Retrospektive auf das Werk von Christian Morgenstern

13.10.2014, 18:32 Uhr
Retrospektive auf das Werk von Christian Morgenstern

© Foto: Christoph Raithel

Eröffnet wurde die Lesereihe mit den Galgenliedern, die ursprünglich gar nicht veröffentlicht werden sollten. Vielmehr trug Christian Morgenstern die Lieder in kleinem Kreis, dem „Bund der Galgenbrüder“, bei Ausflügen zum Galgenberg in Werder bei Potsdam vor. Wichtige Utensilien waren dabei in ein Hufeisen und zwischen Metallplatten in Form eines Henkersbeils gebundene Manuskripte.

Man traf sich in Kneipen, zelebrierte auf ironische Weise Rituale, wie das Durchschneiden des „Lebensfadens“, Henken und Köpfen kleiner Puppen und sang, auch zum Klavier, Morgensterns dazu verfasste Texte, eben jene Galgenlieder. Bei Lesungen im Berliner Kabarett Überbrettl waren die Texte jedoch so erfolgreich, dass Morgenstern sie zum Druck freigab. Die Galgenlieder erschienen 1905 in Buchform und begründeten den literarischen Ruhm des Schriftstellers.

Rainer Streng gelang es, die Texte immer im jeweiligen Kontext zu präsentieren und anhand seiner modulierten Stimme die richtige Stimmung zu erzeugen. René Kraus sorgte mit einer Vielzahl an Instrumenten und Geräusche machenden Objekten für die klangliche Untermalung. Die schiere Masse an unterschiedlichen Hilfsmitteln ließ die Besucher staunen. „Ich zähle immer lieber auf, was ich noch gerne haben würde, anstatt das, was ich schon habe“, erklärte er den interessierten Besuchern in der Pause.

Auch die „zoologische Welt“ Christian Morgensterns wurde von Rainer Streng erkundet, das „Nasobêm“ nehme dabei eine ganz besondere Rolle ein. Eigens für das gleichnamige Gedicht ins Leben gerufen, regte es schließlich etliche Folgeschriften an, nicht zuletzt fiktive Einträge in Brockhaus und Meyers Konversations-Lexikon. Anhand des Gedichts über ein Huhn, das in einer Bahnhofshalle auf und ab gehet, wo es eigentlich gar nicht hingehöre, demonstrierten Rainer Streng und René Kraus, wie unterschiedlich ein Gedicht vorgetragen werden könne, dazu schlüpften die beiden in die Rolle eines gleichgültigen Schülers, eines Hungrigen und eines weiteren Schülers, der einfach nicht gelernt hatte.

Für „Fisches Nachtgesang“ war dann auch eine Zuhörerin gefragt, sie musste den beiden Vortragenden den Text halten, damit diese nicht durcheinander kämen. Bei „Fisches Nachtgesang“ wurden dann lediglich die Hände vor den Mund gehalten und auf und zu geklappt, versehen mit einem leisen Ploppen der Lippen.

Beim nächsten Stück war dann das ganze Publikum gefragt und musste zum Stichwort Wolf heulen wie selbiges Tier. Das gelang so gut, dass Rainer Streng meinte, die Zuhörer hätten nie etwas anderes gemacht.

Mit dem Gedicht „Das große Lalula“ zeigten die beiden Rezitatoren zwei ganz unterschiedliche Interpretationen. Da das Gedicht nur aus Worten besteht, die scheinbar zufälligen Silben entwachsen sind, tritt der Inhalt zurück. Rainer Streng interpretierte den Text lieblich romantisch, wohingegen René Kraus diesen als harte Kampfansage verstand. Beiden gelang es auf wunderbare Weise, das Publikum in die Welt Christian Morgensterns zu entführen, eine bunte, manchmal verwirrende, aber immer wieder für ein Schmunzeln gute Welt.

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