Von Neureichen und Altarmen

22.7.2018, 16:14 Uhr
Von Neureichen und Altarmen

© Fotos: Hans von Draminski

Er läuft herum wie ein Pfingstochse, bunt und eitel und lässt den Spott seiner Mitmenschen an sich einfach abprallen: Wenn Armin Gsänger sich in den neureichen Monsieur Jourdain verwandelt, dann bleibt kein Auge trocken. Jedenfalls so lange nicht, bis man sich an der eigenen Nase gefasst fühlt. Denn ein wenig Jourdain steckt in jedem Menschen – eine Spur Größenwahn, ein bisschen Hybris. Nur, dass diese Schwächen selten so lustig wie in der Inszenierung daher kommen, die Werner Müller und Docky Schattner für den Schlosshof auf die Beine gestellt haben.

Eine Inszenierung, die von einer kongenialen Besetzung der Hauptrolle lebt: Armin Gsänger entwirft das detailgetreue Porträt eines Mannes aus vergleichsweise kleinen Verhältnissen, der es zu Geld gebracht hat und es nun jenen gleichtun will, die bereits mit Blauem Blut in den Adern und einem Goldlöffel im Mund geboren wurden.

Als Molière seine Ballettkomödie 1670 schrieb, war der gesellschaftliche Umbruch in vollem Gang. Einer zunehmend verarmenden Adelskaste stand das aufstrebende Bürgertum gegenüber, dem es oft nicht an finanziellen Mitteln, aber dafür umso mehr an Bildung mangelte.

Die Schere zwischen "Altarm" und "Neureich" sollte sich lange Zeit nicht vollständig schließen – mit ein Grund dafür, warum auch der Theatergänger des Jahre 2018 über den unbeholfenen Monsieur Jourdain schmunzeln kann, der für viel Geld eine ganze Armada an Hauslehrern beschäftigt, die ihm Wissen und Fähigkeiten des höheren Standes vermitteln sollen. Und die den reichen "Gimpel" nach allen Regeln der Kunst wie eine Weihnachtsgans ausnehmen.

Resolut bis abgedreht

Das Regiegespann lässt hinreißend schräge Charaktere aufmarschieren: eine resolute Musiklehrerin (selbstsicher: Alexandra Lehmeyer), eine selbstverliebte Tanzmeisterin (elegant: Maria Hemmerich), einen Testosteron-besoffenen Fechtmeister (Richard Schattner), der seinen Schützling von der Bühne kämpft, einen völlig abgedrehten Philosophieprofessor (wunderbar verquast: Joshua Wenger), einen vom Regieduo spürbar autobiografisch gedachten Schauspiellehrer (gravitätisch: Gerhard Michal) und als Star des lebenden Wachsfigurenkabinetts einen Schneider, der wie Karl Lagerfeld aussieht und sich bei Joachim Schulze auch benimmt wie der Couturier.

Bei so viel alltagsnahem Irrsinn haben es nur jene leicht, die das verrückte Spiel mitspielen, wie das etwa die freche Schneidergesellin (pfiffig: Anna-Lena Harzbecker) und das Dienstmädchen (subtil schlitzohrig: Chiara Treitz) tun. Auch der geldmäßig klamme Graf Dorante (Ruhepol: Wolfgang Treitz) und seine ebenfalls nicht sonderlich gut bestallte Freundin, die Marquise Dorimène (schön zickig: Claudia Greger) profitieren gut von Jourdains närrischen Wünschen und Träumen.

Jourdains nächste Familienangehörige wie seine Ehefrau (Frauen-Power: Petra Gross-Bosch), seine Tochter Lucille (augenzwinkernd humorig: Julia Metzger) oder sein Hausmädchen Nicole (kluge Strippenzieherin: Beate Hammerl) müssen sich dagegen etwas ausdenken, um die Schrullen des Hausherren in die richtigen Bahnen zu lenken und vor allem das Happy End mit den nicht mehr ganz so jugendlichen Liebhabern Cléonte und Coviello herbeizuführen. Der Mummenschanz, den Frank Harzbecker und Thomas Schattner aufführen, um Monsieur Jourdain hereinzulegen, ist auf die Bühne gebrachtes Slapstick-Kino mit viel Situationskomik und messerscharfen Dialogen, das der Spannung halber hier nicht nacherzählt werden soll. Selbst anschauen, bis Mitte August ist der ganze Schlosshof eine Bühne.

 

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