„Das Vokalprojekt“ beeindruckte mit Auftritt in Schwabach

9.1.2016, 09:04 Uhr
„Das Vokalprojekt“ beeindruckte mit Auftritt in Schwabach

© Foto: Kaiser-Biburger/oh

Dieses Ensemble der absoluten Extraklasse füllte am ersten Sonntag des Jahres die evangelische Stadtkirche vollständig – nicht einmal in den Seitenschiffen war noch ein Sitzplätzchen zu finden.

Nicht von ungefähr versprach Ulrike Dehner-Reimann stellvertretend für die Kirchengemeinde St. Martin bei ihrem Neujahreswunsch mit diesem Konzert „ein Glanzlicht“. Sie sollte Recht behalten.

Die Werkauswahl steht unter dem Leitgedanken „Warte, Licht, warte!“. Untergliedert wird sie in „Schatten“, „Licht“ und „Himmel“. Damit wird klar, dass sich die a cappella gesungenen Werke unter der präzisen Leitung von Julian Steger als Ausdruck von tiefer Gottgläubigkeit verstehen.

Glockenreine Stimmen

Spürbar wird dies gleich zu Beginn in der doppelchörigen Motette von Heinrich Schütz „Ach Herr, straf mich nicht“ – ein Hilferuf im bis in die letzten Winkel des Gotteshauses tragenden Pianissimo. Glockenreine Stimmen und auffällig exakte Artikulation unterstreichen die Bedeutung der verwendeten Psalmen-Worte ebenso wie der ständige Wechsel von raschen und eher verhaltenen Tonpassagen. Das natürliche Empfinden für die entsprechende Dynamik der einzelnen Textzeilen erhöht in dieser Interpretation die Expressivität des Gesamtwerks.

Fließende Lockerheit

Ein hohes Maß an Konzentration wird vom Chor in dem für Johann Sebastian Bach so typisch schwungvollen Satz seiner Motette „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ abverlangt. Einer reich kolorierten Fuge gleich, übernehmen die einzelnen Stimmgruppen das Motiv in ungemein fließender Lockerheit, um im abschließenden Choral klar die zentrale Botschaft zu intonieren: „O Herr, durch dein Kraft (mache) uns bereit…, durch Tod und Leben zu dir (zu) dringen“.

Chorleiter Steger, in seinem Dirigat erkennbar ein Schüler von Karl-Friedrich Beringer, fordert  am Ende kein lautes, sondern ein vertrauensvolles Halleluja, das im Kirchenraum leise verhallt.

Diese Stimmung vermittelt auch die achtstimmigen Motette von Max Reger nach einem Text von Matthias Claudius. Ganz leise hebt der Chor zur Anfangszeile „Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit“ an, um in einem sorgsam gestaffelten Crescendo zu einer stets gemäßigten Klangfülle zu gelangen, die letztlich in geschlossener und überzeugend kraftvoller Interpretation die Hoffnung verkündet: „Es ist nur einer ewig … und wir in seinen Händen.“

Aus dieser Thematik heraus leitet das einfühlsame Orgelspiel von Karl Franz mit der Passacaglia in d-Moll von Dietrich Buxtehude instrumentell über zum Licht-Gedanken: Zunächst hört man eine gedeckt-zurückhaltend erklingende Orgel, die dann zu einem opulenten Festtagsklang heranwächst.

Uraufführung mit Komponisten

So eingestimmt erlebt das Publikum im Beisein des Komponisten Holmer Becker die Uraufführung seines Chorwerks „Jesus und die Pharisäer“. Zugrunde gelegt sind hierfür Worte des spanischen Friedensnobelpreisträgers Juan Ramón Jiménez und aus dem Johannes-Evangelium. Spannungsvolle Momente, Tempo-Wechsel, enge Tonschritte moderne Harmonien, aber auch schwierige Intervallsprünge werden von den Sängerinnen und Sängern in so exzellenter Exaktheit und einzigartiger Akkuratesse der Betonung ausgeführt, dass der in Neumarkt lebende Komponist am Ende sichtlich freudig bewegt strahlt.

Perfekte Synchronität

Vertieft wird diese Licht-Thematik mit dem vierstimmigen Satz von Beckers Kompositionslehrer Gottfried Müller, in dem Jesus Christus mit einem Licht verglichen wird. Stets abgesetzte Verszeilen, dabei das zentrale Wort des Lichtes betonend, überzeugt der Chor durch seine perfekte, synchron abgestimmte Interpretation, die Julian Steger ganz in seiner Tradition als ehemaliger „Windsbacher“ einfordert.

Abgerundet wird dieser Teil mit dem von Ehrfurcht geprägten Chor „Morgengesang“ von Max Reger, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt. Hier verschmilzt die Reinheit der Frauenstimmen mit den sonoren Bässen.

Die Überleitung zum dritten Teil des Konzerts übernimmt wieder Karl Franz. Eigens für dieses Konzert hat er ein Orgelstück, die „Air mélancolique“, geschrieben. Der kreative Schwabacher Komponist zieht darin alle klanglichen und kompositorischen Register: vom Dunkel der Basstöne hin zu tänzerischen Rhythmen, um in einem heraufziehenden Klang-Gewitter einen Höhepunkt zu finden und mit lieblichen Melodien das dreiteilige Werk ausklingen zu lassen.

Nach solch einem instrumentellen Feuerwerk schließen sich die wunderbaren achtstimmigen Motteten von Heinrich Schütz „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ und der stille Jubel „Am Neujahrstage“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy an.

Schlicht und einprägsam

Den Abschluss bildet Arvo Pärts Motette „Which was the Son of…“, in der auf die Vorfahren Jesu geblickt wird. Schlicht und einprägsam im Wechsel zwischen  satten Bässen und einzelnen Stimmgruppen wird diese Erkenntnis musikalisch nachhaltig, aber vollkommen unprätentiös vermittelt.

Am Ende ist sich das Publikum einig: ein einzigartiges Konzert. 

www.dasvokalprojekt.de

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