Gewässer-Nachbarschaften helfen auch dem kleinsten Bach

9.11.2014, 08:00 Uhr
Gewässer-Nachbarschaften helfen auch dem kleinsten Bach

© Foto: Gerner

Ordnung muss sein. Deshalb hat der Gesetzgeber sämtliche Flüsse in Deutschland in Gewässer erster, zweiter und dritter Ordnung eingeteilt. Um die Gewässer erster und zweiter Ordnung kümmern sich der Staat beziehungsweise die vom Staat beauftragten Wasserwirtschaftsämter. Zu Gewässern erster Ordnung gehören in der Region die Rednitz, Teile der Kleinen Roth (mit dem Rothsee), die Roth und natürlich eine Bundeswasserstraße wie der Main-Donau-Kanal. Bayernweit kommen so fast 5000 Flusskilometer mit Gewässer erster Ordnung zusammen. Fast genau so lange sind (zusammengerechnet) im Freistaat die Gewässer zweiter Ordnung, zu denen beispielsweise die Aurach, die Thalach, die Schwarzach, der Hembach und die Schwabach zählen.

Der große Rest, die Gewässer dritter Ordnung, fällt in den Zuständigkeitsbereich der Städte und Gemeinden und Landkreise: kleine Bäche, wasserführende Gräben, Werkskanäle, die von Flüssen abgezweigt wurden, um Mühlen mit Wasser und damit mit Energie zu versorgen. Und: Ihre Länge summiert sich nicht auf 4000 oder 5000 Kilometer, sondern auf mehr als das Zehnfache, auf gut und gerne 60 000 Kilometer. Sie zu hegen, zu pflegen und zu schützen, ihnen genügend Raum zu lassen für eine naturnahe Entwicklung, das ist eine Herkulesaufgabe.

Fehler der Vergangenheit

Der Schuppen, der dem kleinen Flüsschen fast den Weg versperrt – und von ihm regelmäßig unter Wasser gesetzt wird. Der gut gedüngte Maisacker, der praktisch bis zum Ufer reicht. Der Bach, der in den 1970er Jahren der Einfachheit halber in ein Betonbett verlegt wurde.

Drei Beispiele von vielen, die zeigen, dass der Mensch viele Jahre lang Wasserläufe eher als Hindernis denn als wertvollen Bestandteil der Natur wahrgenommen hat.

Das hat sich in den vergangenen 15 bis 20 Jahren geändert. Auch, weil es Initiativen wie den noch vergleichsweise jungen „Gewässer-Nachbarschaftstag“ gibt. Dort werden Bürgermeister und ihre Stellvertreter, Mitarbeiter von Bauhöfen und von Gemeinden sensibilisiert für die hohe Bedeutung auch der kleinsten Bäche. Der dritte „Gewässer-Nachbarschaftstag“ für den Landkreis Roth und die Stadt Schwabach fand in dieser Woche in Schwanstetten statt. Thema: „Wege zu wirksamen Uferstreifen.“

Baujahr 1364

Den Schwander Werkskanal, einen künstlichen Seitenarm des Hembachs, gibt es nachweislich seit 1364. Er trieb eine Mühle an, die allerdings irgendwann keine Mühle mehr war. Der Kanal wurde überflüssig und verlandete.

Gewässer-Nachbarschaften helfen auch dem kleinsten Bach

© Robert Gerner

Doch vor einigen Jahren wurde das Bächlein zu neuem Leben erweckt. Die Gemeinde half und hilft mit Personal und Werkzeug vom Bauhof und auch mit Geld in Form von Versicherungsbeiträgen.

Doch dass der kleine Kanal wieder Kanal sein darf, das liegt zuallererst an zwölf Hausbesitzern entlang des Fließgewässers, die sich zu einer „Bachpatenschaft“ zusammengeschlossen haben. Einmal pro Jahr legen die Anwohner den jetzt wieder mit Wasser gefüllten Kanal, der wie ein natürlicher Fluss aussieht, für einen Tag trocken. Sie sammeln auf den 1,2 Kilometern Länge Fische wie die seltenen Neuaugen ein und die Flusskrebse, die sich in dem glasklaren Wasser pudelwohl fühlen. Sie schneiden Weiden und Büsche zurück und geben dem Bach damit das Licht zurück, das er braucht. „Eine tolle und bayernweit ganz seltene Geschichte“, freut sich Gunther Haas.

