Glosse: Der Club-Fan ist manchmal ein Depp

29.4.2018, 05:58 Uhr
Sind sich in dem Fall einig: Unser Redakteur und Club-Trainer Michael Köllner.

© Sportfoto Zink Sind sich in dem Fall einig: Unser Redakteur und Club-Trainer Michael Köllner.

"Das war der Aufstieg": So betitelte das Schwabacher Tagblatt einen Artikel über eine Umfrage nach dem Sieg des 1. FC Nürnberg in Kiel am vergangenen Montag. Es war das Zitat eines wahrscheinlich wohlmeinenden Fans, den die Kollegen aus Nürnberg in der Fußgängerzone befragt hatten.

Ich las die Überschrift und stand kurz vor dem Herzinfarkt. Was denken sich die Leute eigentlich!? Wie oft muss der Club noch irgendetwas vergeigen, bis auch der Letzte kapiert hat, dass man Aufstiege, Nichtabstiege und Ähnliches erst dann feiert, wenn sie hundertprozentig feststehen? Nicht 99 Prozent, nicht "das klappt schon", nicht "bei dem Torverhältnis kann eigentlich nichts mehr passieren". Nein, 100 Prozent! Wenn man zu früh einen vermeintlichen Erfolg feiert, bringt das nur eines, nämlich Pech.

Der Fuchs hat's gesagt

Um nochmal zu wiederholen, was unser Trainer, der Fuchs aus der Oberpfalz, bereits gesagt hat: Der FCN hat fünf Punkte Vorsprung und es sind noch drei Partien zu spielen. Mehr gibt es zu dieser Situation nicht zu sagen. "Das war der Aufstieg" ist eine Aussage, die genau dann getroffen werden kann, wenn der Club einen Punkt mehr hat als seine Verfolger maximal holen können. Und keine Sekunde früher. Punkt.

Apropos Club-Fans. Wenn der Club ein Depp ist, dann sind seine Fans ja oft noch viel depperter. Dieselben Haupttribünen-Hengste, die vor drei Wochen "Köllner raus" riefen, sagen heute: "Bei dieser schwachen Zweiten Liga musste der Club ja praktisch aufsteigen." Mal davon abgesehen, dass der Club NOCH NICHT aufgestiegen ist, was ist denn das für eine Einstellung? Wenn der Club Scheiße spielt und 1:0 gewinnt, dann ist alles in Ordnung. Aber wehe, er verliert mal zwei Spiele nacheinander. Dann müssen Köpfe rollen.

Wollen wir eine Vereinskultur wie unsere hysterischen Freunde auf Schalke? Wie die bei jeder kleinen Niederlagen-Serie hyperventilierenden Dortmunder? Wie die Millionäre in Hamburg oder Wolfsburg, die dreimal im Jahr den Trainer feuern, weil Geld keine Rolle spielt?

Oder wie die Giganten aus dem Süden? Das Lieblingsteam von Kollege rj. "Wir sind auch leidensfähig", sagte rj doch tatsächlich am Tag nach der Hinspiel-Niederlage seiner Bayern gegen Real Madrid. Leidensfähig? Wenn Jupp Heynckes sich aufs Altenteil zurückzieht, Hoeneß zurück in den Knast muss, Lewandowski zu Barcelona geht und die Bayern nach gefühlten 100 Jahren mal nicht um die Meisterschaft mitspielen, dann will ich ihn schimpfen hören! Wobei die Situation immer noch um Längen besser wäre als (fast) alles, was der Club in den letzten 50 Jahren erlebt hat.

Sechs am Stück

Was ich gerne tun würde, in meiner Hilflosigkeit: die Bayern-Tasse von rj mal wieder verstecken; oder aus Versehen fallen lassen. Leider bringt das nichts mehr. Der Kollege hat mittlerweile drei (!) Bayern-Tassen. Irgendjemand hat sie ihm geschenkt. Wenn er mich reizen will, fuchtelt er mit der Tasse herum, auf der die letzten sechs Meisterschalen am Stück zu sehen sind.

Und was bleibt mir? Zu sagen, dass der Club hoffentlich (HOFFENTLICH!!!) bald wieder in Liga Eins spielt. Und dass die Standards von Enrico Valentini derzeit effektiver sind als die von Kimmich, Thiago und James Rodriguez zusammen. Goldene Zeiten.

Verwandte Themen


Keine Kommentare