Der Jäger der Nacht kommt auf leisen Pfoten

21.11.2014, 15:31 Uhr
Der Jäger der Nacht kommt auf leisen Pfoten

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Der Jäger der Nacht kommt auf leisen Pfoten

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Es ist der Baldrian. Was bei vielen Menschen zu leichtem Naserümpfen führt, ist für Katzen unwiderstehlich. Für Hauskatzen ebenso wie für Wildkatzen.

Das macht sich der Bund Naturschutz schon seit einigen Jahren zunutze. Überall dort, wo kleine Populationen der fast ausgestorbenen Wildkatze vermutet werden, versuchen die Experten mithilfe von Lockstöcken den Nachweis. Denn zu sehen bekommt man den extrem seltenen und extrem scheuen Jäger der Nacht kaum einmal.

Die Stöcke werden in den Waldboden gerammt und mit Baldrian besprüht. Die Katzen reiben sich an den hölzernen Stöcken und verlieren einige Haare. Die werden mittels Lupe und mithilfe einer Pinzette vom Stock entfernt, in eine kleine Plastiktüte gepackt und regelrecht kriminalistisch untersucht. Denn erst die Gen-Analyse gibt Gewissheit, ob das Katzenhaar von den meist aus Ägypten abstammenden Hauskatzen stammt, welche die Römer vor 2000 Jahren nach Europa gebracht haben. Oder ob es sich tatsächlich um einen ganz seltenen Vertreter eines Ur-Europäers handelt, der Wildkatze.

Auf den ersten Blick ist die Wildkatze kaum von ihrem Verwandten, der grau getigerten Hauskatze, zu unterscheiden. Sie ist etwas größer. Ihr Fell ist etwas bräunlicher, die Zeichnung eher verwaschen. Und: Ihr Gesicht ist weniger filigran, eher gedrungen.

Große Vorkommen der Wildkatze hat es vermutlich nie gegeben. Der Einzelgänger braucht ein sehr großes waldreiches Revier. Das seltene Tier war aber bis weit ins 20. Jahrhundert hinein beliebtes Abschussobjekt im Wald. In den 1980er Jahren war die Wildkatze in Bayern ausgerottet.

Auswilderungsprogramm

Der Bund Naturschutz nahm sich der bedrohten Art an und startete, ähnlich wie beim Biber in den 1960er Jahren, die Wiedereinbürgerung. Bis 2009 wurden vor allem im Spessart über 600 von Hand aufgezogene Wildkatzen wieder ausgewildert. In den vergangenen Jahren wanderten Katzen auch aus Thüringen und Sachsen-Anhalt, wo es noch kleine Populationen gab, wieder Richtung Süden.

Der Spessart, die Rhön und die Haßberge galten zunächst als die einzigen sicheren Wildkatzenvorkommen in Bayern. Doch 2013 gab es dann nördlich von Schwabach, in der Brünst, den ersten Nachweis. Der konnte 2014 an zwei weiteren Lockstöcken ganz in der Nähe bestätigt werden. Mehr noch. Auch in einem unwegsamen Waldgebiet zwischen Leuzdorf und Rohr sowie im Dechenwald südlich der A 6 wurden an Lockstöcken Haare von Wildkatzen gefunden.

Ob es sich um die „Schwabacher Katze“ handelt oder um ein anderes Tier, das steht noch nicht fest. Dr. Ralf Straußberger, Waldreferent des Bund Naturschutz und „Lockstockbetreuer“ beim BN, kann sich gut vorstellen, dass eine Wildkatze durchaus von der Brünst bis nach Leuzdorf wandert. Ob sie es allerdings auch über die Autobahn bis in den Dechenwald schafft, ist eher unwahrscheinlich. Man habe es also möglicherweise mit zwei Tieren zu tun, so Straußberger.

