Glosse: Das Tagblatt-Wort des Jahres

18.11.2018, 05:58 Uhr
Glosse: Das Tagblatt-Wort des Jahres

© Thomas Correll

And the winner is: "Ehrenmann", beziehungsweise "Ehrenfrau". Das Jugendwort des Jahres 2018 bedeutet so viel wie: Jemand, der für einen anderen etwas Besonderes tut. Ein "Ehrenmann" ist also ein, na ja, Ehrenmann eben. Der Langenscheidt-Verlag führt die Jugendwort-Wahl, eine der unsinnigsten und gleichzeitig unterhaltsamsten Erfindungen unserer Zeit, seit 2008 als Werbeaktion durch – und es funktioniert, schließlich haben Sie gerade das Wort Langenscheidt gelesen, das ist Sinn und Zweck des Ganzen. Nochmal nenne ich den Namen aber nicht.

Ehrenmann? Wir dachten immer, Ehrenmänner seien Mafiosi wie Marlon Brando in "Der Pate". Aber gut, unser Fachgebiet beim Tagblatt ist nicht die Jugendsprache. Der Altersdurchschnitt liegt hier bei 53,83 Jahren, ich habe es ausgerechnet. Unser Fachgebiet ist, jetzt kommt’s: die Sprache. Dass trotzdem täglich dase und dasse falsch gemacht werden und die Setzung der Kommata (Kommas? Kommen? Kommatae?) oft zum wegschauen ist, das wissen wir. Sorry! Aber zurück zum Thema. Was der Langenscheidt-Verlag – jetzt habe ich ihn doch nochmal genannt – kann, das können wir schon lange. Der Millizer-Verlag präsentiert also: das Tagblatt-Wort des Jahres.

Die Nominierten

Zunächst die Nominierten, die es leider nicht geschafft haben.

"Ein ganz normaler Dienstag": Wenn bei uns eine normale Anzeigenlage herrscht, finden sich auf einer Seite des Lokalteils Geschäftsanzeigen und auf einer Seite Familienanzeigen (unser Euphemismus für Trauerfälle). Dann gibt es vier Lokalseiten, zwei Sportseiten und zwei Serviceseiten. Das nennt sich: "Ein ganz normaler Dienstag". Als ich neu zum Tagblatt kam, hat es mich maximal verwirrt, als der Redaktionsleiter an einem Mittwochmorgen bekannt gab: "Morgen haben wir einen ganz normalen Dienstag." Auf meinen Einspruch, es sei doch ein Donnerstag, erntete ich allgemeines Gelächter.

Außerdem war im Rennen: "Bespeak we us?". Das ist englisch für "Besprechen wir uns?", wie jeder Anglist sofort bestätigen wird. Geprägt hat den Ausspruch der Kollege he. Jeden Morgen um halb zehn flötet er ihn, wenn er aus seinem Büro heraustritt, um die obligatorische Besprechung einzufordern. Was he in der Schule für Englischnoten hatte, das wissen wir nicht.

Ganz knapp den Titel Tagblatt-Wort des Jahres verpasst hat das wunderbare Bonmot: "Da möcht’ ich auch nicht tot über’n Zaun hängen." Es handelt sich um einen gerne von Kollege rj genutzten Ausdruck des Missfallens gegenüber einem Ort, an dem man nicht gerne sein möchte. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Vor dem Pokalspiel des 1. FC Nürnberg bei Hansa Rostock kommentierte rj: "Rostock? Da möcht’ ich auch nicht tot über’n Zaun hängen."

Ein Wort für alle Lebenslagen

So, genug Spannung aufgebaut. Das Tagblatt-Wort des Jahres lautet: "furchtbar". In das kleine, unscheinbare Wörtchen "furchtbar" – ausgesprochen mit einem langen "u" und einem fränkischen "r" – legt der Tagblatt-Redakteur alle denkbaren menschlichen Emotionen. Wenn es regnet: "furchtbar". Wenn die Sonne scheint: "furchtbar". Wenn man einen unangenehmen Anruf tätigen muss: "furchtbar". Wenn zu wenige Artikel für die Zeitung da sind: "furchtbar". Wenn zu viele Artikel für die Zeitung da sind: erst recht "furchtbar".

Im Wörtchen "furchtbar" steckt Selbstmitleid, aber auch Empathie mit den Schwachen und Geplagten, in "furchtbar" stecken Weltschmerz und Resignation, aber auch der Wille zu kämpfen. Es wurde deshalb einstimmig (mit einer Stimme) zum Tagblatt-Wort des Jahres gekürt.

Wer etwas dagegen hat, ist ein Lauch. Tagblatt-Chavos wissen nämlich, wer der Babo ist. Konnichiwa, bitches!

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