Rother Prinzenpaar: Gehörlos mit lauter Botschaft

3.12.2017, 08:00 Uhr
Rother Prinzenpaar: Gehörlos mit lauter Botschaft

© Petra Bittner

Nicky I. und Andy I. sind demnach das erste Faschingsprinzenpaar mit Handicap. "Das ist weltweit einmalig", jubelt Präsident Christian Bretzner vom Rother Carneval Verein (RCV). Angetrieben wird der Spaß allerdings von ernster Entschlossenheit: Ein Zeichen wolle er setzen, betont Frisch, und eine Botschaft verbreiten: "Behinderte sind nicht beschränkt!"

Wer ein Handicap hat, ist Kummer offenbar gewöhnt. Der Neu-Pfaffenhöfer Andreas Frisch erinnert sich nur ungern an die seelischen Verletzungen der Vergangenheit, seine Altlasten. Schließlich hat er‘s ja geschafft: Raus aus der Nische des Sonderlings, rein ins bürgerliche Leben. Gesichertes Einkommen, schnuckeliges Einfamilienhäuschen, sympathische Ehefrau, drei reizende, kerngesunde Töchter — "mein Ein-und-Alles".

Protest gegen Vorurteile

Eigentlich könnte er sich zurücklehnen, zufrieden sein. Aber Andreas Frisch hat ein Ziel. Er will Vorurteile entkräften und auf diesem Weg Entgegenkommen erwirken. Denn Behinderte seien noch immer nicht richtig akzeptiert in dieser Gesellschaft. "Oft wird Behinderung mit Dummheit gleichgesetzt", weiß er nur zu gut. Drum befürwortet und unterstützt er all die Proteste für mehr gleiche Rechte — in inklusiven Zeiten wie diesen.

Doch Inklusion, meint Andreas Frisch, funktioniere nur, "wenn die Barrieren in den Köpfen verschwinden". Und dafür setzt er sich ein. Immer, überall. Bis Aschermittwoch 2018 sogar als 39. Faschingsprinz von Roth.

Gebärdensprache ist Muttersprache

Geboren mit beidseits geschädigtem Trommelfell, verhalfen vier Operationen im Kleinstkindalter dem heute 37-Jährigen wieder zu 70 Prozent Hörvermögen. Ein Potenzial, das sich mit leistungsstarken Hörgeräten gut ausschöpfen lasse. In der Hörbehindertenschule lernte der Nürnberger, dem man sein Handicap inzwischen kaum anmerkt, dennoch die Gebärdensprache. Heute ist sie für die Konversation mit Ehefrau Nicky unabdingbar.

Denn die aus Zwickau stammende Nicole Frisch ist gehörlos, von Geburt an. Im Kreis der Familie jedoch kein Problem. Alle können sich gebärdenreich miteinander verständigen. Alina (12) und Nina (10), beide besuchen das Rother Gymnasium, sowie Nesthäkchen Vanessa (7) finden´s "ganz normal". Genau genommen erkläre sich dieses Können von selbst: "Ist doch unsere Muttersprache."

"Saal wird brummen"

Die kommt an diesem Abend rege zum Einsatz. Nicole Frisch will von ihrem Mann und den Kindern natürlich ganz genau wissen, was es da mit RCV-Präsident Christian Bretzner zu bereden gibt. Immerhin gehe es ja maßgeblich auch um sie – um die demnächst knapp 20 zu bewältigenden Auftritte an der Seite von Ehemann Andreas und ihre majestätische Premiere am 13. Januar in der Rother Kulturfabrik. Dann will Bretzner dem Monarchenpaar Nicky I. und Andy I. nämlich die Faschingsregentschaft in der Kreisstadt übertragen. Höchstoffiziell.

Was Prinz Andy jetzt schon weiß: "Der Saal wird brummen". Denn "der Zusammenhalt unter den Gehörlosen ist extrem". Im Klartext: Gut ein Drittel der 350 Saalgäste werde hörbehindert sein – davon geht Andreas Frisch fest aus. Und diese Community würde für ordentlich Stimmung sorgen, auch dessen sind die Frischs gewiss. Vor allem, wenn eine Gebärdendolmetscherin jedes Wort der Prinzessin übersetze. Man werde damit in aller Öffentlichkeit sichtbar, werde wahrgenommen, respektiert. Ein kleiner Sieg im Sinne der Gleichstellung.

Wunsch der Tochter erfüllt

Den gönnt Präsident Bretzner seinen beiden "Adeligen" freilich von Herzen. Auch freut sich der RCV-Chef darüber, dass im Verein "Begeisterung von allen Ecken und Enden" käme, was die Frischs anbelangt. Die, so verrät er, hätten sich übrigens selbst als Nachfolger von Melanie I. und David I., dem RCV-Prinzenpaar 2016/17, ins Spiel gebracht. Ganz pragmatisch habe sich´s ergeben: "Weil sie Nachbarn sind", erklärt Bretzner.

Rother Prinzenpaar: Gehörlos mit lauter Botschaft

© Petra Bittner

Melanie und David Eggert hatten die Frisch-Family Anfang November 2016 kurzerhand mit zur Dämmerung in die Kufa geschleppt "und da ist mir von der Bühne aus aufgefallen, dass sie sich mit Gebärden verständigen", erinnert Christian Bretzner. Er habe den Kontakt gesucht und von Andreas Frisch ohne Umschweife zu hören gekriegt: "Wir würden auch mal Prinzenpaar machen" — ein Herzenswunsch seiner Tochter Nina.

Allerdings, gibt Andy Frisch zu, "hätt´ ich nicht damit gerechnet, dass wirklich was passiert". So sei er´s im Alltag gewohnt: "Hörbehinderte gehen einen Schritt vor und zwei zurück".

Die richtige Richtung getroffen

In dieser speziellen Situation hatte das "Vorpreschen" jedoch Konsequenzen: Nicky und Andy erhielten die Zusage des RCV – und Präsident Bretzner wurde "spätestens fünf Minuten danach klar, dass wir damit Aufsehen erregen werden". Der Deutschen Presseagentur (dpa) war das hörbehinderte Pärchen bereits einen Artikel wert.

Was darin allerdings ausgeklammert blieb, ist der kämpferische Ehrgeiz, den Andreas Frisch seinem Amt beimengt: "Wir wollen, dass mit Behinderten umgegangen wird, wie mit anderen Menschen auch." Vor solchem Hintergrund weise die Entscheidung des RCV "genau in die richtige Richtung".

Das Merkel-Symbol

Außerdem sei Andy neben seiner Nicky wild entschlossen, der Bevölkerung zu demonstrieren: "Auch wir schaffen das!". In der Gebärdensprache steht dafür die Merkel-Raute.

Ja, das alles "ist schon was Besonderes", meint Andreas Frisch nachdenklich. Etwas Großes, Wichtiges. Denn vielleicht könne man auf diese Weise auch andere Menschen mit Handicap animieren, etwas zu bewegen.

Selbst die Frisch-Töchter haben jetzt "ein bisschen das Gefühl, besonders zu sein", bekennt das quirlige Trio unisono. "Besonders" im positiven Sinn. Das kennen die Mädels nämlich auch anders...

Worauf sie sich am meisten freuen? "Auf die Kleider!", das verstehe sich. Und welche Kreation ihre Mutter am 13. Januar tragen wird? Damit halten die Mädchen noch kichernd hinterm Berg.

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