Namhafte Referenten

Haas ist eigentlich Flussmeister des Wasserwirtschaftsamts in Langwasser und aushilfsweise auch am Rothsee. Er ist damit zuständig für die Gewässer erster und zweiter Ordnung. Weil ihm aber auch die kleinen Bäche und Gräben am Herzen liegen, engagiert sich Haas in seiner Freizeit auch noch als „Nachbarschaftsberater“ für die Gewässer dritter Ordnung in den Landkreisen Roth und Fürth.

Als solcher hat er den Gewässer-Nachbarschaftstag in Schwanstetten organisiert und namhafte Referenten gewinnen können. Sein Chef Ulrich Fitzthum, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Nürnberg, kam ebenso wie Eva Schnippering vom Bayerischen Landesamt für Umwelt. Einen ganzen Vormittag ging es im Rathaus um sperrige Themen wie „Flächensicherungen und Nutzungsregelungen“, um „Uferstreifen aus Sicht der Landwirtschaft“, um „Wirksame Uferstreifen über Vertragsnaturschutz und Ökokonto“ und „Wege zu wirksamen Uferstreifen“.

Ein solcher Nachbarschaftstag dient dazu, Mitarbeiter im Bereich der Gewässerunterhaltung zu qualifizieren. Er dient aber auch dazu, wichtige Ansprechenpartner kennen zu lernen, Kontakte zu pflegen, Erfahrungen auszutauschen und Tipps zu sammeln. Das erleichtert eine „zielgerichtete, gewässerverträgliche und nicht zuletzt wirtschaftliche Unterhaltung“, betont Eva Schnippering. „Das hilft den Gewässern, das hilft aber auch uns Menschen.“

Zehn Meter sind utopisch

Viel Theorie stand am Vormittag auf dem Programm. Doch am Nachmittag führten Bachpate Erich Dums und Bürgermeister Robert Pfann die Gäste auch hinaus zum Hembach und zum Werkskanal. Der Kanal ist ein Musterbeispiel dafür, wie kleine Gewässer ökologisch aufgewertet werden können durch viel Engagement (und natürlich auch ein wenig Kleingeld).

Aus fachlicher Sicht optimal wäre es, so sagt es Eva Schnippering vom Bayerischen Landesamt für Umwelt, wenn entlang von Bächen und Flüssen auf beiden Uferseiten ein Streifen von mindestens zehn Metern tabu wäre für eine (wirtschaftliche) Nutzung jeglicher Art. In der Realität ist so etwas natürlich utopisch. 20 Meter Uferschutzzone auf eine Länge von 60 000 Kilometern – da müssten Staat und Kommunen viel, viel Geld in die Hand nehmen und den privaten Besitzern tausende von Hektar abkaufen – sofern diese überhaupt etwas hergeben wollen.

Größere Sensibilität

Das Optimum ist also unerreichbar, doch für Schnippering ist es ja schon gut, „dass alle ein bisschen was machen“. Die Sensibilität für die Bedeutung der Flüsse und Bäche habe glücklicherweise zugenommen. „Wir sind heute viel weiter als wir es in den 1980er Jahren waren“, ist sie überzeugt.

Pech nur, wenn jemand, wie in Schwand, die neue Idylle nachhaltig stört. Längst hat der Biber den Hembach und auch den renaturierten Werkskanal als sein Revier in Beschlag genommen. Munter baut er die Flussläufe nach seinem Gusto um. „Wenn du heute einen Damm wegräumst, fängt er morgen mit einem neuen an“, hat Erich Dums festgestellt.

Die Schäden im Kanal halten sich noch in Grenzen, doch flussaufwärts Richtung Furth, dort, wo die „Biberburg“ den Fluss fast vollständig abriegelt, hat der kräftige und geschickte Baumeister den Hembach längst zu einem flachen See aufgestaut. Der Biber legt Karpfenweiher trocken und sorgt dafür, dass Landwirte nicht mehr ihre Wiesen nutzen können.

Neuer Schutzstreifen?

Möglicherweise ist er aber auch der Auslöser dafür, dass sich in Sachen Uferschutz entlang des Hembachs etwas tut. Wasserwirtschaftsamt und Marktgemeinde überlegen, ob sie die durch die Biberburg überfluteten Wiesen dem Grundbesitzer abkaufen sollen. „Ein wenig Geld für solche Zwecke wäre in diesem Jahr noch übrig“, sagte Nachbarschaftsberater Gunther Haas zu Schwanstettens Rathauschef Robert Pfann bei der Exkursion entlang des Hembachs.

Sollte der Grundbesitzer zustimmen, wären die nächsten 300 Meter geschützte Uferstreifen in trockenen (beziehungsweise in diesem Fall in recht feuchten) Tüchern. Alleine dafür hätte sich der Gewässer-Nachbarschaftstag ja schon gelohnt.

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