Roth: Schläger muss ins Gefängnis

14.3.2014, 00:00 Uhr

Es ist die Chronik eines verkorksten Lebens, die Amtsrichterin Dr. Andrea Martin nach der Beweisaufnahme in einigen kurzen Sätzen ausbreitet. Sieben Jahre seines Lebens hat der 27-jährige Arbeitslose aus dem Landkreis Roth bislang im Gefängnis verbracht, unter anderem wegen Hehlerei und Diebstahl, Bedrohung und Beleidigung, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und nicht zuletzt wegen mehrerer Fälle von schwerer Körperverletzung.

„Die Rückfallgeschwindigkeit ist nicht mehr zu toppen“, bilanziert Dr. Martin angesichts der Schlägerei, wegen der Oliver W. zusammen mit seinem Bruder auf der Anklagebank saß. Matthias W. wird jedoch freigesprochen, da es ihm nicht nachgewiesen werden kann, sich an der nächtlichen Auseinandersetzung vor einer Discothek aktiv beteiligt zu haben. Angesichts der Zeugenaussagen kommt das Gericht zu der Auffassung, dass er vielmehr schlichtend hatte eingreifen wollen.

Wie genau dieser Streit und die darauffolgende Prügelei in der Halloween-Nacht zum 1.November 2013 ablief, und was überhaupt der Auslöser dafür war, kann — wie so oft in solchen Fällen — nicht restlos aufgeklärt werden. Schon allein deshalb, weil der Großteil der befragten Zeugen, unter anderem der Geschädigte Thomas M., zum Zeitpunkt des Geschehens unter Alkoholeinfluss stand und sich nicht mehr an alles erinnern kann. Doch die „Schnittmengen“ aus den verschiedenen Zeugenaussagen ergeben für die Schwabacher Amtsrichterin und Staatsanwalt Thomas Weide dennoch ein schlüssiges Gesamtbild.

„Trommelwirbel“ auf dem Kopf

Nach einer durchfeierten Nacht in einer Pfaffenhofener Discothek, wo Oliver W. und sein Bruder unter anderem dessen frühere Freundin Judith R. getroffen hatten, verließen sie gegen 5 Uhr mit einer Gruppe anderer Besucher das Lokal. Mit dabei Thomas M., der sich an die Geschehnisse nur noch bruchstückhaft erinnern kann. „Es war ein lustiger Abend, aber dann wollte ich nur noch in die Falle“, erzählt der 38-Jährige, der von einem Bekannten und Judith R. nach Haus gefahren werden sollte. Danach wisse er nur noch, dass er auf dem Boden lag, das Blut an seinem Gesicht herunterlaufen spürte und einen „Trommelwirbel“ auf seinem Kopf registrierte.

Für den „Trommelwirbel“ war Oliver W. verantwortlich, der laut der Zeugenaussagen seinem Kontrahenten mehrerer Faustschläge versetzt hatte, und als dieser zu Boden ging, dessen Kopf weiter mit den Fäusten bearbeitete. Eine Platzwunde auf der Stirn, die im Krankenhaus genäht werden musste, Blutergüsse und ein komplett zugeschwollenes Auge waren die Folgen. Thomas M. musste Schmerzmittel nehmen und war eine Woche lang arbeitsunfähig.

Laut seinem Bekannten, der dazwischen gehen wollte, aber von Matthias W. zurückgedrängt wurde, wollte sich der Geschädigte nur zur Wehr setzen. „Oliver hat wie eine Maschine auf ihn eingeschlagen“, hatte der Zeuge bei der Polizei zu Protokoll gegeben, was Judith R. vor Gericht bestätigt. „Das war krankhaft, da kam Faustschlag um Faustschlag“, erzählt sie, doch der Anwalt von Oliver W. äußert Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen.

Unter anderem stellt er einen Beweisantrag bezüglich des Geschädigten. Angeblich sei auch Thomas M. schon wegen Körperverletzung aktenkundig geworden, doch Dr. Andrea Martin weist den Antrag zurück, weil er für die Beweisaufnahme dieses Falls überhaupt nicht relevant sei. Ebensowenig die Behauptung des Hauptangeklagten, Judith R. habe in jener Nacht Drogen bei sich gehabt.

Und als der Verteidiger die von den Zeugen angegebene Zahl der Faustschläge nicht mit den Verletzungen von Thomas M. in Übereinstimmung bringen kann und deshalb in einem weiteren Beweisantrag den behandelnden Arzt als Zeugen laden will, platzt dem Staatsanwalt der Kragen. Er solle sich überlegen, ob er mit diesem Kasperletheater seinem Mandanten wirklich einen Gefallen tue, gibt Thomas Weide zu bedenken, bevor die Richterin auch diesen Antrag abschmettert.

Ungünstige Sozialprognose

Ob nun jeder Faustschlag von Oliver W. ein „Treffer“ war oder nicht, auch das spielt bei der Schuldfrage keine Rolle. Zu Gunsten des Angeklagten kann Dr. Martin nur seine Alkoholisierung (1,2 Promille hatte ein Test auf der Polizeiinspektion Roth kurz nach dem Vorfall ergeben) werten. Eine günstige Sozialprognose für den mehrfach vorbestraften 27-Jährigen sei angesichts seiner Vorgeschichte beim besten Willen nicht drin, und so beantragt der Staatsanwalt ein Jahr und neun Monate Haft.

Ein Jahr und vier Monate lautet schließlich das Urteil, und Dr. Martin warnt Oliver W. eindringlich davor, noch einmal wegen eines Gewaltdelikts auf der Anklagebank zu landen. Dann müsste die Justiz allmählich die Möglichkeiten Psychiatrie oder Sicherungsverwahrung in Betracht ziehen.

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