Betreuung für Todkranke auch im Hans-Herbst-Haus

16.8.2014, 10:47 Uhr
Betreuung für Todkranke auch im Hans-Herbst-Haus

© Foto: Schnackig

Wie so oft, haben es diejenigen nicht leicht, die neue Wege abseits der ausgetretenen Pfade gehen. So auch Anika Emmermacher, 38 Jahre alt, durchsetzungsstark.

Eigentlich lacht sie gern und viel, muss aber nun über ein todernstes Thema sprechen. Eigentlich ist sie ein positiv gestimmter Mensch, muss aber nun auch mal jammern und sich beklagen — denn es geht um eine Herzensangelegenheit: den Bereich „Palliativ“. Dies alles in einem Gespräch, zu dem das Hans-Herbst-Haus die Presse eingeladen hat. „Um wachzurütteln“, wie Emmermacher sagt.

Da sei zum einen immer noch viel Unkenntnis über „Palliative Therapie“. Doch auch wenn viele Menschen mittlerweile wissen, dass Palliativ-Versorgung nicht auf Heilung, sondern auf eine Schmerzlinderung abzielt, sei es ein unangenehmes Thema, das vorzugsweise ausgeklammert werde. „Oder haben Sie etwa eine Patientenverfügung?“, fragt Emmermacher den Pressevertreter. Eben.

Lieber Maut und Mindestlohn

Dieses Tabu zum Thema zu machen — darum kämpft Emmermacher, wohl wissend, dass es jeden treffen und betreffen kann. Der Umgang mit Todkranken sei nicht nur gesellschaftlich am Rand angesiedelt, auch die Politik widme sich eher der Maut oder diskutiere den Mindestlohn als über die letzte Station des Lebens zu sprechen.

„Es soll nicht der Eindruck entstehen, wir seien ein Sterbeheim“, betont Emmermacher im Gespräch mit der Presse. Denn während andere Heime sich gern öffentlichkeitswirksam nach außen so geben, als hätten sie einen Jungbrunnen im Garten und als würden alle Heimbewohner bei bester Verfassung und wohllaunig locker ihre 100 Lenze und mehr erreichen, beinhaltet das klare Bekenntnis zur Palliativ-Versorgung auch den banalen, aber doch allgemein ungeliebten Satz: Ja, auch bei uns im Haus wird gestorben.

Aber wie wird gestorben? Und was unterscheidet die Palliativ-Versorgung von dem „normalen“ Betrieb eines Pflegeheims? In dieser Phase wird die Betreuung intensivst. Der Bewohner kann oder will manchmal nicht mehr. Jetzt gilt es, ihm den letzten Wunsch zu erfüllen — und selten ist es nur ein einzelner.

Alles, nur nicht allein sein

Da ist etwa der Bewohner mit dem fortgeschrittenen Lungenkarzinom, den die Nahrungsaufnahme schmerzt. Nur Eis, so hat er festgestellt, geht. Also bekommt er Eis, wann immer er will. Gleichzeitig hat er das Bedürfnis, viel zu reden. Alles, nur nicht allein sein. Also muss immer jemand präsent sein. Im Hintergrund sind die Angehörigen, völlig überfordert mit der Situation. Papa war doch im Leben nicht krank. Auch sie brauchen nun einen Ansprechpartner.

„Alles wird jetzt möglich gemacht“, sagt Emmermacher. Diese Betreuung geht auch für das Personal an die Grenzen. „Das kann und will nicht jeder machen“, sagt die Leiterin. Daher braucht es stabile Mitarbeiter und eine entsprechende Fortbildung. Zuschüsse für die Ausbildung und für die Extrem-Versorgung: gleich Null. Unterstützung erhalten die Diakonie-Heime vom Hospiz-Verein Schwabach. Neben der Betreuung und der Fürsorge braucht es noch die medizinische Versorgung, die Ärzte. Und hier mangele es ebenfalls noch, denn auch sie müssten laut Emmermacher eine Zusatzqualifikation im Bereich Palliativ mitbringen.

Denn der übliche kurative Ansatz der Medizin kollidiere bisweilen mit dem rein schmerzlindernden Aspekt der Palliativ-Versorgung. Emmermacher berichtet, dass ein Arzt einer 80-Jährigen schwerstkranken Bewohnerin mit Atemnot kein Morphium verabreichen wollte. Das könne abhängig machen, lautete seine Begründung.

In Schwabach, so Emmermacher, gebe es derzeit nur einen einzigen Arzt, der eine Zusatzqualifikation für Palliativ-Versorgung erworben hat. Immerhin: Fachärzte mit dieser Zusatzqualifikation kommen seit kurzem aus Nürnberg vom SAPV-Team (Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung) nach Schwabach.

„Ein gutes Gefühl“

Am Ende des Presse-Gesprächs macht sich ein kurzes Schweigen breit. Es ist halt doch nicht die Maut und schon gar nicht der Jungbrunnen. Das will Anika Emmermacher aber ungern als Abschluss so stehen lassen. „Glauben Sie mir: Oft lachen wir gemeinsam mit den Kranken herzlich“, sagt sie. Die Begleitung Sterbender sei schließlich nicht immer nur Belastung. „Es klingt komisch“, meint Emmermacher, „aber manchmal gibt es auch ein schönes Sterben — und dann spüren wir die Dankbarkeit der Angehörigen. Ein gutes Gefühl.“ Ihr Team nickt kräftig. Klingt gar nicht so komisch.

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