Relikte aus der Kriegszeit: Bunker in Roth wird aufgelöst

12.11.2017, 10:44 Uhr
Relikte aus der Kriegszeit: Bunker in Roth wird aufgelöst

© Archiv-Foto: Kalb

Knapp 1.600 Menschen hätten im Falle eines atomaren Angriffs in den Untergeschossen der Rother Tiefgarage auf rund 3.670 Quadratmetern Schutz finden können. Anschlüsse für Waschbecken und Toiletten sind noch heute an den Wänden hinter den Parkplätze zu erkennen. Zwei Wochen lang hätten die Menschen hier überleben können.

Veränderte Gefahrenlage

Der Schutzraum ist ein Relikt einer längst vergangenen Zeit. 2007 wurde die Zivilschutzbindung mit Verweis auf "veränderte Bedrohungsszenarien" aufgehoben, teilte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn mit. Laut BBK waren die Räume für den Verteidigungsfall am Ende einer stufenweisen Eskalation gedacht und sind heute besonders aufgrund der benötigten, langen Vorlaufzeit nicht mehr für den Schutz der Menschen geeignet.

Heutige Bedrohungsszenarien seien zeitlich unmittelbar wie Naturkatastrophen oder internationaler Terrorismus. Seit 2007 werden also nach und nach öffentliche Schutzräume aufgegeben, aber auch solche, die zur Zeit des Kalten Kriegs mit finanzieller Förderung des Bundes privat ausgebaut wurden.

"Ein Umbau der Tiefgarage in Roth wäre zu teuer. Wir entsorgen jetzt alles, was nicht mit der Anlage verbaut ist", so Roland Hitschfel, Leiter des Ordnungsamts. Die Kosten für Abtransport und Entsorgung trägt der Bund. "Der Rest bleibt, wie die Verriegelungstüren in den Treppenhäusern und die Rohre", so Roland Hitschfel.

Bei der Begehung mit Vertretern der Stadt, dem Landratsamt, den Stadtwerken und der Feuerwehr sollte herausgefunden werden, ob eingelagertes Material noch verwendet werden kann oder ob alles entsorgt wird. "In Nebenräumen der Tiefgarage sind Kleinkram und vielleicht noch Leichensäcke eingelagert", vermutete Roland Hitschfel vor der Begehung.

"Ich bin selbst gespannt, was wir alles finden", sagt Bernhard Lang, der technische Leiter der Stadtwerke, als er die Auffahrt in der Städtlerstraße hinunterläuft. Gleich neben der Auffahrt befindet sich das 40 Zentimeter dicke Verriegelungstor, das aussieht wie die Mauer außen herum auch. Durch einen aufgemalten braunen Streifen auf der gleichen Höhe, fällt gar nicht auf, dass es sich nicht um einen Mauervorsprung, sondern um ein Tor handelt.

In einem Nebenraum stehen Kartons in Regalen, die Durchgangswege sind gerade so breit, dass eine Person entlanggehen kann. In den Kartons kommen Trockentoiletten, silberne Müllbeutelhalter und kleine Kocher zum Wärmen von Nahrung zum Vorschein - auf den Kartons ist in orangefarbenen, großen Lettern "Bundeseigentum" aufgedruckt.

Keine Leichensäcke, aber zahlreiche Mülltüten werden hier ebenso gelagert - mit ihnen hätte man die Trockentoiletten ausgelegt. In weiteren Räumen entdeckt Bernhard Lang Notfallleuchten und Monitore. "Wahrscheinlich sind auch irgendwo noch Kameras, damit man damals einige Bereiche hätte überwachen können", meint Bernhard Lang.

In einem Raum schlägt einem beißender Geruch entgegen. "Was ist das? Vielleicht Ammoniak", vermutet Klaus Weiher vom Landratsamt Roth. "Ja, könnte sein. Hier kam sehr lange keine Luft mehr rein", meint Bernhard Lang. Hier stehen Filter, mit denen eine Kontamination aus der Luft herausgefiltert worden wäre.

Neben einer der braunen Treppenhaustüren wird der Verriegelungsmechanismus erläutert. Durch das Guckloch oben links könnten Personen innerhalb des Schutzraums in das Treppenhaus außerhalb schauen können. Darunter befindet sich ein silberner Zähler mit rotem Knopf, der tatsächlich noch funktioniert – damit wäre wohl gezählt worden, wie viele Menschen sich im Schutzraum befinden, vermutet Bernhard Lang.

Erster Raum in Mittelfranken

Eineinhalb Jahre lang wurde die Tiefgarage ausgebaut, bis sie im April 1983 offiziell eingeweiht wurde. Derdamalige Bürgermeister Friedrich Wambsganz wies in seiner Rede stolz darauf hin, dass damit in Roth der erste derartige Schutzraum in ganz Mittelfranken existiere - wie die RHV berichtete.

Sieben Millionen Mark hatte das Projekt damals verschlungen. Durch die Doppelnutzung erhielt die Stadt Roth aber Zuschüsse. Viele Bürgerinnen und Bürger erkundeten die Tiefgarage damals und probierten den Aufzug aus, in dem einige Gäste allerdings mehrere Minuten lang gefangen waren. Bis Anfang Mai war damals das Parken auf den 140 Stellplätzen kostenlos, dann wurden 50 Pfennig pro Stunde erhoben.

Wie es in den 1980er Jahren ausgesehen hätte, wenn der Ernstfall eingetreten wäre, das kann sich heute kaum jemand vorstellen. "Wie wären die 1 600 Leute wohl ausgewählt worden? Bestimmt gab es Pläne", glaubt Roland Hitschfel. Es hätte für den Betrieb des Schutzraums wohl unter anderem Menschen mit technischem und handwerklichem Verständnis gebraucht. "Damals herrschte so eine Geheimniskrämerei, bestimmt wurden die Pläne gut gehütet und später vielleicht irgendwann vernichtet", vermutet er.

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