Der quälende Moment sympathischer Schwäche

25.10.2014, 09:27 Uhr
Angela Merkel, ihr Mobiltelefon und die ganze NSA-Affäre, ...

© dpa Angela Merkel, ihr Mobiltelefon und die ganze NSA-Affäre, ...

Hier geht's zum You-Tube-Video mit Angela Merkel und dem F-Wort

Selbstverständlich benutzen kultivierte Leute wie Sie und ich und natürlich die Kanzlerin F-Wörter nie und zu keiner Zeit. Vor allem dieses wunderbar einprägsame mit den vier Buchstaben, das auch im anglo-amerikanischen Sprachraum geläufig ist, hat noch keiner von mir gehört. Nicht mal, wenn mein Computer spinnt — fragen Sie meine Kollege oder die Fußgänger, die am Fenster vorbei laufen.

Wenn man so darüber nachdenkt, ist es erschreckend, wie viele F-Wörter es gibt, die etwas unterhalb der Schwelle zum guten Geschmack angesiedelt sind. Die würde aber eine Kanzlerin vor tausend Leuten und laufenden Kameras bei einem bundesweiten IT-Kongress ohnehin besser für sich behalten.

Das „Festnetz“ aber gehört nicht zu dieser Gattung „F-Wörter“. Und ausgerechnet dieses ganz und gar harmlose Wörtchen ist ihr vor all den Experten auf dem Weg vom Sprachzentrum zu ihren Lippen in einem synaptischen Spalt hängen geblieben. Wem auf einer IT-Tagung solch ein Missgeschick bei der Datenübertragung unterläuft, dem ist der Spott der Netzgemeinde sicher.

Auch meine erste Reaktion auf das Video, ich räume es ein, war nicht ganz frei von Hohn. Schließlich habe ich mit Angela Merkel noch eine Rechnung offen.

... da kann so etwas wie das Festnetz schon mal in Vergessenheit geraten.

... da kann so etwas wie das Festnetz schon mal in Vergessenheit geraten. ©  Marc Müller (dpa)

Regelmäßige Leser dieser Kolumne — ich tue jetzt einfach mal so, als seien das ganz unglaublich viele — erinnern sich vielleicht vage an meine traumatische Begegnung, als ich als junger Mensch mit der damaligen Umweltministerin eine kleine Meinungsverschiedenheit über Inhalt und Form eines Artikels hatte. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war das nicht. Frau Merkel war ihr Verhalten offenbar selbst so peinlich, dass sie sich seitdem nicht mehr bei mir gemeldet hat.

Aber spätestens seit Mittwoch gilt: Schwamm drüber. So sympathisch wie in diesem ungewohnten Moment klitzekleiner Schwäche war sie mir noch nie.

Haben Sie gesehen, wie sie ihren Aussetzer überspielt hat? Ganz locker, absolut schlagfertig und hinreißend charmant. Und raffiniert obendrein:

Statt vor Scham hinterm Rednerpult zu versinken, führte sie zwei Herren vor: Zuerst wusste Telekom-Chef Hötges das F-Wort auch nicht mehr, obwohl er es doch in seiner Rede davor selbst betont hatte. Unglaublich, aber nicht überraschend: Wann hilft die Telekom schon, wenn man Fragen hat?

Anschließend ließ Angie den „Alexander“ wie einen pennenden Pennäler aussehen. Denn Dobrindt hatte offenbar gar nicht zugehört. Wahrscheinlich war er in Gedanken bei seiner so wichtigen Maut und hat gegrübelt: Soll ich sie auch auf Datenautobahnen erheben? Oder doch nur am 1. April in Sackgassen?

Nicht mal auf den Publikumsjoker konnte sich Merkel verlassen. Die Leute haben nur laut gekichert statt diskret souffliert. Doch dann kam ihr nach unendlichen Sekunden doch noch der Geistesblitz: FESTNETZ! In diesem Moment ist ihr eine Festplatte vom Herzen gefallen.

Vor allem aber war es köstlich, wie Merkel mal wieder die Männer zu Deppen gemacht hat. Das tat mir gut. Ich bin nicht mehr allein. Und deshalb finde ich die Kanzlerin jetzt einfach..., also ich finde sie einfach... – Himmel, jetzt ist mir doch glatt das F-Wort entfallen — Moment, es ist ein ganz einfaches — Wo hab’ ich denn die Service-Nummer der Telekom? — Die Kanzlerin ist einfach... — und der Alexander ist auch nicht da, zu dumm, da muss ich jetzt ganz alleine ...— FANTASTISCH. Klar, unsere Kanzlerin ist einfach fantastisch. Wie ich das jemals vergessen konnte!

Keine Kommentare