Dschungelcamp darf nicht der Maßstab sein

2.2.2012, 08:33 Uhr
Dschungelcamp darf nicht der Maßstab sein

© wgö

Bei Sekt, Wein und Orangensaft gaben sie alle sich ein Stelldichein im evangelischen Gemeindezentrum und erörterten in persönlichen Gesprächen aktuelle und grundsätzliche Anliegen. Mit von der Partie waren auch Oberbürgermeister Matthias Thürauf, Bundestagsabgeordneter Michael Frieser, Bezirksrat Peter Daniel Forster, die Altbürgermeister Rosy Stengel und Hermann Stamm, Stadtrats-Fraktionschef Detlef Paul und viele CSU-Stadträte.

Einen ganz speziellen Hauptredner hatte sich die CSU in diesem Jahr ausgesucht: Kein aktiver CSU-Politiker trat ans Rednerpult, sondern der Geschäftsführer der Nürnberg-Messe und langjährige Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg, Roland Fleck. Und was die CSU erhofft hatte, trat auch ein: Fleck nahm kein Blatt vor den Mund und redete Klartext – viel klarer vermutlich, als das ein aktiver Amts- und Mandatsträger könnte.

Eine ebenso schonungslose wie kurzweilige „Analyse des Zustandes von Staat und Gesellschaft“ nahm Fleck vor und schloss eine eindringliche Mahnung zur Vernunft an. „Was ist eigentlich los bei uns? Der Bundestag muss ein Gesetz verabschieden, in dem unter anderem steht, dass die Angestellten der Pflegeversicherung respektvoll mit Patienten umgehen“, so Fleck.

Medienschelte

Auch die Medien kritisierte Fleck: Die „dekanteste Show Deutschlands“, das RTL-Dschungelcamp werde über Wochen hinweg zum „Alpha-Thema“ gemacht. Die deutsche Öffentlichkeit lasse sich vorgaukeln, die „nach oben offene Ekelskala des RTL-Dschungelcamps und die Frage, ob Christian Wulff ein Doppelzimmer oder wegen des Babys eine Suite bewohnt hat, seien wichtige, zukunftsweisende Themen.“

Gleichzeitig leisteten sich immer mehr Deutsche den Luxus, „zu glauben, gegen alles sein zu können, was verantwortungsvolle Politik vorschlägt für den Erhalt und die Modernisierung der Infrastruktur“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel werde oft vorgeworfen, ihr „Merkelismus“ lasse die Politik erkalten und sei orientierungslos, so Fleck. Aber gerade in der Euro-Staatsschuldenkrise habe Merkel genau richtig gehandelt und einen gewaltigen Wirtschaftsaufschwung eingeleitet.

Abschließend mahnte Fleck: „Wir müssen das Koordinatensystem wieder geraderücken. Wenn wir nicht bald wieder die richtigen und wirklich wichtigen Themen setzen, werden wir uns massiv umschauen; denn weltweit sind zig Millionen Menschen bereit, alles zu geben, um die Zukunft in ihrem Sinn zu gestalten.“

Mit 1,1 Millionen Besuchern und 25700 Ausstellern bei beachtlichen Wachstumsraten gehöre die Nürnberg-Messe zu den größten Messestandorten in Deutschland, hatte der CSU-Landtags-Fraktionsvize Karl Freller den Gast zuvor begrüßt. Freller verwies auf den Länderfinanzausgleich, der in der jetzigen Form ungerecht für Bayern, die gesamte Bevölkerung und die Wirtschaft sei. „Wir zahlen 3,66 Milliarden Euro, mehr als die Hälfe des gesamten Finanzausgleichs. Allein Berlin bekommt drei Milliarden Euro heraus“, so Freller. Die Grenze der Solidarität sei erreicht, da sich die Empfängerländer Wohltaten leisten könnten, die Bayern seinen Bürgern versagen müsse. „Der Finanzausgleich muss Anreize bieten, selber aus der Empfänger-Rolle herauszukommen“, forderte Freller.

Geberland Bayern

Bayern hat das geschafft: Jahrzehntelang war der Freistaat landwirtschaftlich geprägtes Nehmerland. Inzwischen ist Bayern als wirtschaftlich stärkstes Bundesland das Zugpferd im Bund – und im Länderfinanzausgleich.

Die guten Chancen der Metropolregion Nürnberg thematisierte der Bundestagsabgeordnete Michael Frieser in seinem Grußwort, ehe Ortskreisvorsitzender Wolfram Göll dem Referenten Roland Fleck für seine offenen und klaren Worte dankte und einen deftigen Brotzeitkorb als Dankeschön für sein Kommen überreichte.

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