Widerstand gegen Riesen-Gewächshaus in Abenberg

30.5.2016, 08:04 Uhr
Widerstand gegen Riesen-Gewächshaus in Abenberg

© Foto: oh/Montage: Helbig

Die Verbindung zur Biogasanlage erscheint auf den ersten Blick sinnvoll, denn so kann deren Abwärme, die bei der Stromproduktion als "Abfallprodukt" entsteht, genutzt werden. Bei den Kommunalpolitikern stießen die Pläne, trotz einzelner Fragen im Detail, auf grundsätzliches Wohlwollen. Allerdings ist die Stadt gar nicht Genehmigungsbehörde. Denn der Gemüseanbau, das hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürth für den Ursprungsbetrieb in Nürnberg-Almoshof bestätigt, ist ein privilegiertes Vorhaben der Landwirtschaft. Die Stadt muss nur prüfen, ob Erschließung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung geklärt sind. Die Straße baut der Investor selbst. Bei Wasser und Abwasser tritt die Stadt in Vorleistung, lässt sich die Ausgaben aber zu 100 Prozent wieder erstatten. Das wird in einem Vertrag geregelt.

Unabhängig von einer insgesamt positiven Grundstimmung gibt es in Abenberg durchaus Leute, die sich mit einem solchen die Landschaft verändernden Projekt nicht recht anfreunden können.

Richard Mayer ist eingefleischter Abenberger. In den 1970-er Jahren saß der Rentner selbst im Stadtrat. Als er von den Plänen für das Mega-Gewächshaus gelesen hat, war seine erste Reaktion: "Das passt doch nicht zu unserem Ort, der sich dem sanften Tourismus verschrieben hat, und es passt nicht in unsere Landschaft", findet Mayer.

Jürgen Engl sieht das ähnlich. "Mir gefällt’s nicht", hatte er schon in einem Leserbrief, den unsere Zeitung im März veröffentlicht hat, geschrieben. Engl und ein halbes Dutzend Mitstreiter haben einen "überparteilichen Initiativkreis für eine lebenswerte Heimat" gegründet und an die Stadt, ans Landratsamt, an die Regierung und an die 20 Stadträte einen vierseitigen Brief geschrieben, in dem sie ihre Bedenken gegen die Pläne zusammengefasst haben. Nachfolgend die wichtigsten Punkte.

1. Flächenverbrauch/Versiegelung. Fünf Hektar bisher landwirtschaftlich genutzter Ackerboden verschwinden unter Glas (die Pflanzen wachsen nicht im Mutterboden, sondern in einer Nährlösung). Dazu kommen bis zu zwei Hektar für Zufahrten, für ein Regenwasser-Speicherbecken, für Betriebsgebäude und Wohnunterkünfte, schätzt Birgit Helbig, die Vorsitzende der Garten- und Naturfreunde Abenberg. Und: Das Mega-Gewächshaus hat einen enormen Wärmebedarf, den die bestehende Biogasanlage gar nicht alleine decken kann. Die Kritiker fürchten deshalb, dass durch das Gewächshaus die Wahrscheinlichkeit steigen wird, die Biogasanlage zu erweitern. Dann müssten rund um Abenberg noch mehr Energiepflanzen angebaut werden. Die Artenvielfalt in den Fluren würde weiter abnehmen.

Abenbergs Bürgermeister Werner Bäuerlein, der die Pläne der Nürnberger Gemüsebauern unterstützt, sieht das alles nicht so kritisch. "Auch wenn das ganze unter Glas passiert: Auf den anvisierten fünf Hektar werden Lebensmittel produziert." Die Produktion sei regional, die Transportwege seien kurz. "Natürlich ist es ein Abwägungsprozess. Aber mir ist es so lieber, als wenn ich Tomaten aus spanischer Produktion kaufen würde."

2. Grundwasser/Trinkwasser. Rund 25.000 Kubikmeter Regenwasser pro Jahr wollen die Gemüsebauern auf ihrem fünf Hektar überspannenden Gewächshaus auffangen und über ein Speicherbecken den Tomaten- und Gurkenpflanzen wieder zuführen. Um aber auf eine geplante Jahresproduktion von 3000 Tonnen Tomaten und Gurken zu kommen, benötigen die Drechslers weitere 25.000 Kubikmeter Wasser, die sie sich über die Bohrung eines Grundwasserbrunnens besorgen wollen.

25.000 Kubikmeter sind für einen großen landwirtschaftlichen Betrieb zwar nicht viel, doch die Kritiker des Projekts fürchten, dass mehr wertvolles Grundwasser verbraucht wird, als sich in der Umgebung neu bildet. Schließlich würden auch andere Landwirte schon ihre Felder via eigener Brunnen bewässern. Dieser Trend werde sich im Zuge der Klimaerwärmung noch verstärken. "Wir brauchen eine Gesamtschau der jährlichen Wasserentnahme aller in Frage kommenden Landwirte", fordert Jürgen Engl in seinem Brief an die Stadt.

Die hat schon eine geologisch-hydrologische Stellungnahme bei Dr. Werner Reiländer in Auftrag gegeben, die unserer Zeitung inzwischen vorliegt. Der Experte, der die Stadt beispielsweise auch im Streit um den geplanten Quarzsand-Abbau bei Beerbach berät, kommt zu dem Schluss, dass der Wasserbedarf des Super-Gewächshauses "keine wesentlichen Auswirkungen auf den Grundwasserhaushalt" hat. Allerdings weist Reiländer darauf hin, dass der Investor, also der Gemüseanbauer Drechsler, verpflichtet sei, den Grundwasserstand ständig zu überwachen.

