Schlamperei: So unhygienisch sind Bayerns Kliniken

12.1.2017, 09:27 Uhr
Mangelnde Hygiene in Krankenhäusern fordert jährlich bis zu 15.000 Infektionstote.

© colourbox.de Mangelnde Hygiene in Krankenhäusern fordert jährlich bis zu 15.000 Infektionstote.

Verunreinigtes OP-Besteck, medizinisches Personal, das sich nicht oft genug die Hände desinfiziert, zu wenig Hygiene-Fachpersonal: In Deutschland werden pro Jahr rund 18 Millionen Menschen vollstationär behandelt. Nach offiziellen Schätzungen sterben hierzulande jährlich bis zu 15.000 Menschen an Infektionen, die sie sich erst im Krankenhaus zugezogen haben.

Laut einer Auswertung von Krankenhaus-Qualitätsberichten durch die Recherchegruppe Correctiv und das ARD-Magazin Plusminus verfügte im Jahr 2014 mehr als jede vierte Klinik in Deutschland nicht über die vorgeschriebene Zahl an Hygienepersonal.

Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert-Koch-Institut empfiehlt zur Vermeidung von Infektionen die Einrichtung einer eigenen Hygienekomission in den Häusern und damit auch die Beschäftigung entsprechenden Personals. So sollten Einrichtungen mit mehr als 400 Betten über einen hauptamtlichen Krankenhaushygieniker verfügen.

Bundesweiter Mangel an hygienebeauftragten Experten

Darüber hinaus sollte aber jede stationäre medizinische Einrichtung sicherstellen, dass zumindest die Beratung durch einen externen Spezialisten gewährleistet ist. Zudem empfiehlt die KRINKO Hygienefachkräfte, also Pfleger oder Krankenhelfer, die die Vorgaben umsetzen und sich laufend eng mit dem Krankenhauspersonal abstimmen. Außerdem sind nach Dafürhalten des Gremiums hygienebeauftragte Ärzte und Pflegekräfte nötig, um in Sachen Sauberkeit ein gewisses Maß an Qualität zu gewährleisten.

In vielen der 2059 bundesweit untersuchten Häusern fehlen nach den Recherchen aber Experten aus einer oder mehrerer der genannten Gruppen. Demnach erfüllten im Land Bremen 43 Prozent der stationären Einrichtungen nicht die Empfehlungen. In Thüringen sind es 42, in Berlin 37 Prozent. Am besten schnitten Hamburg (zehn Prozent), Sachsen (15 Prozent) und Sachsen-Anhalt (17 Prozent) ab.

Auch in Franken gibt es Probleme

In Bayern hielt sich jede fünfte Einrichtung nicht an die Empfehlungen. Auch in der Region werden sie von einigen, zumeist kleineren Häusern verfehlt. So verfügt eine Einrichtung in Nürnberg mit zwölf Betten weder über eine Hygienefachkraft noch über einen hygienebeauftragten Pfleger.

Entsprechendes Personal fehlt laut der Recherchen auch in einer Klinik in Herzogenaurach, in drei kleinen Würzburger Einrichtungen sowie in Häusern in Bad Windsheim, Uffenheim, Hersbruck und Höchstadt an der Aisch. Das Klinikum Neumarkt mit 457 Betten beschäftigt laut der Auswertung zwar hygienebeauftragte Pfleger, Ärzte und Fachkräfte, verzichtet aber auf einen hauptamtlichen Krankenhaushygieniker und lässt sich nur extern beraten.

"Krankenhäuser haben Initiative ausgesessen"

Anfang 2015 stellte Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe einen Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Krankenhausinfektionen vor. Darunter fand sich auch ein 365-Millionen-Euro-Förderprogramm, mit dem bis Ende 2016 zusätzliches Hygienepersonal eingestellt werden sollte.

Mit dem Infektionsschutzgesetz von 2011 sollten bis zu diesem Zeitpunkt auch verbindliche Vorgaben für ausreichend Fachpersonal entstehen. Inzwischen wurde die Frist aber bis Ende 2019 verlängert, verbindliche Hygieneempfehlungen fehlen immer noch.

"Die Krankenhäuser haben die Initiative ausgesessen", so Walter Popp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Die Gefahr, sich anzustecken, sei so unter dem Strich immer weiter gestiegen. Ohne Sanktionen würden die Kliniken weitermachen, wie zuvor - und sich das Geld für Krankenhaushygieniker einfach sparen.

Die Nürnberger Nachrichten kooperieren künftig mit dem Recherchezentrum Correctiv.org. Wir werden einige Projekte und auch investigative Recherchen gemeinsam angehen.

Correctiv.org  ist die erste gemeinnützige derartige Organisation im deutschsprachigen Raum und finanziert sich vor allem durch Spenden von Bürgern und Zuwendungen von Stiftungen. Correctiv.org ist unabhängig und nicht gewinnorientiert.

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