Überleben nur die Großen?

18.12.2014, 19:07 Uhr
Überleben nur die Großen?

© Foto: Gerner

Des einen Leid, des anderen Freud’? „Das trifft es nicht“, versichert Werner Rupp, der Vorstand der Rother Klinik. „Wir freuen uns nicht, dass die Kollegen in Schwabach ihre Abteilung schließen müssen. Ich bedauere das Aus für ein Stück wohnortnahe Versorgung. Ich halte das für eine ganz bedenkliche Entwicklung, die aber von der Politik ganz bewusst gefördert wird“, sagt Rupp. Für ihn sei es bis vor ein paar Jahren unvorstellbar gewesen, dass es in einer prosperierenden Stadt mit knapp 40 000 Einwohnern einmal keine Möglichkeit mehr geben könnte, Kinder zu gebären.

Das Schwabacher Stadtkrankenhaus scheiterte wie mehrfach berichtet daran, dass es keine Hebammen mehr fand, die den anstrengenden Rund-um-die-Uhr-Dienst übernehmen wollten. Laut Krankenhaus-Geschäftsführer Klaus Seitzinger sei man den möglichen Mitarbeiterinnen – sowohl in Schwabach wie in Roth handelt es sich um freiberufliche Hebammen – sehr weit bei der Bezahlung und bei der Übernahme der horrend gestiegenen Versicherungsbeiträge entgegengekommen. Vergeblich. Es gab kein Interesse.

Das liegt vermutlich auch daran, dass der Dienst der Hebamme im Krankenhaus im Vergleich zu deren ambulanter Arbeit (Vorsorge, Nachsorge) schlecht, sehr schlecht bezahlt wird. „Einer der größten Konstruktionsfehler im Gesundheitssystem“, wie Dr. Ulrich Horn, Facharzt für Gynäkologie/Geburtshilfe und seit vielen Jahren Belegarzt an der Rother Kreisklinik, erklärt. Das lässt sich kompensieren, wenn es genügend Geburten gibt. Sinkt jedoch die Zahl der Geburten in einem Krankenhaus unter eine kritische Marke, die Werner Rupp bei etwa 300 Neugeborenen pro Jahr zieht, dann wird es schlicht unrentabel.

Die Folge: Viele Hebammen wechseln als fest angestellte Fachkräfte an die großen Kliniken in den großen Städten, wo 2000 oder mehr Kinder pro Jahr das Licht der Welt erblicken. Manche gehen sogar ins Ausland.

Weniger als 300 Kinder im Jahr

2000 Geburten im Jahr – von solchen Zahlen war Schwabach schon immer weit entfernt. Zuletzt kamen im Stadtkrankenhaus jährlich etwa 300 Kinder pro Jahr zur Welt, dieses Jahr waren es etwas weniger. Für viele Experten war es deshalb keine ganz große Überraschung, dass der Kampf ums Überleben der Geburtshilfe vergeblich war.

Schwabach reiht sich damit nur ein in eine lange Reihe. „In den vergangenen Jahren haben in den knapp 2000 deutschen Akut-Krankenhäusern rund 200 gynäkologische und geburtshilfliche Abteilungen schließen müssen“, schätzt Werner Rupp. In der Region hat es vor Schwabach zum Beispiel die Gynäkologie in Gunzenhausen erwischt, für die 2013 das letzte Stündlein geschlagen hatte.

Überleben also nur die Großen? „Die Politik forciert tatsächlich diesen zentralistischen Ansatz“, klagt Frauenarzt Ulrich Horn. Ausbaden müssten das dann die Kolleginnen und Kollegen wie in Schwabach, die immer gute Leistung geboten haben und nun trotzdem in die Röhre schauen. Und natürlich die Patientinnen, die zwar in einer mittelgroßen Stadt wohnen, aber vor Ort keine Kinder mehr gebären können.

Dabei würden die werdenden Eltern oder die Patienten im Zweifelsfall nicht in die großen Kliniken gehen wollen, wo sie sich nur als Nummer fühlen. „Die Leute wollen ihre wohnortnahe Versorgung mit überschaubaren Strukturen“, so Horn.

Die soll es in Roth möglichst lange geben. Für Werner Rupp ist es jedenfalls kein Thema, die eigene geburtshilfliche Abteilung auf den Prüfstand zu stellen. „Für mich gehört das zum Kernbereich unseres Leistungsspektrums“, sagt er. Man sei auch bereit, dafür Geld auf den Tisch zu legen. Denn rein betriebswirtschaftlich gesehen, sei die Geburtshilfe kein großer Gewinnbringer. „Aber es ist für junge Menschen oft der erste Kontakt zum Krankenhaus. Wenn man da ein gutes Bild abgebe, dann sei das die beste Werbung.

Was die reinen Zahlen angeht, kann sich Rupp noch auf der sicheren Seite wähnen. In den vergangenen zehn Jahren kamen in Roth jährlich zwischen 430 und 480 Kinder zur Welt. 2014 wird man erstmals seit vielen Jahren wieder die 500er-Marke erreichen. Das liegt – nicht ganz überraschend – auch an Schwabach.

Nach dem im Spätsommer angekündigten „Aus“ der örtlichen Geburtshilfe-Abteilung haben bereits 20 Schwabacherinnen in Roth entbunden. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur acht. Im nördlichen Landkreis Roth gibt es ähnliche Tendenzen „Ich denke, dieser Trend wird anhalten“, glaubt der Klinik-Vorstand.

Allerdings nur, solange auch in Roth die Hebammen-Versorgung gesichert ist. Derzeit sind Ingrid Newberry und Ulrike Griesbauer mit drei weiteren Kolleginnen für Hochschwangere und deren Nachwuchs im Einsatz. Bei einem 24-Stunden-Dienst an 365 Tagen im Jahr ist aber auch das auf Kante genäht. „Es darf niemand längere Zeit ausfallen“, sagt Griesbauer. „Sonst wird es auch bei uns knapp.“

Dass alle bei der Stange bleiben, führt Ingrid Newberry nicht auf die Bezahlung, sondern auf das gute Miteinander von Ärzten, Hebammen und Krankenschwestern zurück. Das habe zum Beispiel jetzt eine Kollegin, die das Haus verlassen hatte, bewogen, wieder zurückzukehren. Grund für Werner Rupp, einmal tief durchzuatmen. Doch den Wunschzettel für 2015 in Sachen Gynäkologie hat der Klinik-Vorstand schon einmal geschrieben. „An die 600 Geburten und eine Hebamme mehr.“

Hoffnung „ nächste Generation“

Ersteres scheint erreichbar zu sein, wenn es gelingt das Potenzial von Schwabach und aus dem nördlichen Landkreis zumindest zum Teil zu erschließen. Und bei Letzterem? Da gilt das Prinzip Hoffnung. Vielleicht kehrt die Hoffnung ja mit der nächsten Generation zurück. Ingrid Newberry jedenfalls hat ihre Begeisterung für ihren Beruf schon einmal weitergegeben. Ihre Tochter lernt: Hebamme.

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