Trögl: "Nicht jeder Trend ist gut für das Fränkische Seenland"

20.10.2018, 06:29 Uhr
Das Hauptrennen beim Rothsee-Triathlon (Archivbild)

© Salvatore Giurdanella Das Hauptrennen beim Rothsee-Triathlon (Archivbild)

Einer der Väter des Fränkischen Seenlandes heißt Hans Trögl. Er leitete in der heißen Bauphase von 1987 bis 2000 als vierter Amtschef das Talsperren-Neubauamt Nürnberg. Maßgeblich beteiligt war der Weißenburger Familienvater auch am Bau des Rothsees. Fast auf den Tag genau vor 25 Jahren hat der damalige Ministerpräsident des Freistaats Bayern Edmund Stoiber mit dem Rothsee das Herzstück der Überleitung der Öffentlichkeit übergeben. In der vorausgegangenen achtjährigen Bauzeit (1985 bis 1992) wurde ein zweigeteiltes Staubecken mit einer Wasserfläche von 2,1 Quadratkilometer geschaffen. Von den 11,7 Millionen Kubikmeter Gesamtvolumen des Sees dienen etwa acht Millionen Kubikmeter zur Zwischenspeicherung von Überleitungswasser des Wassertransfers von Süd- nach Nordbayern. 

Wenn in der Öffentlichkeit vom Fränkischen Seenland die Rede ist, drehen sich die Erörterungen in der Regel fast ausschließlich um Tourismus-Aspekte. Dass die Wasserarmut in Franken durch Donauwasser weitgehend behoben werden konnte und das einst gefürchtete Sommerhochwasser der Altmühl zwischen Gunzenhausen und Treuchtlingen kaum noch Schäden anrichtet, wird nur in Ausnahmesituationen wahrgenommen. Bedeutet dies, dass das Konzept der Überleitung problemlos funktioniert oder ist der Tourismus-Aspekt überwertet? 

Hans Trögl: „Der Tourismus-Aspekt wurde bei der Planung in den 1970er-Jahren zwar berücksichtigt, aber nicht so stark erwartet. Die Rede war damals vom „sanften Tourismus" für Familien mit Kindern sowie für Ruhesuchende. Für das Wasserwirtschaftsamt Ansbach, der Nachfolgebehörde des Talsperren-Neubauamtes Nürnberg, steht nach wie vor die wasserwirtschaftliche Zielsetzung im Vordergrund. Andererseits ist die Abstimmung zwischen Wasserwirtschaft und Tourismus selbstverständlich. Bevor zum Beispiel eine massive Absenkung der Wasserfläche vorgenommen wird, beraten sich Wasserwirtschaft, Touristik und Zweckverbände". 
 

Ein Abend am Rothsee

Ein Abend am Rothsee © Hans Pühn

Sie waren beim Bau des Seenlandes ein Mann der ersten Stunde und leiteten zudem als vierter Amtschef das Talsperrenneubauamt Nürnberg von 1987 bis zu dessen Auflösung im Dezember 2000. Ihre oberste Devise lautete, „gemeinsam sind wir stark“. Besonders viel Gemeinsinn wurden von Grundstücksbesitzern verlangt, die Land abgeben mussten. Schließlich wurde für die Realisierung der Überleitung rund 2850 Hektar Grund benötigt. In mehreren Fällen verloren Menschen mit ihrer Heimat auch ihre Existenz. Im Brombach- und Igelsbachtal wurden an zehn Mühlen schwarze Fahnen aufgezogen. Am Rothsee büßten zwei Familien ihre langjährige Heimat ein. Die Verhandlungen müssen für die Betroffenen schmerzhaft gewesen sein. Haben Sie mit den Leuten, die ihr Leben von Grund auf umstellen mussten, mitunter mitgelitten? 

Trögl: „Das Mitleiden mit Betroffenen ist Privatsache. Unsere Grunderwerbsabteilung hat versucht, auf die vielfältigen Wünsche der Grundstückseigentümer einzugehen. Bevor Verträge abgeschlossen werden konnten, mussten wir die Betroffenen bis zu zehn Mal aufsuchen. Meist übrigens in den Abendstunden oder an Sonn- und Feiertagen".

Trögl:

© AB-Archiv, Thomas Beyhl

Als ein Positivbeispiel für den guten Willen, den ehemaligen Grundstückseigentümern zu einem erfolgversprechenden Neustart zu verhelfen, gilt der Weg der Familie Dürschinger, die im Bereich der Rothsee-Hauptsperre ihre Hasenbruck-Mühle samt Ackerland, Wiesen und Wäldern aufgeben musste. Das Talsperrenneubauamt in Nürnberg konnte der Familie im Gegenzug ein Grundstück an der Vorsperre anbieten, auf dem heute ein schmuckes Gästehaus steht (wir berichteten). Die „Hasenbrucker“ bauten sich am Grashof mit der Vermietung von Ferienwohnungen eine neue Existenz auf und sorgte damit für ein Musterbeispiel für den Strukturwandel im Fränkischen Seenland. Eher die Ausnahme oder doch symptomatisch für die Entwicklung im Seenland? 

Trögl: „Viele ehemalige Grundstückseigentümer haben in Abstimmung mit den zuständigen Fachstellen (unter anderem Landwirtschaftsamt und Landratsamt) neue Erwerbsmöglichkeiten gesucht und zum Beispiel Ferienwohnungen erstellt. Die Vermarktung wurde dabei mit den Tourismus-Fachstellen abgestimmt". 
 
