Gießkanne + Duschkopf = Gerechtigkeit

20.12.2014, 07:41 Uhr
Gießkanne + Duschkopf = Gerechtigkeit

© Foto: Wilhelm

In den Hauptrollen: Jürgen Ramspeck, Pressesprecher der Stadt Schwabach, und Jörg Maier, Stadtentwässerungsexperte des Tiefbauamtes. In der Nebenrolle des interessierten Stenographen: ich, Gebührenordnungs-Analphabet und einziges Tagblatt-Opfer, das für diesen Termin zu diesem prickelnden Thema keine Ausrede gefunden hat.

Wenn Jörg Maier die Menschheit wahlweise erschrecken oder zu Tode langweilen wollte, es wäre ihm ein Leichtes. Er müsste nur eineinhalb Stunden über das „Splitting“ des „Frischwassermaßstabs“ unter besonderer Berücksichtigung der „Nutzerhomogenität“ und des „Grundstücksabflussbewertungsverfahrens“ referieren. Selbstverständlich auf Grundlage der „hydrodynamischen Kanalnetzberechnung“, die auf dem Quotienten aus „abflusswirksamen Flächen“ und „Abflussbeiwert“ beruht. Wenn man die dann noch um die „Benetzungverluste“ bereinigt und sein Garagendach mit Rasengittersteinen deckt, dann — ja dann bekommt man in Zukunft auch in Schwabach eine Abwassergebührenrechnung, die dem rechtskräftigen Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes von 2003 zur Anwendung des Kommunalabgabengesetzes entspricht. Alles klar?

„Das kapieren die vom Tagblatt nie“, muss Pressechef Jürgen Ramspeck seinem Abwasser-Freak gesagt haben — und ist der Wahrheit damit beängstigend nahe gekommen.

Dummerweise sollen die vom Tagblatt aber den Bürgern die schöne neue Gebührenwelt seriös und kompetent berichten. Denn die Bürger müssen im kommenden Jahr helfen, die Daten für die Berechnung zu ermitteln. Im Mai kommt Post mit Fragenbögen! Die Erfahrungen anderer Städte zeigen: Wer von den Bürgern nicht zur Kläranlage gewünscht werden will, der muss gut erklären. Und nicht erschrecken und keinesfalls langweilen.

Deshalb hat sich Jörg Maier der Didaktik der Vorschule erinnert und für das Gespräch mit mir das höchstrichterliche Abstraktionsniveau auf Lego-Level übersetzt. In der Redaktion erschien er mit einem Nikolaus-Sack, an den ein Zettel mit Dollar-Zeichen angeheftet war: „Das steht für die Einnahmen.“

Aha.

Bisher gilt für die Gebührenberechnung: Frischwassermenge gleich Abwassermenge. Das ist einfach, aber ungerecht. Denn: Das Niederschlagswasser, das etwa von großen Dächern in die Kanalisation eingeleitet wird, kommt in dieser Rechnung gar nicht vor. Wer also wenig versiegelte Flächen hat, der subventioniert große Dächer wie von Discountern mit.

Dagegen hat ein Bürger geklagt und Recht bekommen. Deshalb gibt es künftig nicht nur das Ehegattensplitting, sondern auch den „geteilten Gebührenmaßstab“. Das heißt: Die Gebühr steigt insgesamt nicht, wird aber gerechter verteilt.

Aus einer Gebühr werden zwei: eine für Schmutzwasser, die andere für Niederschlagswasser, und für genau die ist die Größe der versiegelten Flächen mit Ableitung in den Kanal wichtig. Womit wir wieder beim Nikolaus wären.

„Und jetzt zeige ich Ihnen, wie die Einnahmen sich künftig zusammensetzen“, sagt Jörg Maier und zieht aus dem Geschenkesack allen möglichen Trödel. Merke: Wer etwas begreifen soll, muss etwas anfassen können.

Als erstes kommt ein blaues Spielzeugauto zum Vorschein: „Das ist der Straßenentwässerungsanteil, aber der geht in die Gebühr nicht ein.“ Soso.

Dann folgen ein schwarzer Regenschirm und eine gelbe Gießkanne zum Sandbuddeln: „Das steht für das Niederschlagswasser.“ Hmmm.

Schließlich zaubert Maier noch eine WC-Rolle und einen Duschkopf hervor: „Das symbolisiert das Schmutzwasser.“ Ahhh, jetzt ist alles klar!

In diesem Moment hätte mich nicht gewundert, wenn Achim von der „Sendung mit der Maus“ um die Ecke gekommen wäre und grinsend die versteckte Kamera rausgezogen hätte.

Also, wer künftig mit uns zu tun hat, der lernt: So muss man mit uns reden!

Aber hoffentlich nicht alle. Sonst packt Geschäftsführer Klaus Seitzinger beim Pressegespräch über die nächsten Einschnitte im Stadtkrankenhaus Spritze und Skalpell aus.

Bitte, bitte nicht.

 

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