er daher dienstlich verpflichtet gewesen, das an seine Kollegen weiterzugeben. Diese hätten dann entsprechende Maßnahmen ergreifen und den Tod des Beamten so verhindern können. Der Strafrahmen für ein Unterlassungsdelikt kann zwischen sechs Monaten und elf Jahren Haft betragen. Wolfgang P. war auf die Razzia vorbereitet, bei der seine Waffen beschlagnahmt werden sollten. Er erwartete das Spezialeinsatzkommando, das sein Haus durchsuchen sollte, mit geladener Handfeuerwaffe. Ein Teil der gut 30 Schusswaffen, die auf seinen Namen registriert waren, wurden Ende Oktober im Wald zwischen Rednitzhembach und Schwanstetten gefunden.

Gegen den 49-jährigen Oberkommissar wird schon seit November wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen ermittelt. Er soll im Polizeicomputer nachgesehen haben, ob es dort im Zusammenhang mit der Waffenerlaubnis des "Reichsbürgers" Eintragungen gab. Zudem wurden bei dem 49-jährigen Beamten verbotene Gegenstände wie Wurfsterne, ein Wurfmesser sowie eine Schreckschusswaffe ohne Zulassung gefunden.

Der 50 Jahre alte Hauptkommissar, der seinen Dienstsitz in Ansbach hatte, galt zunächst nur als Zeuge. Inzwischen wurde ihm der Tatvorwurf eröffnet. Er hat sich bislang dazu nicht geäußert.

Ob die beiden Beamten auch persönlichen Kontakt mit dem Todesschützen hatten, konnte eine Sprecherin der Behörde nicht sagen. Bereits durch die Chat-Kontakte kamen jedoch "Zweifel an der Verfassungstreue der Polizisten auf", sagte der mittelfränkische Polizeipräsident Johann Rast im November. Es gebe auch zumindest einen "gewissen Anfangsverdacht", dass die beiden Beamten auch "Reichsbürger" sind.

"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht als souveränen Staat an und behaupten, das Deutsche Reich existiere noch. Unter ihnen finden sich Verschwörungstheoretiker, Populisten und Rechtsextreme. Sie leugnen den Staat - und sitzen Rechtsirrtümern auf, wie unser Faktencheck zeigt.