Rother Brückenfest lockte unter die Autobahn

11.8.2018, 06:00 Uhr
Rother Brückenfest lockte unter die Autobahn

© Foto: privat, Friedrich Höning

In einer Urkunde des Klosters Rupertsberg bei Bingen aus dem Jahre 1187 ist der Name des Ortes erstmals erwähnt. Die heutige Gemeinde Roth trägt die Postleitzahl 55442 und gehört seit der kommunalen Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz im Jahre 1969 zur Verbandsgemeinde Stromberg im Landkreis Bad Kreuznach. Mit seiner kleinen, lediglich 84 Hektar umfassenden Gemarkung liegt Roth an der Grenze des Regierungsbezirks Koblenz zum Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz.

Wer nach Roth fahren und einen der rund 300 Einwohner besuchen will, kann dazu die Landstraße 214 von Stromberg nach Bingen am Rhein oder die Autobahn 61 benutzen, die auf ihrem Weg von Alzey nach Koblenz in einer sanften S-Kurve direkt an Roth vorbeiführt.

Straußwirtschaft als Treffpunkt

Die Einkaufsmöglichkeiten für die Dorfbewohner bezeichnet der Bürgermeister als hervorragend: Über einen rund 900 Meter langen Fußweg (und natürlich auch mit dem Auto) ist ein großes Einkaufszentrum im benachbarten Stromberg zu erreichen, das alles bietet, was man zum täglichen Leben so braucht.

Das letzte örtliche "Gasthaus zur Alten Linde" schloss seine Pforten im Jahr 1991 — wahrscheinlich für immer. Allerdings eröffnete vor 15 Jahren eine so genannte Straußwirtschaft im Dorf — das rheinland-pfälzische Pendant zur fränkischen Heckenwirtschaft. Die neue Straußwirtschaft bietet der Rother Bevölkerung kleine Brotzeiten, kühle Getränke — und wieder einen Treffpunkt. Sie ist nicht das ganze Jahr geöffnet, sondern nur für etwa sechs bis sieben Monate.

In den Jahren 2009 bis 2010 sanierte die Gemeinde das alte "Backes", das Gemeindehaus in der Dorfmitte mit eingebautem Holzbackofen. Im Obergeschoss des schiefergedeckten Gebäudes wurde ein Bürgermeisterzimmer und ein Raum für Veranstaltungen und Tagungen eingerichtet.

Die Dorfschule musste im Juli 1967 schließen. Die Rother Kinder werden seitdem in Stromberg eingeschult. Für Höning kein Grund zur Trauer: "Unsere Kinder können zu Fuß zur Schule laufen." Und an Kindern und Jugendlichen mangelt es in Roth in keiner Weise: "Wir haben eine breite Basis von jungen Leuten hier. Von unseren rund 300 Einwohnern sind 51 jünger als 15 Jahre. Deswegen steht die Rother Alterspyramide nicht auf dem Kopf — im Gegensatz zu anderswo."

Der in früheren Jahrhunderten bedeutende Obstanbau spielt heute keine besondere Rolle mehr für die dörfliche Wirtschaft: Der frühere Obstbaumbestand ist in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zum größten Teil der Säge zum Opfer gefallen. Ein kleines Gewerbegebiet bietet heute rund 100 Arbeitsplätze vor Ort.

Kirmes im September

Rother Brückenfest lockte unter die Autobahn

Der Männergesangverein "Sangeslust" besteht seit 1895. Nachdem die Autobahn 61 in Form einer Brücke einen guten Regenschutz bietet, entwickelte sich aus dem traditionellen Waldfest des Gesangvereins später das beliebte Brückenfest. Dazu wurden die Bögen des Brücken-Viadukts, über das die Autobahn führt, mit Planen verhängt, so dass unter der Brücke genug Platz für einen Grill und Bänke für 300 Gäste entstand. Die genossen immer am Festsonntag eine besondere Bohnen-Erbsen-Suppe aus einem großen Kessel, die nach Auskunft von Helmut Höning, der auch dem Gesangverein vorsitzt, weit über die Grenzen der Gemeinde hinaus geschätzt wurde und Besucher aus nah und fern anlockte. Aus Mangel an aktiven Helfern sei das Brückenfest allerdings vor rund zehn Jahren wieder eingestellt worden.

Ganz ohne Festivitäten müssen die Rother zum Glück aber nicht auskommen: Immer am ersten Sonntag im September wird die Rother Kirmes gefeiert. Der Backofen im Gemeindehaus wird zwei bis drei Mal im Jahr auf Initiative eines "Freundschaftskreises zum Brotbacken" angeschürt. "Dann kann sich jeder im Dorf ein Brot bestellen, das auf althergebrachte Weise gebacken wird", erklärt der Bürgermeister. In Roth bei Stromberg lässt es sich also offenbar ganz gut aushalten, auch wenn es — genau wie in Roth in Mittelfranken — kein Hallenbad im Ort gibt.

 

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