Schnaps und VGN: So sahen die Tauschreporter Franken

27.5.2018, 05:47 Uhr
Schnaps und VGN: So sahen die Tauschreporter Franken

© Eduard Weigert

Ariane Mönikes kam von Bielefeld nach Forchheim, wo sie aus der Lokalredaktion der NN neben vielen Erlebnissen Schnaps mitnahm. Olaf Moos verschlug es von Lüdenscheid in die Redaktion nach Neumarkt, wo er intensiv die Stadt erkundete. Merle Bornemann bekam in der Redaktion Region und Bayern in der NN-Zentrale einen Einblick in Bayerns Landespolitik, während Mareike Maack Meschede im Sauerland mit der Großstadt Nürnberg tauschte. Dort lernte sie erstaunlich unkomplizierte Franken kennen.

Olaf Moos berichtet aus Neumarkt 

Diese Stimmung zwischen Lampenfieber und Vorfreude, die ich seit Wochen mit mir herumgetragen habe, hat sich schnell aufgelöst. Stattdessen habe ich erlebt, wie die Aktion "Reportertausch" die persönliche Sicht auf meinen Beruf verändert — ich hoffe nachhaltig.

Dass eine völlig fremde Umgebung und unbekannte Kollegen auf mich warten, war klar. So ist das Projekt angelegt. Und dass ich den Lesern ihr Neumarkt anders beschreibe als die ortskundigen und gut vernetzten Redaktionskollegen, war nicht anders zu erwarten. Anders, aber wie?

Das hängt davon ab, ob die gastgebende Redaktion mir lange Leine lässt. Ein Glück: Die Kollegen hatten für mich überhaupt keine Leine. Ich durfte mich treiben lassen, konnte durch die Stadt spazieren, Eindrücke auf mich wirken lassen, Auffälliges notieren und fotografieren, Themen vorschlagen — und schon war eine leere Textbox für mich angelegt, Länge beliebig. Mangels Netzwerk keine Telefonate, nur wenige Aufträge als Redigier-Sklave, kaum schnelle Termine nach dem Motto "Drück drauf und komm wieder rein!", sondern im klassischen Sinne reportieren, mit Zeit und Muße.

Das hat mich hier zu den Wurzeln meines Berufes geführt. Dafür bin ich Reporter geworden. Geh raus! Schau genau hin! Schreib’s auf! Vielen Dank für die Chance, am "Reportertausch" teilnehmen zu dürfen. War mir eine Ehre.

Merle Bornemann und die Klischees

"Über 10.000 Menschen beim Bratwurstgipfel" steht ganz oben auf der Website der Nürnberger Nachrichten, als ich mich während der Anreise einlese. Bratwurst-Journalismus? 100 Punkte auf der Klischee-Skala. Willkommen im Freistaat. Doch nach einer Woche als Tauschreporterin in der Redaktion Region und Bayern — pardon: Franken — kann ich guten Gewissens viele solcher Klischees über Bord werfen.

Insgesamt sind mir viele aufgeschlossene, interessierte Menschen begegnet. Nürnberg habe ich als sehr lebenswerte, vielfältige und grüne Stadt erlebt, mit einem riesigen Schatz an Museen. Kreuze in Klassenzimmern, harte Ausländerpolitik, das als "Herdprämie" verspottete (und inzwischen zum Glück wieder abgeschaffte) Betreuungsgeld – all diese öffentlichkeitswirksamen CSU-Themen aus der Seehofer- und Söder-Schmiede verschaffen dem ganzen Land zu Unrecht ein erzkonservatives Image, von dem die Bevölkerung selbst weit entfernt scheint. Das haben mir viele Gespräche mit Kollegen gezeigt.

Überrascht hat mich, wie sich viele vor allem junge Menschen hier einmischen und gegen das neue Polizeiaufgabengesetz auf die Straße gehen. Dessen Beschluss habe ich schockiert verfolgt, weil damit meiner Meinung nach essenzielle Errungenschaften unseres Rechtsstaates konterkariert werden. Die weitere Entwicklung werde ich auch aus Norddeutschland weiter gespannt verfolgen.

Ariane Mönikes macht in Forchheim Station

Sie tauschen das T durch das D und das K durch das G aus. Das wusste ich von den Franken. Und dass ihre Küche deftig ist, sehr deftig. Aber so deftig, dass mir dermaßen heiß wird und ich das Lokal verlassen muss, ohne mein Weizen ausgetrunken zu haben, das wusste ich nun wirklich nicht. Willkommen in Oberfranken – eine Region, die ich nicht auf dem Schirm hatte, in die ich aber auf jeden Fall wieder reisen werde.

