Rockiger Grenzgang mit Vdelli und Hundred Seventy Split

30.3.2015, 15:15 Uhr
Der Australier Vdelli gab in der KuFa alles - für manche Blueser vielleicht sogar etwas zuviel.

© Hans von Draminski Der Australier Vdelli gab in der KuFa alles - für manche Blueser vielleicht sogar etwas zuviel.

Gemeinsam haben die Protagonisten dieses Abends eigentlich nur, dass beide Formationen in puristischer Triobesetzung antreten. Sänger und Gitarrist Michael Vdelli, Schlagzeuger Ric Whittle und Bassist Leigh Miller sind in Australien inzwischen so etwas wie eine Bluesrock-Institution: Gralshüter mit Weitblick, Traditionswahrer, die vor neuen Ideen und einem erweiterten Bluesbegriff nicht zurückschrecken.

Live hat die Musik von „Vdelli“ noch einmal eine andere Qualität, eine künstlerische Dimension, die nicht zuletzt von der Virtuosität der Bandmitglieder lebt. Michael Vdelli spielt fraglos in der Clapton-Liga Gitarre und ist eine jener Rockstimmen, an die man sich noch nach Jahren erinnert — prägnant, zwingend, mit einem angerauten Timbre, das im Ohr bleibt und den knackigen Songs des Dreigespanns etwas Unverwechselbares mitgibt.

Die Grundlinie lässt sich zwar ganz klar unter der Prämisse „hart aber herzlich“ zusammenfassen, aber das hindert Michael Vdelli und Co. nicht daran, stilistisch ganz große Bögen zu schlagen, spannende Verbindungen verschiedener Genres zu suchen, einen rockigen Nenner zu finden, unter dem sich dichter Slowblues mit harten Gitarrenriffs ebenso subsummieren lässt, wie treibende, schnelle, rhythmisch sehr pointierte Abgeh-Nummern, die vor allem auf die zweifellos vorhandene Tanzwut der Bluestage-Gäste schielen.

Vehementes Headbanging

Was freilich nicht allen gefällt. Als in der zweiten Konzerthälfte der Hardrock die Oberhand gewinnt, manches sogar entfernt an die Bulldozer-Songs der Schwermetall-Fraktion erinnert — wozu Michael Vdellis vehementes Headbanging bei seinen wieselflinken Gitarrensoli passt — , schlägt dies manche Blues-Puristen in die Flucht. 110 Prozent von allem sind für manche Musikfreunde eben bereits des Guten viel zuviel.

Haare werden bei „Hundred Seventy Split“ in der Regel keine geschüttelt, obwohl Bandsenior Leo Lyons davon im Gegensatz zu seinen Mitspielern Joe Gooch und Damon Sawyer noch genügend auf dem Kopf hätte.

Aber die wilden Zuckungen der Heavy-Metal-Protagonisten passen sowieso nicht zu dem einstigen „Ten Years After“-Bassisten Lyons, der „Hundred Seventy Split“ mit dem Gitarrenzauberer Gooch einst als Liebhaberprojekt gründete, um „die Songs zu spielen, für die bei TYA kein Raum ist“ und der 2014 wie Gooch seine Stammband verließ, um mehr Zeit für sein „Hobby“ zu haben. Ein seriöser, in Würde gealterter Rock-Doyen, dessen so rasante wie flüssige Bassläufe bei den meisten „Hundred Seventy Split“-Nummern der Motor sind, der den musikalischen Expresszug in Höchstgeschwindigkeit vorantreibt.

In manchen Konzerten steht bei diesem Herrendreier eigenes Material im Vordergrund. Für die Bluestage wurde dagegen eine Setliste mit relativ vielen „Ten Years After“-Nummern zusammengestellt. Und das ist ein Teil des Problems, das der Schreiber dieser Zeilen inzwischen mit „Hundred Seventy Split“ hat. War das Projekt doch einst dafür gedacht, ganz bewusst über den „TYA“-Tellerrand zu schauen und der ziemlich hemmungslosen Nostalgie-Masche der legendären Siebziger-Jahre-Band frische Ideen entgegen zu setzen.

Nun, so scheint es, sind Lyons, Gooch und Sawyer in genau jenes musikalische Fahrwasser eingeschwenkt, um das sie vor gar nicht langer Zeit noch einen großen Bogen zu schlagen versuchten. Die Stücke aus der „Ten Years After“-Ära werden (zu) nahe am Originalsound über die Rampe gebracht. Außerdem gefällt sich vor allem Joe Gooch darin, seine fraglos souveräne Spieltechnik in Soloeinlagen epischer Länge zu demonstrieren. Das wirkt nicht nur dank angestaubter Effekte aus der psychedelischen Phase der Ursprungsgruppe ziemlich aus der Zeit gefallen.

Joe Gooch hat es zudem nicht leicht, den Funken überspringen zu lassen. Dieser hoch talentierte, in vielen Stilen versierte Gitarrenheld passt leider viel zu gut in die Schublade „gefragter Session- und Studiomusiker“: Fehlerfrei seine Läufe, punktgenau sein poptenoraler Gesang. Was auf der Strecke bleibt, sind gefühle, Ecken, Kanten, eigenes Profil. Stattdessen herrscht professionelle Glätte, eine blank polierte Oberfläche muss emotionale Tiefe ersetzen. Ein harter Kontrast zu dem immer noch aus dem Herzen kommenden Spiel von Leo Lyons.

So ersetzt am Ende solistische Selbstbespiegelung inhaltlichen Anspruch. Enttäuschend angesichts des Maßstabs, den „Hundred Seventy Split“ einst selbst setzte.

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