In 20 Jahren Planung und Bau des Seenlandes hat es sicherlich Episoden gegeben, die unvergesslich geblieben sind. Gab es auch Grund zum Schmunzeln?

Trögl: „Natürlich. Bei einer Ortsbesichtigung auf der Brücke zur Vogelinsel am Altmühlsee, für dessen Bau ich zuständig war, wehte mir der Wind einen gerade erst gekauften Hut vom Kopf in den See. Als ich wenig später wieder im gleichen Hutgeschäft ein neues Exemplar erwarb, sah mich die Verkäuferin mit großen Augen an. Sie wusste, dass ich erst kurz zuvor das gleiche Modell erstanden hatte". 

Im Prinzip wurde aus dem am 16. Juli 1970 gefassten Beschluss des Landtags, in Franken eine Überleitung von Altmühl- und Donauwasser in das Regnitz-Main-Gebiet zu bauen, trotz einer Kostensteigerung von 286 auf 463 Millionen Euro eine Erfolgsgeschichte. Auf was müssen die drei Zweckverbände vor allem achten, dass es dabei bleibt? 

Trögl: „Sie müssen achtgeben, dass sich die Freizeitnutzung nicht zu einem ständigen Freizeitevent entwickelt. Nicht jeder Trend ist gut für das Seenland. Wichtig ist, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und der freie Zugang zu den Seen auf Dauer gewährleistet ist. Zu der angesprochenen Kostensteigerung beim Bau des Seenlandes, der sich über einen Zeitraum von 30 Jahren erstreckte, ist zu sagen, dass diese stets unter der Entwicklung des Baupreisindex lag“.

Badespaß am Wasser

Badespaß am Wasser © RHV-Archiv

Das knapp ein Jahr nach dem Landtagsbeschluss gegründete Talsperrenneubauamt (TNA) in Nürnberg befasste sich zuerst mit der Planung des Altmühlsees. Sieben Varianten wurden von der Außenstelle Weißenburg unter Ihrer Regie erarbeitet. 1976 begannen die Arbeiten mit dem Aushub von drei Millionen Kubikmeter Erde. Davon wurde ein Teil für die Anlage der 125 Hektar großen Flachwasser- und Inselzonen benötigt. Heute tummeln sich in diesem Bereich 216 Vogelarten. Oft wurde behauptet, der Naturschutzbund hätte die Zone geplant und dann der bayerischen Wasserwirtschaft aufgezwungen. Wissen Sie es besser?

Trögl: „Sicherlich. Die Ideen kamen in erster Linie von den Fachleuten der Wasserwirtschaft, zumal wir schon 1970 Fachleute des Naturschutzes in unseren Reihen hatten. Die Ideen wurden im Rahmen einer guten Zusammenarbeit mit dem Naturschutz gemeinsam verbessert und realisiert“. 
 
Das Talsperrenneubauamt hatte unter Ihrer Leitung mit der Planung und Umsetzung der Überleitung, die nicht weniger als sechs Seen, über 50 Wehre und Anlagen sowie drei Kraftwerke umfasst, einen jahrzehntelangen Kraftakt bewältigt. Welcher Aspekt eines der größten Infrastrukturprojekte, die der Freistaat jemals gestemmt hat, sorgte bei Ihnen für das meiste Kopfzerbrechen?

Trögl: „Das meiste Kopfzerbrechen entstand durch so manche unrealistische Terminvorgabe. Auch im Grunderwerb ging es gegen Ende der Baumaßnahme etwas langsamer. Aber dafür musste man Verständnis aufbringen beziehungsweise es mehr menschlich und nicht zu sehr bürokratisch sehen.“

Das Seenland hat gerade durch seine zahlreichen Nutzungsmöglichkeiten viele Liebhaber gefunden. Haben Sie, als einer der Väter des neuen Seenlandes, einen Lieblingsplatz? 

Trögl: „Mit meiner Familie gehe ich besonders gerne am Rothsee und am Igelsbachsee spazieren“.

Das fränkische Seenland von oben

Das fränkische Seenland von oben © Archivbild Altmühlbote

Ursprünglich steckten vor allem wirtschaftliche Interessen hinter den Plänen einer Frischwasserleitung vom Süden in den Norden Bayerns. Die Großkraftwerke benötigten Kühlwasser, die Industrie Spülwasser, das Knoblauchsland Gießwasser. Inzwischen haben die Kraftwerke eigene Kühlwasserkreisläufe, die Industrie ist insgesamt sauberer geworden. Wäre ein Projekt von der Größenordnung der Wasserüberleitung heute überhaupt noch durchsetzbar? 

Trögl: „Der Wasserverbrauch der Kraftwerke ist und war nur äußerst gering im Hinblick auf die Gewässerverbesserung im Regnitz-Main-Gebiet. Ob eine Wasserüberleitung dieser Größenordnung heute noch durchsetzbar wäre, darüber streiten sich die Experten. Meine Meinung ist, dass dies nur bei einem wesentlich größeren Aufwand an Planung geschafft werden könnte. Außerdem gäbe es bei der Finanzierung erhebliche Probleme. Damals schon sind aufgrund des Landtagsbeschlusses 286 Millionen Euro nur nach Mittelfranken geflossen. Was würden wohl die anderen Bezirke heute zu so einer Konstellation sagen?“

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