Es ist Tag drei in Forchheim, #ReporterTausch2018. Den Schreibtisch meines Kollegen habe ich bereits (gut) eingenommen, aber ich war immer noch nicht fränkisch essen. Das sorgt für Kopfschütteln bei den heimischen Kollegen. "Du musst unbedingt a Schäuferla probieren", sagt Fotograf Ralf. Das aber muss ich mir erst mal buchstabieren lassen. Und was ist das überhaupt? Die Schulter vom Schwein. Aha. Warum auch nicht? Montag Pizza, Dienstag Pasta – es ist Zeit für was Neues. Und das "Stückchen" Fleisch schmeckt ja wirklich köstlich, auch wenn davon drei Leute satt geworden wären.

Richtig beeindruckt hat mich diese wunderschöne Stadt. Ich nehme mir morgens Zeit, schlendere gemütlich zur Arbeit und entdecke immer wieder etwas Neues. Kleine Gassen mit hübschen Cafés, es ist alles so gemütlich hier. Hier gibt’s keine Stadtbahn, keine Hektik. Der Franke begegne ja allem Nichtfränkischen mit großem Misstrauen, heißt es immer. Das kann ich so nicht sagen, ganz im Gegenteil. Meine Kollegen wollen wissen, wie wir in Bielefeld Zeitung machen. Ich will von ihnen lernen und sie von mir. Ich bin eine von ihnen, gehöre dazu, auch wenn ich mich längst noch nicht durch alle Spezialitäten gekämpft habe und mitreden kann.

Es ist Tag vier – als Kollege Ralf mit einer großen Plastiktasche in meinem Büro steht. Er hat Knoblauchwürstchen mitgebracht. Die riechen schon richtig gut. Auch Göttinger, eine hausgemachte Wurstspezialität von Metzgerei Trautner aus Kirchehrenbach, hat er eingepackt. All das kommt jetzt zu Hause in Ostwestfalen-Lippe auf den Tisch. Dabei werde ich dann den Schnapsführer "Fränkische Schweiz" studieren. Wenn ich hier urlaube, werde ich die Brennereien ganz sicher genau in den Blick nehmen – und die Franken vielleicht schon ein bisschen besser verstehen.

Mareike Maack zieht ein rundum positives Fazit

Fahrerlose U-Bahnen, erste elektrische Straßenbeleuchtung, Kunstbunker — Nürnberg hat mich überrascht. Die Frankenmetropole hat noch viel mehr zu bieten, als Lebkuchen und Bratwürstchen. Das soll aber keine Abwertung sein — Nürnbergs Spezialitäten habe ich natürlich auch probiert. Kaum hatten sich die Türen meines ICE am Nürnberger Hauptbahnhof geöffnet, bin ich geradewegs in die Touri-Falle gelaufen: "Drei im Weckla" haben mich knapp fünf Euro gekostet, eine Geschmacksenttäuschung. Fast hatte ich schon abgeschlossen mit dem Kapitel Nürnberger Rostbratwürstchen, da führte mich der Kollege in die echte Nürnberger Bratwurstkultur ein. Die fleischige Spezialität schmeckt nämlich dann erst richtig gut, wenn sie auf Buchenholz gegrillt wurde. Ich war versöhnt.

Mein Nürnberg-Fazit fällt somit rundum positiv aus: Mit der wunderschönen Altstadt, den vielen Märkten und Veranstaltungen hat die Stadt unglaublich viel Lebensqualität. Und: auch die Franken sind mir durchweg sehr freundlich begegnet, sei es auf den Fluren der Redaktion oder auf den Straßen. Jeder grüßt, jeder hat ein freundliches Wort übrig. Auch das hat mich überrascht, hörte ich im Sauerland doch im Vorfeld Sätze wie "ich bin mal gespannt, wie du mit den Franken klarkommst", oder "die sollen ja schwierig sein". Nein, sind sie absolut nicht. Das einzig Schwierige an Nürnberg ist, wie ja bereits ausführlich beschrieben, das Tarifsystem von VGN und VAG. Eine Woche reicht einfach nicht aus, um Nürnberg so kennenzulernen, wie die Stadt es verdient hat. Die letzten Tage haben Lust auf mehr gemacht. Für mich jedenfalls steht fest: Nürnberg, wir werden uns wiedersehen.

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