A6: Lkw blockieren Rettungsgasse bei schwerem Unfall

20.6.2017, 11:12 Uhr
Kein Durchkommen zur Unfallstelle: Während ein Schwerverletzter auf Hilfe wartete, blockierten Lkw die Rettungsgasse.

© NEWS5 / Goppelt Kein Durchkommen zur Unfallstelle: Während ein Schwerverletzter auf Hilfe wartete, blockierten Lkw die Rettungsgasse.

Unfallschwerpunkt A6: Erneut hat es zwischen dem Autobahnkreuz Nürnberg-Süd und der Anschlussstelle Roth am Montagabend in Fahrtrichtung Heilbronn gekracht. Wieder einmal war es ein Lkw-Fahrer, der mit seinem Lastwagen am Ende des Rückstaus, der sich aktuell wegen einer Dauerbaustelle auf Höhe Schwabach nahezu täglich bildet, gegen 17 Uhr von hinten auf einen stehenden Lkw auffuhr.

Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Unfallverursacher schwer verletzt. Er war mit mehreren Knochenbrüchen in seinem deformierten Führerhaus eingeklemmt und benötigte dringend Hilfe. Auf diese wartete er aber zunächst vergeblich, genauso wie der Fahrer des vorderen Lkw, der leichte Verletzungen erlitt. Der Grund: Die Rettungskräfte steckten im Stau fest, kamen nur mühsam voran. Rettungsgasse? Mangelhaft!

Stattdessen herrschte das blanke Chaos. Verantwortlich dafür waren ausgerechnet Berufskollegen des Schwerverletzten, die mit ihren 40-Tonnern trotz stockenden Verkehrs kreuz und quer einscherten und die Rettungsgasse blockierten. Michael Petzold, Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken, berichtet von teilweise drei Lastwagen nebeneinander, die ein in diesem Bereich geltendes Lkw-Überholverbot ignorierten und das Durchkommen für die Einsatzkräfte im Stau so fast unmöglich machten.

"Chaos pur"

Erst mit erheblicher Verzögerung gelangten die Retter zur Unfallstelle. Dort war mittlerweile auch ein Rettungshubschrauber gelandet. Glücklicherweise konnte die Feuerwehr den schwer verletzten Lkw-Fahrer noch aus dem Wrack schneiden, ehe sich sein Zustand weiter verschlechterte. Er kam in ein Krankenhaus. Laut Petzold schwebt er nicht in Lebensgefahr. Dem Polizeisprecher zufolge sind Unfälle auf der A6 in Richtung Heilbronn wegen der Baustelle derzeit an der Tagesordnung. Das bestätigt auch Thomas Krühner vom Bergungsunternehmen Bonn All-Kran aus Schwabach. Für ihn ist es nicht der erste Einsatz an dieser Stelle. "Wir sind wieder einmal zu einem Unfall gerufen worden auf der A6 in Richtung Heilbronn", sagt er gegenüber News5. "Fast täglich an der gleichen Stelle. Und wie sie sehen: Chaos pur."

Insgesamt entstand bei dem Unfall ein Sachschaden in Höhe von rund 45.000 Euro. Ein Lkw hatte zudem viel Getreide verloren. Die Menge war so groß, dass das Korn nicht abgesaugt werden konnte. Schweres Gerät musste also schnellstmöglich her. Doch auch das war gar nicht so einfach. "Das Hauptproblem ist das Heranbringen der Gerätschaften, weil die Rettungsgasse wie immer nicht funktioniert", sagt Krühner.

Der Abschleppprofi bemängelt, dass die Gasse oft nicht mehr freigehalten werde, sobald Feuerwehr und Rettungsdienst durch seien. Deshalb würden auch die Abschlepp- und Bergungsfahrzeuge oft nur sehr schwierig vorankommen. "Wenn wir nicht durchkommen, dann kommt keiner durch. Das heißt, die Leute müssen warten, bis wir irgendwann durchkommen. Und das kann dauern", konstatiert Krühner.

Hemmungslose Sensationsgier auf der A6: Bei diesem Kleintransporter hängen die Gaffer regelrecht aus der geöffneten Seitentür und nehmen Bilder mit ihrem Smartphone auf.

Hemmungslose Sensationsgier auf der A6: Bei diesem Kleintransporter hängen die Gaffer regelrecht aus der geöffneten Seitentür und nehmen Bilder mit ihrem Smartphone auf. © News5

Gaffer-Ärger an der Unfallstelle

Nachdem die Verletzten abtransportiert waren, gab die Polizei zunächst wieder eine Spur frei, damit der Verkehr an der Unfallstelle vorbeifließen konnte. Prompt hatten die Beamten der Verkehrspolizeiinspektion Feucht gleich wieder alle Hände voll zu tun. Zahlreiche Autofahrer nutzten die Gelegenheit, um vor den Augen der Polizei aus dem fahrenden Auto heraus Schnappschüsse von der Unfallstelle zu machen.

Die Polizisten positionierten sich ihrerseits mit einer Kamera und schossen Beweisfotos von den dreisten Gaffern. Laut Polizeisprecher Petzold konnten direkt vier Fahrer aus dem Verkehr gezogen werden, die hinter dem Steuer Fotos und Videos erstellten. Sie erwartet nun jeweils 60 Euro Bußgeld sowie ein Punkt in der Verkehrssünderkartei.

Der Gipfel der Dreistigkeit: Auf Videoaufnahmen, die ein Pressefotograf vor Ort aufgenommen hat, ist ein grüner Kleinlaster zu sehen, der neben dem Fenster auf der Beifahrerseite während der Fahrt sogar die Seitentür geöffnet hatte, um den Insassen bestmögliche Aufnahmen zur ermöglichen. Mehrere Hände mit Smartphones und Kameras strecken sich sich aus dem Transporter, als dieser die Unfallstelle passiert.

Da der Fahrer jedoch in diesem Fall augenscheinlich nicht selbst gefilmt oder fotografiert hat, bleibt diese regelrechte Gaffer-Orgie laut Petzold wohl folgenlos. Der Polizei bleibt nur, an die Moral und die Vernunft der Sensationsgierigen zu appellieren.

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