Eine Odyssee: Junger Syrer erzählt von zwei Jahren Flucht

19.9.2014, 08:28 Uhr
Eine Odyssee: Junger Syrer erzählt von zwei Jahren Flucht

© Foto: Wilhelm

In der Halle am Sonderpädagogischen Förderzentrum sind zudem Familien untergebracht. 200 Flüchtlinge. Hinter der abstrakten Zahl verbergen sich 200 Einzelschicksale. So wie das von „Samy“, der im Gespräch mit dem Tagblatt von seiner zweijährigen Flucht erzählt hat.

„I’m so happy“, sagt er. Er sei so glücklich. Beim Pressegespräch sitzt ein sichtlich erleichterter junger Mann gegenüber.

Angst vor dem Geheimdienst

Höflich buchstabiert er seinen Namen zum Mitschreiben. Doch in der Zeitung möchte er ihn lieber nicht lesen. Auch auf ein Foto bittet er zu verzichten. „My family is in Syria“, sagt er entschuldigend auf Englisch. Seine Eltern und seine vier Schwestern sind in Syrien. Die will er keinesfalls gefährden. Die Angst vor dem Geheimdienst reicht bis nach Europa. Als Pseudonym für diesen Artikel schlägt er „Samy“ vor.

Samy ist 25 Jahre jung und seit zwei Jahren auf der Flucht. Die hat ihn vor zwei Wochen nach Schwabach verschlagen. Wie die meisten der 200 Flüchtlinge kommt er aus Syrien.

Rakete zerstört Haus

„Ein ganz normales Leben“ habe er dort geführt, erzählt er. Schule, ein Studium in „Business Management und Marketing“, dann der Schritt in die Selbständigkeit. Er führt einen Handy-Laden in einer kleinen Stadt, rund 30 Kilometer von Damaskus entfernt. Da er noch ledig ist, lebt er bei seiner Familie. Trotz der geographischen Nähe zur Hauptstadt ist die Protestwelle zunächst weit weg. Selbst als die Konflikte 2011 zum Bürgerkrieg eskalieren, geht der Alltag zunächst weiter.

Bis eines Tages Assads Soldaten vorfahren, die Hauptstraße sperren und direkt vor seinem Laden einen Kontrollpunkt errichten. „Dann blieben die Kunden weg.“

Statt dessen kommt der Krieg. Völlig unvermittelt schlagen 2012 Bomben in der Stadt ein. „Ich weiß nicht einmal, wer sie abgefeuert hat.“ Eine Rakete zerstört das Haus der Familie. Sie hat noch Glück im Unglück. Niemand wird verletzt.

Schwerer Abschied

Die Bombe ist wie ein Signal zum Aufbruch. Samy muss fürchten, entweder von Assads Armee oder von den Rebellen zwangsrekrutiert zu werden. Doch will er weder für den Diktator noch für die radikale Opposition kämpfen. Seine Familie drängt ihn, sich in Sicherheit zu bringen. Flucht aus der Heimat. „Das war ein schwerer Abschied“, sagt Samy.

Und der Beginn einer zweijährigen Odyssee. Erstes Ziel ist Ägypten. Dort jobbt er in einem Restaurant. Dann hört er, dass die EU Flüchtlinge aufnimmt. Ein Cousin und eine Tante sind bereits in Deutschland. „Die haben erzählt, dass alles sehr gut ist.“ So wird Deutschland sein großes Ziel.

Um es zu erreichen vertraut er sich wie viele andere organisierten Schleppern an. Doch drei Versuche, mit dem Schiff nach Griechenland zu kommen, scheitern. Einmal fällt der Motor aus. 24 Stunden treibt das Boot mit 40 Menschen an Bord hilflos im Mittelmeer.

Dann entdeckt sie die griechische Küstenwache. An sie hat Samy aber unschöne Erinnerungen. Maskierte Soldaten hätten die Flüchtlinge geprügelt, Wertsachen gestohlen und Papiere ins Meer geworfen. Die Griechen schleppen das Schiff Richtung Türkei. wo sie die türkische Küstenwache schließlich rettet.

„Wie im Gefängnis“

Von dort aus versucht er den Landweg. Mit einem Freund macht er sich auf einen zehnstündigen Fußmarsch nach Bulgarien. Dort landet er in einer Massenunterkunft ohne Heizung. Minus 20 Grad im Winter, keine Heizung. Und das Verbot, das Lager zu verlassen. „Wie im Gefängnis“ sei es dort gewesen.

Über Rumänien schafft er es in einen Bus nach Deutschland. Hier landet er in Weiden, wo er zur Polizei geht und Asyl beantragt. Er bekommt eine Zugkarte nach Zirndorf. Dort verbringt er eine Nacht im Zelt, ehe er nach Schwabach gebracht wird.

Neuanfang in Deutschland

Wie er seine Zukunft sieht? Möglichst schnell will er Deutsch lernen und einen „good job“ suchen. „Ich will nicht Millionär werden, aber mich selbst respektieren können. Ich spüre die Energie, nach der verlorenen Zeit endlich wieder etwas zu tun.“ Will er zurück nach Syrien? Samy wirkt zwiegespalten. „Wenn dort wieder alles in Ordnung ist.“ Aber daran kann er kaum mehr glauben. „Ein Leben in Deutschland, das ist mein Traum.“

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