Wenn Bambi und Bello sich treffen, kann das tödlich enden

29.9.2017, 15:43 Uhr
Wenn Bambi und Bello sich treffen, kann das tödlich enden

© Foto: V. Bernlocher

Morgens liegt der Nebel dick über den Wiesen und abends sinkt die Sonne wieder früher hinter den Horizont. Der Herbst ist im Landkreis angekommen, und für Jäger Sven Kühnel, der den Herbst eigentlich sehr mag, beginnt wieder die anstrengende Jahreszeit. Denn durch den frühen Sonnenuntergang verschiebt sich die Aktivitätszeit der dämmerungsaktiven Wildtiere nach vorne.

Kühnel ist deshalb jetzt früher auf Ansitz anzutreffen, sitzt mit seinem Klappstuhl oft schon um 19.30 Uhr im Wiesengrund hinter dem Tierheim, wo Rehe gerne äsen. Genau aber hier liegt das Problem. Denn auch viele Hundehalter, die später von der Arbeit nach Hause kommen und mit ihrem Tier noch eine Abendrunde drehen wollen, sind ebenfalls um diese Zeit unterwegs.

An sich ist das kein Problem, doch Kühnel beobachtet aus seinem Versteck in der Hecke oft, dass die Hundehalter mit ihren Tieren die Wege verlassen, quer durch den Wiesengrund marschieren und die Tiere von der Leine lassen. Für Rehkitze ist das brandgefährlich. Erst kürzlich saß Kühnel vor einem Maisfeld und sah ein Rehkitz mit seiner Mutter aus dem Feld kommen. Nur wenige Momente später kam auf einem Waldweg ein Hund heran, das Reh gab einen Schrecklaut von sich, und der Hund stürmte los. Die Geiß entkam, aber das Kitz blieb erschreckt stehen, wurde vom Hund angesprungen, gepackt und getötet, ohne dass der Jäger oder der Hundehalter etwas unternehmen konnten.

Auch seinem Revierinhaber, Jürgen Walter, der Kühnel als seine rechte Hand bezeichnet, ist es schon so gegangen. Oft werden die Jäger auch zu angefallenen Kitzen oder Rehen gerufen, die sie dann mit einem Schuss von ihrem Leid erlösen müssen — und das, meint Kühnel, sind bei Weitem nicht alle Tiere, die so ums Leben kommen: "Ich glaube, es gibt eine hohe Dunkelziffer." Das bestätigt auch die Polizei in Roth.

Hunde gehören in Wald und Feld an die Leine

Dabei wäre es so einfach: Hunde gehören in Wald und Feld an die Leine, vor allem in der Dämmerung, wenn es leicht zum Zusammentreffen mit Rehen kommen kann. Denn selbst wenn der Hund das Reh nicht erwischt, sondern "nur" hetzt, kann das für die Tiere tödlich enden. "Im Winter fahren die Tiere ihren Energiehaushalt herunter, weil sie weniger Futterangebot haben", erklärt Kühnel. "Wenn ein Reh schon zu Beginn des Winters etwas dünner ist und dann im Winter öfter flüchten muss, verbraucht es dadurch so viel Energie, dass es anfälliger wird für Krankheiten und im ungünstigsten Fall sogar stirbt", ergänzt Walter.

In der Natur gibt es deshalb für Hundehalter eine Leinenpflicht. Kühnel erlebt oft, dass die Hundehalter, wenn er sie auf ihre frei laufenden Hunde anspricht und ihnen ein Infoblatt mitgibt, in erster Linie uneinsichtig und mit Ablehnung reagieren. Manchmal wird er auch beschimpft.

"In den vergangenen Jahren ist es einfach nur nervig", macht er seinem Ärger Luft. Er hat das Gefühl, dass die Menschen immer ignoranter werden. "Ich, ich, ich. Ich und mein Hund", sagt er. Wenn er über das Thema spricht, gerät er fast ein wenig in Rage, denn eigentlich haben die Jäger vom Bayerischen Jagdgesetz die Aufgabe übertragen bekommen, das Wild vor derartigen Einflüssen zu schützen. Jäger dürften wildernde Hunde (und Katzen) deshalb in letzter Konsequenz auch abschießen. "Das haben wir bisher noch nicht gemacht und wollen das eigentlich auch nicht", sagt Walter, der selbst einen Hund hat. Denn beiden ist auch klar, dass gerade Wald und Feld, die an die Stadt angrenzen, wie etwa der Weinberg, gern zur Naherholung genutzt werden. Aber auch in der Natur gibt es Regeln.

Doch nicht nur Hundehalter sind in diesen Tagen in der Dämmerung unterwegs, auch Jogger und Mountainbiker tummeln sich gern nach Feierabend im Wald. Auch dagegen sei nichts zu sagen, die Wege sollte man dann aber lieber nicht verlassen, bittet Kühnel. Denn auch so könnte das Wild erschreckt und beim Fressen gestört werden.

Durch das Verlassen der Wege zur Dämmerungszeit bringen sich Gassigeher und Jogger aber auch selbst in Gefahr, denn im schlimmsten Fall kann sich eine Kugel auch einmal verirren.

Querschläger als Gefahr

"Wir dürfen nur schießen, wenn eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist und ein natürlicher Kugelfang vorhanden ist", erklärt Sven Kühnel. Unter Kugelfang versteht man eine Fläche, in der die Kugel, nachdem sie den Tierkörper durchschlagen hat, eindringen kann, ohne dass sie abprallt; in der Regel ist das der Erdboden. "Es kann aber vorkommen, dass sie unglücklich auf einen Stein am Boden trifft oder von einem Ast abgelenkt wird", sagt er. "Wenn ich auf ein Tier schieße, überprüfe ich zwar vorher die Gegend, wenn ich dann aber durch mein Zielfernrohr schaue, ist mein Blickfeld für rund zehn Sekunden eingeschränkt", gibt Kühnel zu bedenken.

Spaziergänger sollten deshalb auch Absperrbänder, die auf eine Drückjagd hinweisen, keinesfalls missachten und auch sonst in der Dämmerung lieber auf den Wegen bleiben. Sicher ist sicher, für Jogger, Gassigeher, Hunde, Wild und — Jäger.

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