Ein Schwabacher für gleich zwei Nationalteams

11.8.2018, 05:58 Uhr
Ein Schwabacher für gleich zwei Nationalteams

© Foto: Privat

Angefangen mit dem Fußballspielen hat Joel Nißlein als kleiner Knirps beim TSV Katzwang. Später brachte es der Enkel von Club-Legende Paul Derbfuß in der A-Junioren-Bayernliga des SC 04 Schwabach beziehungsweise in der damaligen Landesliga-Vollmannschaft zu bescheidenem regionalen Ruhm. Doch der heute 31-Jährige, der in Limbach aufgewachsen ist und der seit einigen Jahren in Berlin lebt, hat die Fußballschuhe längst an den Nagel gehängt. Buchstäblich. Denn Nißlein spielt jetzt nur noch barfuß. Er ist Mitglied der Deutschen Beachsoccer-Nationalmannschaft und gleichzeitig derzeit bester Footvolley-Spieler Deutschlands. Ein Anruf in Berlin bei dem diplomierten Kinder- und Jugendtherapeuthen.

Hallo Herr Nißlein, was ist da los? Sechs Spiele in der Beachsoccer-Nationalmannschaft, und noch kein Tor, und das als Stürmer. Haben Sie Ladehemmung?

Nißlein: Die Statistik ist veraltet. Kürzlich haben wir in Marokko an einem Vier-Länder-Turnier teilgenommen. Wir haben zwar nur ein Spiel gewonnen, aber ich habe fünf Buden gemacht. Fünf Tore in jetzt acht Länderspielen: Die Quote ist deutlich besser geworden.

Beachsoccer steht ja nicht unbedingt im Fokus der Medien. Wie sind Sie dazu gekommen?

Nißlein: Ich war ja als Jugendlicher ganz talentiert, als wir mit den A-Junioren der Nullvierer in die Bayernliga aufgestiegen sind. Kaum war ich zu den Erwachsenen gewechselt, hat mich aber das Pfeiffer’sche Drüsenfieber erwischt und ein Jahr lang auf Eis gelegt. Während meines Psychologie-Studiums zuerst in Erlangen und dann in Berlin bin ich 2009 mit Beachsoccer in Berührung gekommen. Das wurde damals als Uni-Sport angeboten. Das hat mich von Anfang an fasziniert.

Vom Kicken im tiefen Sand bis zur Nationalmannschaft ist es aber ein weiter Weg.

Nißlein: Naja, so groß ist die Szene in Deutschland ja noch nicht. Aber seitdem Beachsoccer unter dem Dach des DFB angesiedelt wurde, gibt es professionellere Strukturen. Wir haben jetzt einen gut organisierten Liga-Spielbetrieb und am nächsten Wochenende vom 17. bis 19. August auch das "Final Four" um die Deutsche Meisterschaft am Strand in Warnemünde.

Und Sie sind selbstverständlich dabei.

Nißlein: Stimmt. Ich bin ja Spielertrainer bei der Beachsoccer-Mannschaft von Hertha BSC. Die Saison lief für uns bestimmt nicht optimal, aber immerhin haben wir uns noch auf den vierten Platz gerettet. Damit treffen wir im Final Four am nächsten Wochenende auf den Ersten der Runde, die Rostocker Robben.

Chancen?

Nißlein: Alle vier Teams sind annähernd gleich stark. Da kommt es auf Kleinigkeiten an. Chancenlos sind wir nicht.

Auf internationaler Ebene hört man vom Beachsoccer nicht viel, obwohl der Sport sehr spektakulär ist.

Nißlein: Deutschland gehört nicht zur Weltspitze. Es gibt international eine A-Gruppe und eine B-Gruppe. Deutschland gehört zur A-Gruppe. Wir laufen aber ständig Gefahr, in die B-Gruppe abzusteigen.

Woran liegt’s? Zu wenig Strand in Deutschland?

Nißlein: Nein, das nicht. Die Trainingsmöglichkeiten zumindest im Sommer sind schon o.k. Aber in Deutschland gibt es in dieser Sportart nur Amateure, in anderen Ländern sind schon Profis am Werk, die mit Beachsoccer ihren Lebensunterhalt verdienen können. Wir dagegen müssen Geld mitbringen. Im Winter müssen wir die Hallen-Trainingszeiten zumindest zum Teil aus eigener Tasche finanzieren. Das ist, gerade hier in Berlin, nicht billig.

Der deutsche Beachsoccer-Bundestrainer Matteo Marrucci sagt, dass Beachsoccer Extremsport ist. Ist das nicht arg hoch gegriffen?

Nißlein: Es ist zumindest extrem anstrengend. Ein Spiel dauert dreimal zwölf Minuten. Wenn du zwei Minuten lang im Vollsprint im tiefen Sand den Platz rauf und runtergelaufen bist, dann weißt du, was du gemacht hast. Deshalb gibt es bei uns einen fliegenden Wechsel. Fünf Mann sind auf dem Platz, fünf halten sich auf der Bank bereit. Ansonsten wäre das nicht durchzuhalten.

Sie betreiben ja nicht nur Beachsoccer, sondern auch noch das so genannte Footvolley. Was ist das denn das für ein Sport?

Nißlein: Vereinfacht gesagt: Es ist so ähnlich wie Beachvolleyball, nur wird der Ball nicht mit den Händen über das Netz befördert, sondern mit Füßen, Kopf oder Schulter. Fußball-Tennis im tiefen Sand, sozusagen. Ach ja: Und das Netz hängt natürlich nicht ganz so hoch wie beim Beachvolleyball. Footvolley ist für mich eine wunderbare Fußball-Variante, die ohne großen Personal- und Materialaufwand auskommt. Vier Leute, ein Ball, ein Netz oder eine Schnur, und los geht’s. Die entspannte Atmosphäre ist hier besonders schön.

Auch in dieser Sportart sind Sie für Deutschland im Einsatz.

Nißlein: Stimmt. Footvolley nimmt in meinem Sportlerleben sogar immer mehr Raum ein. Ich war mit meinem Partner Mo Obeid zweimal Deutscher Meister, 2017 und 2018. Wir waren Vierter bei der WM 2016 und waren schon dreimal bei einer EM dabei. Anders als das explosive Beachsoccer kann man Footvolley auch noch mit 40 auf höchstem Niveau spielen. Da kommt es ganz viel auf Übersicht, Technik und Ballbeherrschung an.

Gibt es eigentlich noch Kontakte nach Schwabach?

Nißlein: Meine Eltern leben nach wie vor in Limbach. Auch zu einigen alten Kumpels habe ich noch Kontakt. Und dann ist meine große Liebe nach wie vor fränkisch: der Club. Ich drücke ihm für die neue Erstliga-Saison die Daumen – auch wenn ich jetzt eigentlich Herthaner bin. Interview:

Das "Final Four" um die Deutsche Beachsoccer-Meisterschaft in Warnemünde wird in einem Livestream auf dfb.tv übertragen. Hertha BSC mit Joel Nisslein hat sein erstes Spiel am Samstag, 18. August, 16.30 Uhr, gegen die Rostocker Robben. Das erste Halbfinale steigt um 15.15 Uhr.

 

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