Fotografien zeigen ein Leben am Rand der Gesellschaft

6.10.2015, 09:25 Uhr
Fotografien zeigen ein Leben am Rand der Gesellschaft

© Foto: Robert Schmitt

„My home is my castle.“ Das geflügelte Wort beschreibt im Englischen ein Grundbedürfnis des Menschen. Jeder braucht einen Ort, an dem er er selbst sein kann, an dem er ungestört ist, der gemütlich und sauber ist und in den niemand eindringen darf, ohne zu fragen. „Meine Wohnung ist meine Burg“, lautet die Übersetzung. „Castle“ kann aber auch mit „Schloss“ wiedergegeben werden.

Es hat deshalb Brisanz, eine Ausstellung mit Fotografien, die Unterkünfte von Personen und Familien in Armutslagen zeigen, mit dem Titel „My home is my castle“ zu versehen . Peter Litvai hat ihn bewusst gewählt. Ihm geht es um zweierlei. „Natürlich ist das Ironie, aber es soll auch das Bedürfnis der Menschen deutlich machen“, sagt der Landshuter Fotograf. Am Sonntag, 4. Oktober, ist die Ausstellung in der Schwabacher Stadtkirche offiziell eröffnet worden.

Noch bis 23. Oktober

Dort sind nun bis zum 23. Oktober von 9 bis 18 Uhr achtzehn großformatige Farbbilder aus dem Inneren von Behausungen zu sehen. Entstanden sind sie in Privatwohnungen, einer Landshuter Obdachloseneinrichtung und in einer Unterkunft für Asylbewerber. Laut Litvai wurden sie von der Landshuter Armutskonferenz angeregt. Der Zugang in „die Wohnungen von Armen“, wie Litvai selbst sagt, ist von Sozialarbeitern vermittelt worden.

Litvais Fotos strahlen eine bedrückende Ästhetik aus. Sie dokumentieren teils katastrophale Umstände. Angebracht sind sie an Bauzäunen. „Baustelle bezahlbarer Wohnraum.“ Zu Füßen jedes Fotos wird das Wohnumfeld wie in einem Anzeigentext beschrieben. „Das kann man dann mit gesenktem Kopf lesen“, erklärt Litvai die Verbindung von Bild und Beschreibung.

Er will beim Betrachter also Demut und Betroffenheit auslösen. „Ich hoffe, dass die Bilder etwas bewegen“, sagt er. „Das ist mir sehr wichtig, ohne das wäre diese Arbeit sinnlos.“

Ein Bild vom Leben in Armut

Gearbeitet hat der Fotograf mit Stativ und ohne künstliches Licht. Die Kamera immer hüfthoch, hat Litvai Ausschnitte gewählt, die komplett erscheinen und viele Komponenten eines Lebens in Armut offenlegen. Menschen sind ganz selten zu sehen. Wenn, dann bleiben sie anonym. So wie die vier Kinder, die mit dem Rücken zur Kamera stehen. „Eine sechsköpfige Familie auf 50 Quadratmetern“, erklärt Litvai.

Bereits im vorausgehenden Gottesdienst verwies Pfarrer Paul Herrmann Zellfelder auf eine bedeutende theologische Komponente, die zeigt, dass eine Wohnung so wichtig ist wie das tägliche Brot. Schließlich habe Martin Luther die entsprechende Bitte aus dem „Vater Unser“ so weit interpretiert, dass davon alles umfasst wird, was ein Mensch materiell braucht, erklärte Zellfelder. „Wohnraum ist so wichtig wie das Stillen des Hungers“, so der Pfarrer. Diese Sichtweise entspringe einem „wunderbar geerdeten und genialen Glauben“, sagte der evangelische Geistliche.

Wohnraum für ein Zuhause

Oberbürgermeister Matthias Thürauf hielt es „für ganz wichtig, ein geschütztes zu Hause mit Wohlfühlatmosphäre“ zu haben. Schon im Urlaub fehle das häufig, meinte er. Die Bilder zeigten, so der CSU-Politiker, „dass Menschen unter Umständen leben, die wir uns nicht vorstellen können“. Thürauf wünschte sich, dass die Bilder Eigentümer dazu motivieren, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Die Ausstellung war bereits in ganz Bayern zu sehen. Gestartet ist sie in Landshut. Über Nürnberg, Würzburg und München ist sie nun nach Schwabach gelangt. Stadt Schwabach, Arbeiterwohlfahrt, Diakonie, die Kirchengemeinde und die Gewobau haben sie in die Stadtkirche geholt.

Vielfach ausgezeichnet

Peter Litvai ist 1957 in Budapest geboren und dort aufgewachsen. Seit 30 Jahren lebt er in Landshut. Mit der Fotografie ist er erstmals 1972 in Berührung gekommen. Seither nützt er sie als künstlerisches Ausdrucksmittel. 2003 hat er das Fotografieren zu seinem Beruf gemacht und war damit so erfolgreich, dass er 2011 bis 2013 drei Mal in Folge für den Kulturpreis Bayern nominiert wurde.

Die Bilder aus den Armutswohnungen sind eines seiner zahlreichen sozialen Projekte. Ferner widmet sich Peter Litvai am Landestheater Niederbayern der Theaterfotografie.

litvai.de

 

Keine Kommentare