Spalt: Die Spur führt den fränkischen Bond nach Bulgarien

5.9.2014, 16:28 Uhr
Spalt: Die Spur führt den fränkischen Bond nach Bulgarien

© Carola Scherbel

Lars Mittank aus Marne in Schleswig-Holstein ist 28 Jahre jung und will mal so richtig Ferien machen, abfeiern. Mit fünf Kumpels fliegt er Ende Juni nach Bulgarien an den „Goldstrand“. Doch der Männerurlaub  endet im Alptraum: Lars Mittank verschwindet spurlos, seit acht Wochen gibt es kein Lebenszeichen von ihm.

Kurz zuvor war er noch in eine Schlägerei mit Fußballfans geraten und bekam einen Schlag aufs Trommelfell. Deshalb kann er auch nicht mit seinen Freunden wieder heim nach Deutschland fliegen, sondern lässt sich in Bulgarien von einem Arzt untersuchen. Nach der Abreise seiner Kumpels wechselt Lars in ein günstigeres Hotel näher am Flughafen. Aber er verlässt es bereits nachts um vier Uhr, ruft seine Mutter in Deutschland an, spricht davon, dass er Angst um sein Leben habe und fährt mit einem Taxi zum Flughafen. Als ihn dort  der Flughafenarzt untersucht und ein uniformierter Wachmann auftaucht, verschwindet Lars, rennt über das Gelände, steigt über einen Zaun — wie Videoaufnahmen noch zeigen — und ist seitdem verschwunden.

Sein Arbeitgeber, ein Energieversorgungsunternehmen, beauftragt Andreas Gütig damit, den vermissten jungen Mann zu finden. Warum den Detektiv in Spalt? „Weil ich ein großes Netzwerk aufgebaut habe, bekannt bin und im Gegensatz zu vielen anderen Detekteien international arbeite“, stellt Gütig sachlich fest.

Also läuft seine seit Jahren bewährte Maschinerie an: Gütig sucht die Puzzleteile zusammen, um sich in die Situation und in Lars hineinzudenken, er befragt Eltern und Freunde, er fliegt nach Varna, er interviewt die Polizei vor Ort, er gibt und bekommt Hinweise — hat aber auch nach acht Wochen noch keine heiße Spur.

Derzeit arbeitet der 48-Jährige für einige Tage daheim in seinem Büro in Spalt und hält von hier aus die Kontakte zu Ermittlern und Kontaktleuten – „mein „Handwerkszeug sind Rechner und Telefon, ich muss nicht in Frankfurt sitzen“ – , aber nächste Woche fliegt er schon wieder nach Bulgarien und geht neuen Hinweisen nach. Währenddessen telefoniert er täglich mit Lars‘ Mutter.

„Die Frau durchleidet jeden Tag alle nur denkbaren Gemütszustände und ist mittlerweile sehr entmutigt“, weiß Gütig. Er selbst aber hofft noch, Lars zu finden. Nicht umsonst ist er guter Hoffnung: Von allen 50 Personen, die er in seiner Laufbahn als Detektiv bisher gesucht hat, konnte er auch alle wiederfinden.

Nicht nur wegen der täglichen Telefonate mit Lars’ Familie, sondern auch ihm als Vater einer 14-jährigen Tochter geht das Verschwinden des jungen, fröhlichen und bisher völlig unauffälligen, freundlichen Lars sehr nahe — und es geht ihm auch zu langsam. So brauchte er  von der Bank des Jungen die Kontodaten, um herauszufinden, ob, wann und wo versucht wird, Geld von seinem Konto abzuheben. „Das hat über eine Woche gedauert“, klagt Gütig. „Aber wenn es um ein Menschenleben geht, drängt halt die Zeit.“

Als das Ergebnis dank seiner eigenen Kontakte dann endlich vorlag, war es ernüchternd: Kein einziges Mal ist die EC-Karte von Lars benutzt worden. Gütigs Erklärung: „Entweder er ist so clever, dass man ihm nicht auf die Spur kommt. Oder es ist ihm etwas zugestoßen, sodass er kein Geld mehr abheben kann.“

Gütig glaubt weiter daran, dass Lars lebt, dass dabei aber mafiöse Organisationen — von Drogen- bis Organhandel — im Spiel sein könnten, will er zumindest nicht ausschließen. Immerhin wisse er von mehreren Fällen, dass gesunde Menschen, die nach Bulgarien  gereist waren, dort plötzlich ausgerastet sind und völlig verwirrt und psychotisch reagiert haben — eventuell infolge von gewaltsam verabreichten Giftcocktails.

Sollte Gütig im Fall von Lars in so ein Wespennest gestochen haben, dann wolle er aber nicht den James Bond spielen. „Dann wende ich mich nicht mehr an die Polizei vor Ort, sondern arbeite mit der von Sofia zusammen.“ Nach seiner Erfahrung, die er in vielen Jahren als Personenschützer und mit der eigenen Detektei gesammelt hat, gilt: Mit der Polizei und den staatlichen Behörden gibt es nur zwei Alternativen: „Kooperation oder Konfrontation.“

In vielen Ländern sei die Polizei zur Kooperation mit Detekteien bereit, denn dabei kann, so Gütig, der eine vom anderen profitieren: „Wir können in einem Grundstück schon mal nachschauen, ob in der Garage auch ein Auto steht“, erklärt er, die Polizei brauche dafür einen Durchsuchungsbeschluss. Die Staatsbeamten kämen dagegen leichter an Überwachungsvideos ran.  

Diese Zusammenarbeit erlebt er auch im Fall von Lars als gut und wichtig und ist froh, dass er von der Polizei auf dem Laufenden gehalten wird. Umgekehrt würde die Kripo ohne seine Hinweise an mehreren Stellen noch im Dunkeln tappen. Aber das will sich Gütig im Moment wirklich nicht ans Revers heften: „Hauptsache ist, dass wir Lars finden — lebend.“

Keine Kommentare