Rote Haare und ein Saitenzauberer: Pristine in Roth

1.4.2017, 11:00 Uhr
Rote Haare und ein Saitenzauberer: Pristine in Roth

© Foto: Hans von Draminski

Aus Skandinavien kommen in den letzten Jahren verstärkt Formationen mit Schrittmacher-Qualitäten, die bestens geeignet sind, dem Blues neue Impulse zu geben. Und "Pristine" gehört fraglos in diese Welle, die kein Blues-Revival sein will, sondern mit Erfolg nach neuen Ideen und neuen Konzepten sucht.

Der quirligen knallrothaarigen Heidi Solheim kommt bei "Pristine" Schlüsselfunktion zu, denn die Powerfrau mit dem treuherzigen Augenaufschlag zeichnet für Musik und Texte verantwortlich. Dennoch ist "Pristine" kein Tribut-Projekt, sondern eher ein gut funktionierendes Miniaturorchester, das neben Solheim mit dem virtuosen Gitarristen Espen Elverum Jakobsen eine zweite dominante Solistenpersönlichkeit hat.

Irrwitzige Soli

Jakobsen ist für "Pristine" Stärke und Schwäche zugleich: Ein vergleichsweise souveräner Saitenzauberer, der die irrwitzigsten Soli ohne das geringste Zeichen von Anstrengung bewältigt – der durchwegs grimmige Gesichtsausdruck ist bei Jacobsen eher Teil des Personalstils als verlässlicher Spiegel der Gemütslage. Jacobsens Alleingänge wirken spektakulär, sind es auch, drängen aber den Rest der Truppe live über (zu) lange Strecken in die Statistenrolle, machen sie zur Kontrastfolie für künstlerische Egomanie.

Dabei geht es an diesem Konzertabend ganz ohne Frage um Inhalte jenseits musikalischer Fassaden. Die Messlatte hoch gelegt hat schon Karin Rabhansl. Die niederbayerische Sängerin und Songschreiberin erledigt mit ihren musikalischen Begleitern ihren Anheizerjob für "Pristine" locker, charmant und sehr entspannt. Wenn Rabhansl nicht gerade Klassiker wie Tom Pettys "Free Falling" covert, serviert sie eigene Songs, über die es sich auf jeden Fall nachzudenken lohnt.

"Pristine" setzt da naturgemäß noch eins drauf. Heidi Solheim singt mit kraftvollem Pop-Alt mit nie überhörbarer Bluesgrundierung von der Kälte der Großstadt, von Existenzen am Rande des Erträglichen, von Liebe, die weh tut und Beziehungen, die schon vor dem ersten Kuss zum Scheitern verurteilt sind.

Das sind Blues-Themen, wenn "Pristine" sich auch nicht immer des Blues-Idioms bedient, um diese dicken Bretter adäquat zu bohren. Heidi Solheim und Co. können auch bombastischen Stadionrock, gönnen sich mit frechen "Led Zeppelin"-Ausflüge in die Rockgeschichte und werden zwischendurch faszinierend besinnlich und leise, beispielsweise in der Gänsehaut machenden Monster-Ballade "All I Want Is You".

Blues mit Rock-Einschlag

Und wenn es dann doch einmal Blues sein darf, dann scheint der harte, kompromisslose White Blues von den britischen Inseln durch, dann erinnert man sich an Blues-Legenden wie Gary Moore, bei denen Acid und Hard Rock auch nie weit weg waren, wenn sie den Blues zelebrierten, ihn auf eine andere, höhere Ebene hoben.

"Pristine" auf solche satte Düsternis zu reduzieren, wäre aber auch ein Fehler: Wenn Heidi Solheim über die Bühne tobt, ihre Haare fliegen lässt und sich förmlich im Mikrofon verbeißt, dann ist das Party pur. Und alle im Kufa-Saal feiern mit.

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