3. Landschaftsbild/Ensembleschutz. Der frühere Förster Herbert Wettengel und Rentner Richard Mayer schätzen das „intakte Landschaftsbild“ Abenbergs. Das werde durch das riesige Gewächshaus vor den Toren der Stadt stark beeinträchtigt. Sie fürchten um die „ländliche Idylle“ und um das „weitgehend unverbaute Ortsbild“.

„Ja“, bestätigt Bürgermeister Bäuerlein. Das Gewächshaus werde die Landschaft in gewisser Weise verändern, „so wie das jede bauliche Tätigkeit tut“. Bäuerlein findet’s aber noch akzeptabel. „Ich möchte an die ursprünglichen Pläne erinnern. Eine Biogasanlage mit einem Hähnchenmastbetrieb mit knapp 40 000 Tieren als Wärmeabnehmer. Wenn die Investoren das ohne Rücksicht auf Verluste hätten durchziehen wollen, hätten wir es kaum verhindern können. Denn auch das wäre, wie das jetzt geplante Gewächshaus, ein landwirtschaftlich privilegiertes Vorhaben gewesen“, sagt der Rathauschef. "Da ist mir ein großer Gemüsebauer schon lieber."

4. Steuereinnahmen/Arbeitsplätze. Die Mitglieder des Initiativkreises bezweifeln, dass die Stadt Abenberg von der neuen Außenstelle des Knoblauchslandes besonders viel hätte. Bernd Drechsler hatte im Januar im Stadtrat davon gesprochen, dass je nach Saison zwischen 30 und 50 Leute im und am Gewächshaus Arbeit finden würden. Im Knoblauchsland kommen die Erntehelfer meist aus Südosteuropa. Allerdings würde Drechsler auch einheimische Kräfte nehmen – so er denn welche findet. In Sachen Gewerbesteuer, das sagt Bürgermeister Werner Bäuerlein, ohne Zahlen nennen zu dürfen, wäre ein großer Gemüsebauer schon „interessant“, zumindest mittel- bis langfristig. In den ersten Jahren fließt dagegen kaum Steuergeld, denn der Unternehmer kann ja zunächst einmal seine Millioneninvestition gegenrechnen.

5. Biologie/Nachhaltigkeit. Die Interessengemeinschaft betont, dass zwar die Bestäubung der Pflanzen und die Bekämpfung von Schädlingen durch Nützlinge erfolgt, dass es sich aber nicht um einen Biobetrieb handelt. Selbstverständlich würden Erkrankungen der Pflanzen im Zweifelsfalle mit Chemie bekämpft.

Allerdings: Bernd und Christian Drechsler haben nie etwas anderes behauptet. Sie verstehen sich tatsächlich als konventionell wirtschaftende Landwirte.

6. Unterbringung der Arbeitnehmer. Wenn sie schon das Mega-Gewächshaus nicht verhindern können, dann plädieren die Mitglieder des Initiativkreises wenigstens dafür, direkt am Gewächshaus nicht noch Unterkünfte für Arbeitnehmer bauen zu lassen. Nach Auskunft von Abenbergers Bauamtsleiterin Gudrun Leng ist derzeit ein Gebäude mit 15 Zimmern geplant. Völlig neu wäre so etwas nicht. Auch der Betreiber der früheren Champion-Zucht "Domo" nahe Wassermungenau hatte für Arbeiter Unterkünfte im Außenbereich gebaut. Aber auch im Stadtrat hatte zum Beispiel die SPD angeregt, vor der Genehmigung der Arbeiter-Unterkünfte sich um eine Unterbringung in Abenberg selbst zu bemühen.

Das Problem: "Es gibt kaum verfügbaren Wohnraum", erklärt Bürgermeister Werner Bäuerlein. "Und ein Grundstück, das wir für den Bau einer solchen Unterkunft in Abenberg anbieten könnten, haben wir auch nicht."

Für und Wider abwägen

Jürgen Engel, Birgit Helbig, Herbert Wettengel und Richard Mayer appellieren an den Bürgermeister, vor einer Entscheidung gründlich das Für und Wider zu bedenken. Und: Sie regen noch einmal eine Info-Veranstaltung/ Bürgerversammlung an, in der auch Fachleute aus den Bereichen Städte- und Landschaftsbau sowie Natur- und Umweltschutz zu Wort kommen sollen.

Mindestens einmal, das verspricht Rathauschef Bäuerlein, werde noch öffentlich debattiert: in einer der nächsten Stadtratssitzungen. Ob es darüber hinaus eine Bürgerversammlung geben wird, ist eher unwahrscheinlich. Schließlich habe man die Bevölkerung doch schon zu einer Fahrt in den bestehenden Betrieb der Drechslers in Nürnberg-Almoshof eingeladen. „Mehr Transparenz geht nicht“, findet Bäuerlein. Immerhin 130 Abenberger hatten diese Einladung Anfang März angenommen. Das seien dreimal so viele, wie normalerweise zu einer Bürgerversammlung kommen.

Großen Gegenwind gegen das Projekt hat Werner Bäuerlein dabei nicht gespürt und spürt ihn auch jetzt nicht. "Das ist eine ganz andere Stimmung als beim Thema Geflügelmastbetrieb."

1 Kommentar