Vorsicht: Lebenswerte Region!

10.3.2019, 13:42 Uhr
Vorsicht: Lebenswerte Region!

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Vorsicht: Lebenswerte Region!

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Die quirlige, lebensfrohe Katarzyna hatte es nicht immer leicht. Sie kam vor acht Jahren mit ihrem damaligen Mann nach Franken, weil er hier einen Job gefunden hatte. Sie kümmerte sich um den damals zweijährigen Sohn. Die Ehe ging in die Brüche, Katarzyna kämpfte sich dennoch durch. "Ich habe immer gearbeitet", sagt sie, "als Putzfrau, im Hotel. "

Die 36-Jährige, die in Polen Abitur gemacht hat, war sich für keinen Job zu schade. Sicher, der Anfang sei verdammt schwer gewesen, zumal sie kein Deutsch sprach. Doch sie hat sich über Kurse durchgebissen und fühlt sich mittlerweile bestens integriert. Bis vor Kurzem arbeitete sie als Arzthelferin, mittlerweile ist sie Recruiterin bei einer Firma in Allersberg, die speziell nach IT-Leuten sucht. "Ich fühle mich wohl hier und will nicht zurück nach Polen. Hier schaffe ich alles alleine. Das Leben ist leichter als in der Heimat."

Ein Patient in der Arztpraxis habe sie vor einem Jahr angesprochen, ob sie sich vorstellen könnte, an einer Image-Kampagne für die Metropolregion Nürnberg mitzumachen. Sie konnte. Und so wurde sie Hauptdarstellerin der Kampagne "Beware! of the place for good life in Bavaria" ("Vorsicht! vor dieser lebenswerten Region in Bayern!").

In dem Video erklärt sie auf Polnisch mit englischen Untertiteln, dass es die beste Entscheidung war, hierher zu kommen. Es gibt bessere Gehälter und mehr Möglichkeiten als in Polen, die Lebenshaltungskosten sind gering. Sie genießt die Freiheit und freut sich, ihrem Sohn ein gutes Leben ermöglichen zu können.

So weit die Botschaft, die in Großbritannien ankommen und ihre Landsleute angesichts der dort derzeitig unsicheren Lage abwerben soll. Es handelt sich um einen neuen innovativen Weg in der Fachkräfteakquise. Auf Initiative des Bayerischen Wirtschaftsministeriums haben Invest in Bavaria, die Regionaldirektion Bayern und die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit und die Metropolregion Nürnberg dieses digitale Projekt realisiert. Über Online-Banner und Social-Media-Anzeigen in Großbritannien und auf Job-Portalen in Polen wurden im vergangenen Herbst potenzielle Bewerber angesprochen. Händeringend werden vor allem Fachkräfte unter anderem im Gesundheitsbereich, Technischen und IT-Berufen, in der Gastronomie sowie im Speditions- und Logistikbereich gesucht.

Interessenten können sich direkt über ein Kontaktformular an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit wenden. Es gibt zwar eine Reihe von Interessenten, aber zu einer konkreten Bewerbung sei es bisher nicht gekommen, heißt es in einer Pressemitteilung der Initiatoren.

Katarzyna hat dafür auch einige Erklärungen parat. Sie kennt einige der fast eine Million Polen, die in Großbritannien leben und dort die größte nationale Minderheit sind. "Der Bruder meines Schwagers arbeitet in England", sagt sie. "Es ist alles noch normal. Die warten alle, was passiert. Aber: Er hat Angst, dass er seine Arbeit verliert, wenn eine Wirtschaftskrise kommt."

Sicher sei es angenehmer in Deutschland, der Weg nach Polen nicht so weit. Der Bekannte aus England war schon seit zwei Jahren nicht mehr an Weihnachten zu Hause. Mit dem Auto sei es zu weit und Flüge wären zu teuer. "Ich denke, das größte Hindernis für Polen nach Deutschland zu kommen, ist die Sprache." Erst mühsam Englisch lernen, dann auch noch Deutsch — das sei nicht jedermanns Sache.

Und: Theresa May und all die Brexit-Befürworter wissen natürlich auch, dass sie die polnischen Fachkräfte nicht einfach ziehen lassen wollen und können. Deshalb soll es Regelungen geben, dass EU-Bürger, die schon seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen in Großbritannien leben, den Status der dauerhaft Niedergelassenen erhalten sollen. Dieser würde das Aufenthaltsrecht garantieren, und später das Recht auf Beantragung der britischen Staatsbürgerschaft einräumen sowie den Zugang zu allen Sozialleistungen.

Einige Freunde von Katarzyna wollten das alles aber gar nicht. Sie gehen für ein zwei Jahre nach England, schlicht und einfach um Geld zu verdienen. Andere wiederum kehren nach Polen zurück, seit dort ein wirtschaftlicher Aufschwung spürbar ist und die Arbeitslosigkeit stark zurückgegangen ist. "Wenn jemand gute Arbeit hat, dann bleibt er in Polen", weiß die Meckenhausenerin. "Wer nicht so einen guten Beruf hat, geht oft weg."

Mehr Geld als zuhause

Ihr Schwager arbeite mittlerweile auch in Deutschland – jeweils für dreieinhalb Wochen, dann fährt er wieder für eine Woche in die Heimat nach Zielona Gora (früher Grünberg in Schlesien) zu seiner Familie, wo er mit seiner Schwester ein Haus bauen will. "Er verdient in Deutschland mehr Geld und hat mehr Zeit als zu Hause."

Mehr Geld als in der Heimat verdienen auch die Polen in England, und solange nicht klar ist, ob und wie der Brexit überhaupt kommt, heißt die Devise "Abwarten".

Das schreckt aber die Initiatoren der Job-Kampagne nicht ab. "Nach der Testphase im vergangenen Jahr haben alle beteiligten Projektpartner beschlossen, die Kampagne weiterzuführen. Die Kampagnen-Website steht nach wie vor als erster Anlaufpunkt für interessierte Polinnen und Polen aus Großbritannien. Wenn das Kontaktformular ausgefüllt wird, berät und vermittelt die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit", sagt Dr. Christa Standecker, Geschäftsführerin der Metropolregion Nürnberg.

Die ZAV beteiligte sich übrigens Anfang März erstmals mit der Kampagne auf der Messe "Emigrate" in London, bei der sich alles rund ums "Auswandern" dreht.

Das tangiert Katarzyna alles nur am Rande. Sie freut sich darüber, mit ihren beiden Hunden und ihrem mittlerweile zehnjährigen Sohn am Rothsee spazieren zu gehen oder mit dem Motorrad durchs Frankenland zu düsen.

 

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