Der Meister der Stille

17.10.2016, 20:00 Uhr
Der Meister der Stille

© Ingrid Biegel-Kraus

Die Zuhörer, die den kleinen Raum fast überfüllten, schienen sie zu spüren, denn es war mäuschenstill, als er sich auf den Stuhl setzte, wobei er sich viel Zeit nahm und sich innerlich auf seinen Auftritt vorbereitete.

Nachdem er ein paar leise Worte gesprochen hatte, begann er die getragene Prelude zu Fernando Sors Opus 9, die Variationen über „Es klinget so herrlich“ aus Mozarts Zauberflöte. Auch hier war die Stille nie weit entfernt und bereits hier geriet man in den Bann der klaren, zauberhaften Tonfarben. Eine Pause, dann erklang Mozarts fröhliche Melodie.

Mit den darauffolgenden, immer schnelleren und virtuoseren Variationen war es zum ersten Mal offensichtlich, dass dieser junge, bis jetzt unbekannte Gitarrist eine außerordentliche Begabung besitzt, auf einem Niveau, das man nur auf den großen Konzertbühnen erlebt.

Nach einem zehnjährigen Musikstudium macht er jetzt seine ersten Schritte auf der Laufbahn eines Konzertgitarristen und man wird mit Sicherheit in den kommenden Jahren viel von ihm hören, nicht nur auf lokaler Ebene.

Schon nach dem ersten Stück war es für alle deutlich geworden, dass er sein Instrument technisch überragend beherrschte. Er wollte vielmehr zeigen, dass er auch die zärtliche und sanfte Seite der Gitarre und ihre emotionalen Möglichkeiten ausdrücken konnte. Leicht hätte er ein Konzert aus virtuosen Schaustücken präsentieren können. Aber es ist bewundernswert, dass seine Auswahl nicht den Zweck hatte, die Zuhörer zu beeindrucken, sondern sie auffordern wollte, die Fülle und Tiefe des Gitarrenrepertoires zu erleben.

Sein zweites Stück war eine Tremolo-Etüde von E. Sainz de la Maza: „Campanas del alba“. Auch hier hätte fast jeder andere Gitarrist die populären Recuerdos von Tárrega bevorzugt, mit der Sicherheit, dass dies allen gefallen würde. Stattdessen riskierte er es, ein unbekanntes Werk zu präsentieren.

Der Brückenbauer

Noch mehr: Anschließend lud er sein Publikum ein, mit ihm eine gänzlich andere musikalische Welt zu betreten, indem er ein eigenes Stück vortrug, eine Bearbeitung eines anatolischen Volkslieds. Die musikalische Sprache spiegelte viele Aspekte der türkischen Musik wider, mit Passagen, die an den Klang der Saz angelehnt waren und nicht unserem vertrauten Dur und Moll entsprachen, sondern mit anderen Tonleiterformen, etwa der phrygischen, die uns eher exotisch oder fremd vorkommen.

Trotzdem gelang es ihm, eine Brücke zu bauen zwischen der türkischen und der abendländischen Musik. Den Entschluss, türkische Musik in sein Programm einzubeziehen, mag man als ein Symbol für die friedliche Symbiose zwischen Christen und Muslimen ansehen.

Ozan Coşkun wollte offensichtlich das Publikum mit einem Ohrwurm in die Pause schicken, mit einem Stück, das seine technische Brillianz bestätigte, den Asturias von Isaac Albéniz, ursprünglich für Klavier geschrieben.

Nach einer so starken und beeindruckenden ersten Hälfte, wie konnte die zweite Hälfte noch gesteigert werden? Im KaKuze machte man die Erfahrung, dass die Pausen meist die vorgesehene Zeit überschreiten, und es braucht etwas Arbeit, um die Zuhörer wieder an ihre Plätze zu bringen. Aber diesmal waren sie — wie erbeten — bereits zehn Minuten später wieder zurück.

Überraschender Auftritt

Aus den Stücken der zweiten Hälfte ist insbesondere das große Konzertstück von Rodrigo zu erwähnen, das mit seinen schrägen Dissonanzen und zackigen Rhythmen kein „easy listening“ ermöglichte; aber alle waren so aufmerksam wie bei den vorherigen Stücken.

Als letzte Darbietung kam eine Überraschung: Ozan Coşkun bat seinen Vater, der Ozan als erster in die Musik einführte und selbst mehrere Instrumente der türkischen Folklore beherrscht, auf die Bühne, und zusammen spielten sie noch eine seiner Eigenkompositionen. Der begeisterte Applaus ließ sogar nach der dritten Zugabe nicht nach. In den Worten Christian Stuhlfauths aus dem KaKuze-Vorstand: „Es gibt Musik, die hört man und vergisst sie. Es gibt Musik, die findet man schön. Und es gibt Musik, die berührt das Herz und die Seele.“ Er sprach für alle, wenn er sagte: „Diese Musik heute Abend hat meine Seele berührt.“