So schön die Nachweise für die Wildkatze in Schwabach und im nordwestlichen Landkreis sind, der BN musste auch einige Rückschläge hinnehmen. Im Heidenberg, im Abenberger Wald, nördlich von Wendelstein, zwischen Wendelstein und Schwanstetten, bei Allersberg, nördlich von Heideck, rund um Stauf (bei Thalmässing) und nahe Greding wurde mit Unterstützung der Jäger und der Forstmitarbeiter in großen, zusammenhängenden Waldgebieten nach der Wildkatze gefahndet – bislang vergeblich. BN-Kreisvorsitzender Michael Stöhr geht davon aus, dass es die Katze im südlichen Landkreis auch noch nicht gibt. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Schon einen Steinwurf von der Landkreisgrenze entfernt – nahe Seligenporten, östlich von Greding und nahe Eichstätt – gibt es bereits sichere Nachweise.

Damit der nachtaktive und extrem scheue Jäger von Wald zu Wald wandern kann, will der Bund Naturschutz Land pachten und kaufen und Korridore errichten, deutschlandweit bis zu 25 000 Kilometer. „Wildkatzensprung“ heißt das Programm. „Das ist natürlich eine Generationenaufgabe“, sagt Michael Stöhr, der Vorsitzende des BN-Kreisverbandes Roth. Von den Korridoren würden nicht nur Wildkatzen profitieren, sondern auch Kleinsäuger, Käfer und andere Insekten. „Die Wildkatze ist gewissermaßen die Leitart für dieses Riesenprojekt“, erklärt BN-Geschäftsführer Richard Radle. Ähnlich wie es die blauflügelige Ödlandschrecke für die Sand-Achse war und ist.

Ob die Wildkatze, die in erster Linie Mäuse und (kranke) Vögel jagt und deshalb nicht in Konkurrenz zum Menschen steht, weiter in Richtung Süden wandert, wird man frühestens in einigen Jahren wissen. Der Bund Naturschutz setzt die aufwändigen Nachweise mittels der Lockstöcke aus. „Was wir wissen wollen, haben wir jetzt ja erfahren. Wir wollen unsere vielen freiwilligen Helfer nicht über Gebühr belasten“, erklärt Ralf Straußberger. Eine Neuauflage wird es deshalb wohl erst in einigen Jahren geben.

Größter Feind: Der Mensch

Übrigens: Größter Feind der streng geschützten Wildkatze ist nach wie vor der Mensch beziehungsweise sein liebstes Kind, das Auto. Autobahnen und Bundesstraßen sind die größten Hindernisse für die Katze auf ihrem Weg Richtung Süden. Der Kampf für die Wildkatze ist für Michael Stöhr deswegen auch ein Plädoyer gegen immer neue und immer größere Straßen. Und wo es die schon gebe – sprich Autobahnen –, da müsse der Mensch mehr tun, um Tiere zu schützen. „Grünbrücken“ und kleine Tunnel seien Beispiele dafür.

Schätzungen zufolge gibt es in ganz Deutschland nur etwa 5000 bis 7000 frei lebende Wildkatzen (nicht zu verwechseln mit verwilderten Hauskatzen). In Bayern war das nachtaktive Tier in den 1980er Jahren ausgestorben. Dank Zuwanderung aus Thüringen und dank Auswilderungen sollen im Freistaat inzwischen wieder zwischen 200 und 250 Tiere heimisch sein, eines oder zwei davon auch im Raum Schwabach/Rohr. Um die schrittweise Ausbreitung der Wildkatze zu fördern, hat der Bund Naturschutz Deutschland das Projekt „Wildkatzensprung“ ins Leben gerufen, durch das Verbindungen von Wald zu Wald geschaffen werden sollen. Unterstützt wird der BUND mit Geld aus dem Bundesamt für Naturschutz (BfN).

In Bayern wurde die Erfassung von Wildkatzen zwar vom Bund Naturschutz geleitet, aber auch vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Mitteln aus der Jagdabgabe unterstützt.

Neben den „Waldverbindungen“ entsteht derzeit auch eine deutschlandweite Gendatenbank für die Wildkatze. Sie soll Aufschluss über Wanderbewegungen, Verwandtschaftsverhältnisse und den Grad der Isolierung der verschiedenen Populationen geben.

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