Feine Hommage zum 200. Geburtstag Adolph von Henselts

12.5.2014, 09:35 Uhr
Feine Hommage zum 200. Geburtstag Adolph von Henselts

© Hans von Draminski

Wenn einer schon als Kind mit den Eltern die Stätte seiner Geburt verlässt und zeitlebens nicht mehr zurückkehrt, kann man trefflich darüber streiten, ob große Feierlichkeiten am nur kurz von der Historie gestreiften Ort wirklich angebracht sind.

Künstlerisch höchst seriös

Schwabach hat freilich ein künstlerisch höchst seriöses Festival auf die Beine gestellt, bei dem sich die Sinnfrage schnell erübrigt, wie auch das anregende Konzert-Kaleidoskop im Markgrafensaal zeigte.

Wie Klaus Keil, Vorsitzender der Internationalen Adolph-Henselt-Gesellschaft, in seiner Festrede darlegt, wurde Henselt zu Lebzeiten in einem Atemzug mit Sigismund Thalberg und Franz Liszt genannt: Ein brillanter Virtuose, dessen pianistische Fähigkeiten ihn in Russland zum Klavier-Superstar seiner Zeit und Begründer der russischen Klavierschule aufsteigen ließen.

Fokus bewusst erweitert

Das Festkonzert in Schwabach erweitert den Fokus allerdings bewusst und beginnt mit Henselts a-Moll-Trio für Klavier, Geige und Cello (Opus 24). Das „Rosenholz-Trio“ mit Raul Teo Arias (Violine), Heidrun Rosenberger (Cello) und Felix Rosenberger (Klavier) nimmt sich dieser filigranen Kammermusik mit maximaler Ernsthaftigkeit an. Und entwirft das Porträt eines Tonsetzers, der in der Musiklandschaft des 19. Jahrhunderts seinen eigenen Weg suchte und fand. Henselt wird zwar oft mit Frédéric Chopin verglichen, erinnert aber gerade in diesem dichten Klaviertrio viel mehr an die Emotionalität des frühen Johannes Brahms und auch an dessen Ungestüm.

Dass der Klavierpart hier gleißend und spektakulär ist, dass Felix Rosenberger fingerbrechend schnelle Läufe zu bewältigen hat und seine beiden Triopartner über weite Strecken zu bloßen Stichwortgebern degradieren muss, weil dies der Notentext so vorgibt, war angesichts Henselts Reputation als „Klavierlöwe“ erwartbar. Darüber hinaus werden dem Hörer aber viele feine Zwischen- und Untertöne und vor allem eine klug strukturierte Themenentwicklung serviert.

Dass Henselt ein Händchen für eingängige Melodien hatte, wird auch bei „Hymne“ und „Morgenständchen“ spürbar, die Vladimir Kowalenko für „seinen“ Henselt-Projektchor und das Schwabacher Kammerorchester arrangiert hat: Ins Ohr gehende Repräsentationsmusik, die sich hinter den Werken der Großen jener Epoche keineswegs verstecken muss und die kongenial farbstark und druckvoll umgesetzt wird.

Experte am Flügel

Fragloser Höhepunkt des Abends ist Adolph von Henselts f-Moll-Klavierkonzert (Opus 16) mit dem Henselt-Experten Daniel Grimwood am Flügel. Wer Pjotr Iljitsch Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert mag, wird Henselts epische Tonsprache lieben. Hier wird hochromantische Leidenschaft in Idealbalance zwischen Ratio und Sentiment zelebriert, darf Grimwood ungemein effektvolle Akkordkaskaden mit horrend schweren, rasend schnell gespielten Oktavgriffen in den Saal hämmern, derweil das Orchester ihm einen rotsamtenen Klangteppich auslegt.

Das ist dramatischer, äußerst mitreißender Stoff, bei dem es angesichts der sonnenhell gleißenden Spieltechnik des stets souveränen Solisten auch wenig ausmacht, wenn Bläser und Streicher bisweilen an die Grenzen dessen stoßen, was mit einem Semiprofi-Ensemble möglich und machbar ist. Es wird mit ebenso viel Schwung wie Fingerspitzengefühl musiziert, es werden auch die Tiefenschichten eines Werkes ausgelotet, das in seinen stärksten Momenten bereits auf die filmmusikalische Breitwand-Symphonik Sergej Rachmaninows vorausweist. Adolph von Henselt als grandioser, außerzeitlicher Visionär.

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