Synagogen, Friedhöfe und Häuser geschändet

9.11.2018, 07:00 Uhr
Synagogen, Friedhöfe und Häuser geschändet

© Foto: Carola Scherbel

Überall in Mittelfranken habe die "Bevölkerung ihrer Erregung endlich Luft gemacht, nachdem sie bis dahin geschwiegen und vorbildliche Disziplin gezeigt hatte." So war es in der Ausgabe der "Rother Volkszeitung" vom 11. November 1938 zu lesen. Man muss wissen, dass mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten die freie und unabhängige Berichterstattung nicht mehr gewährleistet war. In den Lokalzeitungen sahen die Nazis ein Instrument, um den Leser ideologisch zu beeinflussen. So schwelgt das Blatt im damaligen NS-Jargon förmlich von dem "hellhörig gewordenen Volk von Franken", das nun eine "handgreifliche Warnung an das Judentum" gegeben habe.

Im weiteren Verlauf des Artikels wird konkret auf die Geschehnisse in Schwabach eingegangen: "Als bekannt wurde, dass der deutsche Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath den Verletzungen erlegen ist, die ihm der jüdische Mörder Herschel Seibel Grünspan beibrachte, bemächtigte sich in der Schwabacher Bevölkerung eine starke Erregung, die um so verständlicher ist, als der jüdische Hass gegen alles Nichtjüdische gerade am 9. November, dem Gedenktag der Blutopfer in München, ein weiteres Blutopfer gefordert hat."

Weiter heißt es in dem perfiden Artikel: "Schon in den frühesten Morgenstunden des gestrigen Tages bildeten sich in den Straßen Schwabachs Demonstrationszüge, und die begreifliche Erregung der Bevölkerung machte sich in einer drohenden Haltung gegen die noch hiesigen Juden Luft. Aus diesem Grunde sah sich der Vorstand des Bezirksamtes in seiner Eigenschaft als Stadtkommissar veranlasst, die Juden durch die Polizei verhaften zu lassen und in das hiesige Amtsgerichtsgefängnis einzuliefern.

So wurden morgens um 6.30 Uhr die beiden Schwabacher Juden Levite und Graf in ihrer Wohnung verhaftet. Der Jude Krauß meldete sich in der ersten Morgenstunde bei der Polizei ab und reiste nach Ungarn, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

Nicht nur in der Stadt Schwabach, sondern auch in Georgensgmünd und Röthenbach war die Bevölkerung über die Bluttat in Paris aufs Äußerste aufgebracht, so dass der Vorstand des Bezirksamtes dort zu ähnlichen Maßnahmen greifen musste wie in Schwabach.

In Georgensgmünd wurden zwei Juden und in Röthenbach ein Jude verhaftet. Einige Fensterscheiben in den von Juden bewohnten Häusern gingen in Trümmer. Misshandlungen sind keine vorgekommen." Soweit die Nazi-Zeitung im O-Ton. Beim Novemberpogrom lebten noch 14 Juden in Schwabach. Sie wurden teilweise in das städtische Gefängnis gebracht. Alle wurden gezwungen, bald die Stadt zu verlassen und ihren Besitz mit großem Verlust zu verkaufen. Am 8. Dezember 1938 ist Schwabach im Sprachgebrauch der Nazis "judenfrei".

In Thalmässing lebten 1933 noch 33 Juden. Wirtschaftlich gesehen, spielten sie eine große Rolle, da viele Geschäfte hier von Juden betrieben wurden. Viele Bauern und Handwerker aus dem Raum Thalmässing kauften bei den Juden ein und waren abhängig von ihnen, da es viele Dinge nur dort zu kaufen gab.

Die Wende kam kurz nach der Machtübernahme der Nazis. So wurden schon im März 1933 in mehreren jüdischen Geschäften in Thalmässing die Fenster eingeschlagen. Damals machte man jedoch die Kommunisten dafür verantwortlich. Im Juni oder Juli 1933 drangen in Thalmässing Nazis in das israelitische Schulhaus ein, in dem die Familie Rachelsohn wohnte. Sie zerschlugen Fenster, Türen, Möbel und ein Klavier. Außerdem wurden sämtliche Schmucksachen und Bargeld gestohlen.

In der Reichspogromnacht wurde in Thalmässing die Inneneinrichtung der Synagoge vernichtet, bei den jüdischen Geschäften wurden alle Fenster eingeschlagen. Die Juden selbst wurden verhaftet und ins Gefängnis nach Hilpoltstein gebracht. Die jüdischen Kaufleute wurden gezwungen, ihre Geschäfte zu verkaufen.

Nur wenige waren geblieben

1938 lebten nur noch ein paar Thalmässinger Familien jüdischen Glaubens in der Marktgemeinde. Die meisten anderen sind von den Nazis schon Mitte der 1930er Jahre in den großen Städten zusammengezogen worden. Von dort aus ließ sich der Abtransport in die Massenvernichtungslager, weil anonymer, organisieren.

Das Pogrom vom 9./10. November, in dem auch die Thalmässinger Synagoge und der Friedhof geschändet wurden, ist nicht grausiger als in Hunderten anderer Gemeinden verlaufen. In der Nazi-Zeit tat sich in Thalmässing einer der beiden Pfarrer als antisemitischer Hassredner hervor. Der andere Pfarrer verweigerte sich dem. Zwei Tage nach der Reichspogromnacht brachte ein Oberlehrer aus Landersdorf, der gleichzeitig Ortsgruppenleiter war, in die Schule Rechnungen des jüdischen Eisenwarenhändlers Schülein und des Kolonialwarenhändlers Rosenfeld mit, die die Kinder durcharbeiten mussten. Sie mussten heraussuchen, mit welchen christlichen Geschäftsleuten die beiden Geschäfte gemacht hätten.

Allersberg: Else Geiershoefer, die Witwe von Otto Geiershoefer, und ihr Sohn Erik, die den Betrieb der leonischen Drahtzugsindustrie im Gilardihaus gemeinsam führten, wurden am 10. November 1938 frühmorgens von der Gestapo festgenommen, SA-Leute verwüsteten das Gilardihaus. Mit Vertrag vom 28. November 1938 wurde die Allersberger Firma Jacob Gilardi "arisiert" und ging an die Weißenburger Firma "Leichtmetall-Drahtwerke Hermann Gutmann" über. Else Geiershoefer starb im Ghetto Lodz. (siehe untenstehenden Bericht).

Georgensgmünd: Die Jahrhunderte alte eigenständige Geschichte des Georgensgmünder Judentums fand im Jahre 1936 ihr Ende. Am 21. Januar 1939 schrieb die "Fränkische Tageszeitung": "Die einstige Juden-Hochburg Georgensgmünd ist nunmehr ein Hort deutscher Art, seit der Wende des Jahres 1936 ist Georgensgmünd judenfrei … Sie waren Güterzertrümmerer und Hopfengartenversteigerer." Die letzten noch in Georgensgmünd lebenden Juden – es sind 13 an der Zahl – wurden Ende 1938 kurzfristig ausgewiesen.

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