Glosse: Der Sprung ins eiskalte Rothsee-Wasser

30.12.2018, 05:58 Uhr
Nein, das ist nicht unser Redakteur. Das ist Superman. Was die beiden gemeinsam haben: Sie stürzen sich ins eiskalte Wasser - der eine in China, der andere in den Rothsee.

© Yan Bo (dpa) Nein, das ist nicht unser Redakteur. Das ist Superman. Was die beiden gemeinsam haben: Sie stürzen sich ins eiskalte Wasser - der eine in China, der andere in den Rothsee.

Ach, weil’s grad zur Jahreszeit passt: Reden wir mal übers Eisschwimmen. Ich kann inzwischen ein bisschen mitreden, weil ich es an Heiligabend erstmals in meinem Leben selbst ausprobiert habe. Natürlich nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil mich eine Bekannte angehauen hatte, ich möge doch da an Weihnachten auch mal kommen, das sei immer ganz schön, und es würden von Jahr zu Jahr mehr Leute mitmachen. Und – was für mich natürlich die Hauptmotivation war: Hinterher gäbe es ja auch Punsch, Glühwein und Plätzchen. Der richtige Start also in die Feiertage.

Also: rein in meinen Neoprenanzug (ist bei echten Eisschwimmern verpönt, aber bei Novizen gerade noch erlaubt) und dann rein in den drei Grad "warmen" Rothsee. Na, wenigstens musste ich keine Eisschicht durchtreten.

Wie Leo vom Brett rutscht

Und dann? Noch ehe ich mich schwimmend fortbewege, geben meine Füße schon keine Signale mehr ans Hirn weiter. Die Finger, Hände und Arme (mein Neo ist ärmellos!) halten länger durch, aber nur deshalb, weil sie später mit dem Wasser in Berührung kommen. 15 Sekunden nach den ersten Kraulzügen: alles irgendwie taub, gefühllos und tot. Mir schießen erst die Schmerzen in den Kopf und dann das Bild von Leonardo di Caprio, wie er nach dem Sprung von der untergehenden Titanic von seinem Brett rutscht und unter klagenden Lauten von Heulboje Celine Dion in sein Tiefseegrab hinabsinkt.

Nun, die nur knapp neun Meter tiefe Rothsee-Vorsperre mit der Tiefsee zu vergleichen, das ist ungefähr so als würde man mit einem alten VW Käfer gegen einen Formel-1-Boliden antreten. Allerdings: Auch in neun Meter Tiefe gibt’s für uns Menschen natürlich nicht mehr viel zu atmen, aber dank meiner ordentlichen schwimmerischen Fähigkeiten (und dank meines Neopren) bleibe ich schön an der Wasseroberfläche. 50, vielleicht 60 Me-
ter kraule ich hinaus (den Kopf immer schön über Wasser!), dann schwimme ich ein Stück parallel zum Ufer, ehe ich um-
kehre. Eine zweite Runde gönne ich mir noch, am Ende bin ich knapp
sieben Minuten im eiskalten Wasser.

Das richtig Schöne kommt hinterher: Die Endorphine schießen durch den Körper, und dieser Körper wirft mit umwerfendem Tempo die körpereigene Turboheizung an.

Die German Open stehen an

Die Frage ist: Muss man sich so etwas öfter antun? Die Antwort: Man muss nicht, aber man kann. Denn: Vom 4. bis 6. Januar finden im Veitsbronner Freibad (da ist das 50-m-Becken tatsächlich randvoll mit Wasser gefüllt) die fünften "German Open" der Eisschwimmer statt. Die Veranstaltung ist gleichzeitig neben dem sibirischen Tyumen und dem nordrussischen Murmansk Teil der Weltcup-Serie.

Murmansk ist für mich weit weg, Tyumen sowieso. Aber zum Rothsee, das habe ich mir vorgenommen, komme ich nächstes Jahr am 24. Dezember wieder. Dann vielleicht sogar ohne Neoprenanzug.

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