Braucht man einen Mann?

22.2.2018, 15:40 Uhr
Braucht man einen Mann?

© Foto: Robert Schmitt

Fünf Frauen tauschen sich über die Bedeutung von Männern für ihr Leben aus. Bei GEDOK Franken nicht verwunderlich. Schließlich handelt es sich bei dem Verband um eine Gemeinschaft eigenständiger Künstlerinnen verschiedener Sparten aus ganz Nordbayern, die einen lebhaften Austausch pflegen und dank gegenseitiger Anregungen aktiv an vielseitigen Kunstprojekten teilnehmen.

Um ein solches handelte es sich bei der Diskussion, die jedoch eine ganz besondere war. Nicht nur als Teil des Begleitprogramms zur GEDOK-Jubiläumsausstellung im Stadtmuseum. Denn die fünf Frauen sind Schriftstellerinnen, die anhand eigener Texte starke Frauen verschiedener Epochen repräsentiert haben. Ein Projekt durchaus mit Risiken, das der Gruppe aber vorzüglich gelungen ist.

Jede nach ihrer Façon

"Jede Frau muss nach ihrer ganz eigenen Façon glücklich werden dürfen", lautete die Botschaft. Drei der Damen sind indes durchaus als Vorreiterinnen der emanzipatorischen Bewegung zu bezeichnen: Es sind gebildete und selbstbewusste Vertreterinnen einer gelebten Gleichberechtigung. Hauptgrund dafür ist offenbar stets ihre Herkunft.

Die Nürnberger Jazz-Pianistin Hildegard Pohl lieferte die passenden musikalischen Begleitstücke zu diesem Literatur-Salon der besonderen Art.

Helga Böhnke hatte es als Moderatorin mit hochinteressanten Gesprächspartnerinnen zu tun: Linde Unrein aus Schweinfurt trat als Daphne auf, eine Bergnymphe aus der griechischen Mythologie.

Ursula Bock aus Eckental verkörperte mit Berta von Suttner (1843- 1914) eine der wohl bekanntesten Pazifistinnen Europas. 1905 erhielt sie als erste Frau den Friedensnobelpreis.

Anita Tschirwitz aus Schwanfeld in Unterfranken vertrat die Malerin und Schriftstellerin Julia Virginie Scheuermann (1878-1942), eine vielseitige und sprachbegabte Künstlerin aus Frankfurt am Main, die zwei Mal verheiratet und Mitglied im Berliner Frauenclub von 1900 war.

Anita Magdalena Franz aus Egensbach bei Engelthal trat als Katharina von Bora (1499-1552) vor das Publikum, die Ehefrau Martin Luthers.

Dagmar Dusil aus Bamberg schließlich war in die Haut von Lou Andreas-Salomé (1861-1937) geschlüpft, einer weitgereisten Schriftstellerin, Essayistin und Psychoanalytikerin aus St. Petersburg, die mehrfach Heiratsanträge prominenter Vertreter des deutschen Geisteslebens abgelehnt und in Sachen Partnerschaft ein ganz und gar unkonventionelles Leben geführt hat. Den Heiratsantrag des Berliner Orientalisten Friedrich Carl Andreas nahm sie ausschließlich unter der Bedingung an, die Ehe sexuell niemals zu vollziehen, woran sie tatsächlich festhielt.

Vielfältige Lebensentwürfe

Das Quintett sollte Stellung nehmen zu der Frage: "Brauchen wir einen Mann zur Ergänzung oder um erfolgreich zu sein?"

Im Rahmen der fast szenischen Talkshow stellten sich die Damen vor, schilderten ihren familiären Rahmen sowie ihren Werdegang und kommentierten ihr Verhältnis zu Männern. Am klarsten konnten sich dabei Katharina von Bora und Berta von Suttner positionieren. Die eine hatte nach einer Kindheit im Kloster mit dem großen Reformator einen Ehemann gefunden, der ihr einen echten Lebenssinn geben konnte. "Ich habe einen Mann gebraucht, um an seiner Seite als Ehefrau und Mutter zu leben", stellte sie fest. "Familie ist etwas Wunderbares."

Die österreichische Friedensaktivistin Berta von Suttner hatte in dem sieben Jahre jüngeren Arthur von Suttner einen echten Seelenverwandten gefunden. "Wir verstießen gemeinsam gegen Regeln, hatten die gleichen Interessen und fühlten uns gleich berührt von Überlegungen zur Sicherung und Gestaltung des Friedens", erklärte von Suttner das Wesen ihres Gatten.

Lou Andreas-Salomé verkündete eine für Frauen durchaus hoffnungsfrohe Bilanz: "Ich habe mein eigenes Leben gelebt, ohne Folgen zu spüren." Biographen sehen die Ursache für diese innere Sicherheit und Unabhängigkeit in der glücklichen und anregenden Kindheit, die wohl auch ihre Souveränität im Umgang mit bedeutenden Männern begründete. Sie lebte in Göttingen mit Ehemann und dessen Geliebter unter einem Dach, kümmerte sich um das Kind aus dieser Beziehung und setzte die nichteheliche Tochter ihres Mannes als Haupterbin ein. Zugleich führte sie immer ein unabhängiges und reisefreudiges Leben.

Jenseits der Tradition

"Männer spielten in meinem Leben immer eine Rolle", räumt Julia Virginie Scheuermann unumwunden ein. Platonische Beziehungen waren dabei ganz und gar nicht ihr Ding. Trotz ihrer beiden Ehen und zahlreicher Liebesbeziehungen erfüllte sich ihr sehnlicher Wunsch nach einem Kind jedoch nicht. "Ich habe ein selbstbestimmtes Künstlerleben geführt", zog sie als Fazit. Dass sie nicht die Pfade eines traditionellen Frauenlebens beschreiten musste, das verdanke sie in der Hauptsache gewiss ihrem "wohlhabenden Elternhaus".

Rettung als Olivenbusch

Eine gänzlich pessimistische Lagebeschreibung männlichen Einflusses auf Frauen gab Daphne — nicht ohne die gegenwärtige "#MeToo-Bewegung" zu zitieren. Frauen haben also schon vor Tausenden von Jahren unter dem ungezügelten Verlangen der Männer gelitten. Samt Rückzug in die innere Emigration aufgrund verheerender seelischer Verletzung. Schließlich ist die schöne Nymphe von Gott Apollo so heftig bedrängt worden, dass man es als sexuelle Nötigung bezeichnen müsste. Ihren einzigen Ausweg sah sie in einer Metamorphose. Daphne verwandelte sich in einen Olivenbusch. "Seither habe ich meine Ruhe", sagt sie mit einem Gleichmut, in dem gewaltige Bitternis mitschwingt. "Nun bin ich mir selbst genug im Einklang mit mir und der Bergwelt."

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