Die Lösung: Rednitzhembacher Verhältnisse

10.12.2017, 06:00 Uhr
Frau Merkel, lesen Sie bitte ganz genau: Jürgen Spahl (li.) führt schon seit vielen Jahren in Rednitzhembach eine gut funktionierende Minderheitsregierung. Auch als Außenpolitiker - hier mit dem kirgisischen Botschafter Tolendy K. Makeyev - macht er eine ganz gute Figur. Nur für den Fall, dass der Herr Gabriel bald ausgedient haben sollte.

© oh Frau Merkel, lesen Sie bitte ganz genau: Jürgen Spahl (li.) führt schon seit vielen Jahren in Rednitzhembach eine gut funktionierende Minderheitsregierung. Auch als Außenpolitiker - hier mit dem kirgisischen Botschafter Tolendy K. Makeyev - macht er eine ganz gute Figur. Nur für den Fall, dass der Herr Gabriel bald ausgedient haben sollte.

Kürzlich hat Kollege rog an dieser Stelle die "Schwabacher Ampel" als Alternative für die Bundespolitik ins Gespräch gebracht – also eine Koalition aus SPD (rot), Linken (rot), FDP (geld, äh, gelb) und Grünen (grün). Mit doppelter Rotphase, wie an der Ampel in der Schwabacher Zöllnertorstraße. Leider hat niemand auf uns gehört.

Aber so schnell lässt sich das Schwabacher Tagblatt nicht davon abbringen, mit grenzgenialen Einfällen die große Politik durcheinander zu wirbeln. Zuletzt wurde viel gejammert über die neuerdings im Bundestag zu findenden "italienischen Verhältnisse". Sprich: viele kleine Parteien, keine stabilen Mehrheiten und als Folge, die bei uns noch nicht eingetreten ist, ständige Regierungswechsel.

In Abwandlung eines bekannten Fußball-Zitats könnte man auch sagen: 22 Parteien jagen nach der Macht und am Ende gewinnt immer die Mafia. Für Deutschland muss man jetzt nur noch "Mafia" mit "AfD" austauschen und schon hat man die Ergebnisse der letzten paar Wahlen zusammengefasst. Italienische Verhältnisse eben.

Wir verwehren uns allerdings gegen ein solch negative Sichtweise! Von uns kommt nur konstruktive Kritik. Also: Wie wäre es denn, wenn wir von "Hembacher Verhältnissen" sprächen?

Die beschauliche Gemeinde Rednitzhembach hat zwar nur fünf Fraktionen im Gemeinderat sitzen, nicht sechs wie im Bundestag. Aber Bürgermeister Jürgen Spahl gehört keiner der beiden starken Fraktionen (CSU und SPD) an. Als Parteiloser führt er sozusagen eine Minderheitsregierung und sucht sich von Fall zu Fall neue Mehrheiten. Und jetzt bitte die Ohren spitzen, Frau Merkel: Das funktioniert.

Ich hatte jüngst das Vergnügen, zum ersten Mal eine Sitzung des Hembacher Gemeinderats mitzuerleben. Der Haushalt wurde verabschiedet. Ich erwartete selbstverständlich Sodom und Gomorrha. Wenn’s um Geld geht, kennen Politiker keine Freundschaft, dachte ich.

Der Vertreter der CSU begann mit einer Lobrede auf Bürgermeister Spahl und seinen Haushalt. Na gut, die CSU hat Spahl schließlich mit gewählt. Die Vertreterin der SPD legte nach mit einer Lobrede auf Bürgermeister Spahl und seinen Haushalt. Aha, dachte ich, GroKo ist hier auch kein Fremdwort. Als nächstes kam der Vertreter der Grünen dran, er äußerte zunächst leise Kritik (tatsächlich!), bedankte sich dann aber artig bei Bürgermeister Spahl für seinen Haushalt und sicherte die grüne Unterstützung zu.

Ich war verdutzt. Wo sind hier die Quertreiber? Die Fraktion "Neutraler Block/Parteilose Wähler" unterstützte ebenfalls und erwartungsgemäß "ihren" Bürgermeister, die Freien Wähler genauso. Die ganze "Debatte" um den Haushalt hat nicht länger als eine halbe Stunde gedauert.

Es bleiben Fragen: Ist dieser Spahl wirklich so gut? Können die Gemeinderäte mit Konflikten nicht umgehen? Oder hat Rednitzhembach so viel Geld, dass selbst streitbare Lokalpolitiker einfach nicht mehr wissen, wohin damit?

Wie dem auch sei, wieder einmal können die großen Bundespolitiker nur lernen von unseren regionalen Musterbeispielen. Es ist kinderleicht, eine Minderheitsregierung zu führen. Es müssen nur alle Parteien einer Meinung sein.

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