Wer beim Stock-Car bremst, verliert

31.8.2017, 17:19 Uhr
Wer beim Stock-Car bremst, verliert

© Peter Nörr

Am Mittwochnachmittag deutet an der Rennstrecke bei Weinmannshof noch wenig darauf hin, dass hier am Samstag und Sonntag Stock-Car gefahren wird. Drei verbeulte Autos stehen schon bereit, dazu hat sich ein Dutzend der knapp 100 Mitglieder des Pyraser Stock-Car-Teams (SCT) versammelt. Sie haben noch viel zu tun: Leitplanken grenzen die Bahn ab, doch Wälle müssen erhöht, Sicherheitszonen eingerichtet und Zäune aufgebaut werden, das Fahrerlager fehlt, die Strecke muss gewalzt und noch einiges mehr erledigt werden.

Um die 130 Fahrer werden sich nach dem Training am Samstag am Sonntag um Punkte für die bayerische und deutsche Meisterschaft duellieren. Sie treten in verschiedenen Klassen, manche unterteilt nach Hubraum, an: Die unverbaute Klasse, in der nur wenig an den Serienfahrzeugen verändert werden darf. Dennoch muss die Sicherheit der Fahrer mit Schalensitzen und Überrollbügeln wie in allen Klassen anderen gewährleistet sein.

Mehr Freiheiten haben die Monteure bei der verbauten Klasse, in der das Auto beinahe frei verändert und getunt werden darf, um mehr Leistung zu bringen. In der Crossklasse geht es um Geschwindigkeit, Crashs sind verboten. Mehr als 300 PS bringen die Fahrzeuge der Superklasse mit ihrem Allradantrieb auf die Erde, die wiederum in Serien- und umgebaute Autos unterteilt wird. Auch hier gilt Crashverbot.

In jeweils fünf Vorläufen der Nord- und Südgruppe Bayerns treten die Fahrer gegeneinander an, die jeweils besten 20 ermitteln im Endlauf bayerischen und deutschen Meister.

"Man darf sich keine Gedanken machen"

Der Mann, der das alles noch viel detaillierter weiß, ist Ernst Leidhäusl, der Vorsitzende des Pyraser-Stock-Car Teams. 1978 ging er mit Bekannten zu einem Stock-Car-Rennen, danach stieg er ins Auto. Mittlerweile fährt er aber nicht mehr. "Man muss 100 Prozent geben und darf sich keine Gedanken machen. Beim Stock-Car gilt ,Wer bremst, verliert‘", sagt Leidhäusl. Und wegen seiner Tochter machte er sich zu viele Gedanken.

Halb blind rasen die Fahrer in die schwer einsehbaren Kurven, wenn Crashs erlaubt sind, müssen sie damit rechnen, dass sie ein Kontrahent von der Strecke rammt, sie in die Wälle schiebt – Dreher und Überschläge sind keine Seltenheit. Gefährlich ist es aber nicht, sagen sie beim SCT. Ein paar blaue Flecke, die könne man schon abbekommen. Aber auf die Sicherheit wird viel Wert gelegt.

Extra-Schutz für Fahrer

Schutzkleidung und -vorrichtungen in den Autos sind obligatorisch. Sonst sind die Autos nackt, Gitter ersetzen die Scheiben, Armaturenbretter sucht man wegen der Splittergefahr vergeblich, nur ein paar Schalter steuern wichtige Dinge wie die Benzinpumpe. Und auch wenn es heiß hergeht, gelten auf der Rennstrecke Regeln. So ist es verboten, auf ein stehendes Auto aufzufahren oder die Fahrertür zu rammen – auch wenn die mit einer mindestens vier Millimeter starken Stahlplatte extra geschützt ist. Die zwölf Runden durch das Oval werden im Uhrzeigersinn gefahren – damit der Fahrer bei einem Überschlag nicht so herumgeschleudert wird.

"Das Schönste ist, wenn man kein gutes Training hatte und dann im Rennen die anderen wegschieben und sich nach vorne kämpfen kann", sagt Markus Wilfer, der in dieser Saison in der Superklasse ganz gut unterwegs ist. Im vergangenen Jahr wurde er mit der SCT-Mannschaft sensationell bayerischer Meister. Dann ist in den Rennen auch Teamgeist gefragt. Denn nur die ersten Sieben im Ziel bekommen Punkte – wer einen guten Kontrahenten von der Strecke schiebt, kann seinem Team so einen Vorteil verschaffen, meint Marco Dietz. Wenn man es schafft, bei bis zu 24 Fahrern auf der Strecke den Überblick zu behalten.

Versorgung muss passen

Dietz besitzt sieben Stock-Cars. Sechs Monate hat der Metallbauer mit seinem Vater Bernd Dietz, mit 65 Jahren der älteste Aktive in der Nordgruppe, am jüngsten geschweißt und geschraubt.

Fast alle Fahrer bauen ihre Autos selbst, meist aus VW und Audi. "Das wird bei uns am meisten gefahren", sagt Leidhäusl – wichtig, um an Ersatzteile zu kommen. Solange die Versorgung stimmt, sehen die Wagen ramponiert aus, können aber ewig fahren. Dietz hat eines, das 21 Jahre auf dem Buckel hat.

Je nach Klasse kann der Sport teuer sein. "Aber das beste Auto hilft einem nicht, wenn man nicht fahren kann", sagt Wilfer. "Man braucht Mut", sagt Leidhäusl. "Dann muss man sich reinsetzen und sehen, ob es einem liegt. Das Auto, der Fahrer und 20 Prozent Glück entscheiden über den Erfolg."

Talent muss vorhanden sein

Fahrkünste auf der Straße bringen demnach nichts. "Das ist was ganz anderes", sagt Wilfer. Weil es nicht viele Trainingsmöglichkeiten gibt, muss man Talent mitbringen. Auch auf dem Heimkurs kann sich das SCT nicht einfahren, das Landratsamt erlaubt Stock-Car nur zu den Renntagen. So kennt das Team, das 1978 in der Pyraser Sandgrube seinen Anfang hat, die Strecken in Irfersdorf und Mindelstetten besser, weil dort zwei Saisonrennern gefahren werden.

Vor dem Wetter hat Leidhäusl keine Angst. "Es wird schön", sagt er. Den Fahrern ist es eh lieber, wenn die Strecke schlammig ist, notfalls wird vorher gewässert. Sonst fahren sie gegen eine Wand aus Staub. "Das braucht niemand", sagt Wilfer. Und mit freier Sicht ist das Spektakel viel besser zu genießen.

Das Training beginnt am Samstag um 11 Uhr, die Rennen am Sonntag ebenfalls um 11 Uhr. Die Rennstrecke befindet sich zwischen Aurau und Weinmannshof, von Rothaurach kommend die letzte Ausfahrt im Aurauer Kreisel.

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