Schwester Gerda verlässt nach 39 Jahren Zell

2.7.2015, 06:00 Uhr
Schwester Gerda verlässt nach 39 Jahren Zell

© Viola Bernlocher

Eigentlich war es Fügung, als Gerda Friedel 1976 nach Zell kam, erinnert sich die Ordensschwester heute. Sie hat damals in Eichstätt Sozial- und Religionspädagogik studiert. Nachdem sich eine Stelle für ihr Praxissemester zerschlagen hatte, wurde sie in den folgenden Tagen von drei verschiedenen Bekannten angesprochen, ob sie sich nicht in Zell bewerben wolle. Nach ihrem ersten Besuch war sie gewillt anzufangen, dachte sich aber: „Leicht wird das nicht werden.“ Die Einrichtung hatte damals zehn weltliche Mitarbeiter, 35 Nonnen und rund 160 Bewohner, die alle in großen Schlafsälen untergebracht waren.

Freundinnen gefunden

Zell sollte eigentlich nur eine kurze Station auf ihrem Weg in die Entwicklungshilfe in Südafrika werden. Die Ordensschwestern Doris und Bosco wurden zu Freundinnen für die 20-Jährige. „Man hat uns irgendwann nur noch die Dreifaltigkeit genannt“, erzählt sie. „Die beiden haben mir schnell klar gemacht, dass es auch in Zell Aufbauarbeit zu leisten gibt.“ Und: Wie sehr sie eine junge Sozialpädagogin wie Gerda Friedel brauchten, um die Visionen von einer modernen Einrichtung, die sie sich zu dritt schon erträumt hatten, in die Tat umzusetzen.

Nach dem Studium, 1978, mit 22 Jahren, übernahm sie zuerst die Leitung des Internats, später folgte der ganze Teilbereich „Wohnen“. Dort gab es für Gerda Friedel und ihre Mitstreiterinnen Pionierarbeit zu leisten: In Zell etablierten sie vor 30 Jahren die erste Außenwohngruppe für Menschen mit Behinderung, außerhalb des geschützten Raumes einer Einrichtung. Damit war Regens Wagner in Zell die erste Einrichtung in Bayern - eine Erfolgsgeschichte.

„Seither haben wir fast jedes Jahr eine neue Außenwohngruppe eröffnet“, sagt Schwester Gerda, in zwei Wochen wird das neueste Projekt in der Hilpoltsteiner Kolpingstraße bezogen.

Mit Wagemut und Gottvertrauen

Mit Wagemut und Gottvertrauen sei sie das neue Projekt damals angegangen. Als sie nach Zell gekommen war, um dort zu arbeiten, hatte Gerda Friedel nie an ein Ordensleben gedacht. Der Besuch bei einer Freundin, die einem Konvent als Novizin beigetreten war, änderte ihren Blickwinkel. Die Äbtissin der Freundin schrieb ihr nach einem Besuch einen Brief, in dem sie fragte, ob sie nicht darüber nachdenke, einem Orden beizutreten. „Ich habe lange darüber nachgedacht, wie diese Frau, die mich eigentlich kaum kannte, auf diese Idee kam.“ Nach der täglichen Begegnung mit den bodenständigen Zeller Schwestern und vielen spirituellen Gesprächen reifte auch bei ihr der Entschluss. Mit 25 Jahren trat sie 1981 dem Orden der Dillinger Franziskanerinnen bei. „Es hat mir geholfen, zu sehen, dass auch eine Nonne nicht immer perfekt sein muss.“

Drei Mal nahm sie Anlauf, es ihren Eltern zu sagen. „Meine Mutter war entsetzt. Sie hat mich aus dem Haus geworfen und notariell enterbt.“ Nach drei Monaten hatte sich die Situation beruhigt, ein Gespräch war möglich. Verstanden habe die Mutter den Entschluss aber erst sehr viel später. „Als sie gesehen hat, wie zufrieden ich in Zell war.“

Die drei Gelübde der Franziskanerinnen - Armut, Gehorsam und Enthaltsamkeit -  bestimmten nun ihr Leben: Ein achtsames Leben in der Tradition des heiligen Franziskus und doch der Welt zugewandt. „Ich erlebe in der Gesellschaft das Denken: ,Wenn ich das habe, dann...‘ Ich kann ohne all diese Dinge gut leben“, sagt sie. Auch wenn es Sachen gibt, die sie nur ungern missen möchte, zum Beispiel ihre Kamera.

Normales Studentenleben

In ihrer Studienzeit hat Schwester Gerda ein normales Studentenleben geführt, mit Feiern und einem Freund. „Als ich nach Zell kam, war das für mich aber alles kein Thema mehr.“ Die Menschen dort sind ihr heute Familie, der Ort ist ihr Heimat geworden. Wenn man mit ihr über das Gelände läuft, winken die Bewohner freudig, mit Mitarbeitern wechselt sie stets ein paar Worte. „Ich habe mein Ziel erreicht: Dass sich unsere Bewohner hier wohl fühlen.“ Sie hinterlässt ihrer Nachfolgerin Heike Klier ein wohl bestelltes Haus.

„Gehorsam, das ist der Verzicht auf Selbstbestimmung.“ 1989 wurde Schwester Gerda zur Leiterin der Einrichtung berufen, einen Posten den sie von ihrer Mentorin Schwester Doris übernahm, vor dem sie aber Respekt hatte. Sie nahm die Fügung und die Verantwortung an und trug diese 26 Jahre. Ein neuer Gehorsam führt sie am 1. September als Provinzoberin nach Dillingen. „Ich hatte die Freiheit, den Posten abzulehnen. Aber meine Verantwortung gegenüber den Mitschwestern hat mich die Aufgabe befriedet annehmen lassen.“ Im Herzen nimmt sie schöne Begegnungen und Momente des Glücks mit. Zurück bleiben viele Freunde.

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